Schmerber Manifest

Was ist das „Schmerber Manifest“?

Im Jahr 2014 hat sich im Steigerwald in Bayern unter dem Namen FAUN eine „Initiative Waldnaturschutz Integrativ“ gebildet, die mit dem „Schmerber Manifest“ integrativen Waldnaturschutz fordert, sich dabei gleichzeitig aber gegen die Ausweisung von Waldgebieten ohne forstliche Nutzung wendet.  In seinem Buch „Deutschland, deine Buchenwälder“ setzt sich Norbert Panek auf den Seiten 178 f kritisch mit dem Schmerber Manifest auseinander.

Hier der Link zur Website von FAUN mit dem Schmerber Manifest:

http://www.faun-iwi.de/schmerber-manifest/

Nachfolgend die Entgegnung von Norbert Panek auf das Schmerber Manifest:

( Zitat Anfang )

Manifestierter Pritzelkram

Im Juni 2014 hat sich im Steigerwald eine neue Initiative von engagierten Forstleuten und Forstwissenschaftlern unter dem Namen „Schmerber Manifest“ gegründet („www. faun-iwi.de“). Sie setzt sich vehement für einen integrativen Naturschutz im Wald ein und lehnt die pauschale Ausweisung großer nutzungsfreier Schutzflächen ab. Die Initiative glaubt, mit ein paar Biotopbäumen, Altholzinseln und kleineren Waldreservaten könne man die biologische Vielfalt unserer Wälder auf Dauer sichern. Offensichtlich geht es nur darum, für das „Naturschutzkonzept“ des Forstbetriebs Ebrach im Nord-Steigerwald Werbung zu machen und das dort diskutierte Nationalpark-Projekt zu diskreditieren.

Bei Waldökosystemen handelt es sich ja grundsätzlich um sich selbst steuernde Ökosysteme, die nicht auf erhaltende und unterstützende Managementmaßnahmen angewiesen sind. Selbst ein mehr oder weniger intensiv bewirtschafteter Wald trägt das Potenzial in sich, über verschiedene Regenerationsphasen wieder in einen naturgemäßen Zustand zu gelangen, ohne dass der Mensch steuernd eingreifen muss. Dazu braucht es lediglich etwas Raum und Zeit. Solche Regenerationsprozesse sind grundsätzlich weder planbar noch können sie durch so genannte „integrative“, forstliche Eingriffe imitiert werden.

Artenschutz versus Prozessschutz

Ein Naturschutzkonzept, das sich ausschließlich auf derartige integrative Maßnahmen im Wald beschränkt, kann den zentralen Aspekt dynamischer, sich selbst steuernder Naturprozesse nicht abdecken. Ein solches Konzept erfüllt in beschränktem Umfang zwar Artenschutzziele, ist aber ungeeignet, für das dauerhafte Überleben von waldspezifischen Arten ausreichende Habitat-Strukturen zu schaffen, die „Tradition“ und „Kontinuität“ gewährleisten. Für derartige Strukturen ist der Zeitfaktor äußerst wichtig, der in kurzlebigen, zudem intensiv genutzten Wirtschaftswäldern mit kurzen Umtriebzeiten (Buche: 140 Jahre, Eiche: 200 Jahre) keine Chance hat! Natürliche Mosaik-Lebenszyklen von Buchenwäldern umfassen mindestens 300 bis 400 Jahre. In intensiv genutzten Wirtschaftswäldern fehlen die entscheidenden Alterungs- und Zerfallsphasen.

Mehrfach werden im „Schmerber Manifest“ die Begriffe „naturschutzintegrative Waldbewirtschaftung“ und „naturnahe Waldbewirtschaftung“ genannt, ohne dass dazu genaue (überprüfbare) Kriterien genannt werden. Die Wissenschaft hat hierzu mittlerweile klar definierte Schwellenwerte ermittelt.

Pritzelkram

Dass kleinere Naturwaldzellen (nicht größer als 30 ha) so genannte Spenderflächen (Trittsteine für die Artenausbreitung) darstellen sollen, ist wissenschaftlich nicht zu belegen. Gerade für ausbreitungsschwache und sehr spezialisierte Wald-Arten (z. B. bestimmte Totholzkäfer) sind Naturwaldflächen erst in Größen ab 2.000 ha für den Aufbau von stabilen überlebensfähigen Populationen relevant. Erst Flächen in dieser Größenordnung könnten dann tatsächlich auch als „Spenderflächen“ fungieren. Einige andere hoch mobile Arten (Vögel) profitieren sicherlich von kleineren Alt- und Totholzinseln.

Aber an dieser Stelle nochmals betont: Beim Schutz von Wäldern sollte man sich nicht kurzfristig auf den Schutzaspekt von Arten reduzieren, sondern es sollte in erster Linie darum gehen, auf ökosystemarer Ebene natürliche Entwicklungsprozesse langfristig zu schützen. Dass Buchenwälder in ihren vielfältigen Ausprägungen dabei eine besondere Rolle spielen, liegt auf der Hand. Im Sinne eines Wald-Biotopverbunds wäre es hierzu notwendig, über die deutschen Großnaturraumeinheiten verteilt mindestens jeweils 5.000 ha große nutzungsfreie Waldschutzgebiete als „Netzknoten“ einzurichten. Über die wissenschaftlich belegte Notwendigkeit solcher Großschutzflächen schweigt das „Manifest“.

Das „Rad“ nochmals erfunden

Für eine naturnahe Waldbewirtschaftung werden im Manifest Merkmale wie Baumartenvielfalt (orientiert an den natürlichen Waldgesellschaften), natürliche Prozesse, Bodenschonung, Totholz-Anreicherung sowie Schalenwild-Reduzierung gefordert, ohne dass registriert wird, dass solche Bewirtschaftungskonzepte bereits seit weit über 20 Jahren als so genanntes „Lübecker Modell“ existieren. Solche  natur(prozess-)schutz-orientierten Konzepte werden von konventionellen Förstern aber systematisch ignoriert und auch im „Schmerber Manifest“ totgeschwiegen.

Integrativer Wald-Naturschutz bedeutet in der Lesart des „Manifests“, dass der Forstmann bestimmt, wo welcher Biotopbaum zu stehen hat, um dann die Nutzung der „ökologisch hochwertigen Ressource Holz“ mit den anderen Ansprüchen der Gesellschaft in Einklang zu bringen. In Bayern sind über 60 % der Staatswaldflächen auf potenziellen Buchen-Standorten mit naturraumfremden Nadelhölzern bestockt. Für diesen weitreichenden forsthistorischen Fehlgriff hat das Manifest natürlich keine Antwort parat.

( Zitat Ende )

Zitiert aus: Norbert Panek: „Deutschland, deine Buchenwälder“, Ambaum Verlag 2016, S. 178 f.     – – Mehr zum Buch siehe:

http://waldproblematik.de/buecher-zum-thema/

 

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland