Waldbau – Beispiele und Gedanken
von Karl-Friedrich Weber, aus seiner Facebook-Seite „Waldwahrheit“
24. 02. 2019:
Viele Fragestellungen in unseren heutigen Wirtschaftswäldern lassen sich nicht kategorisch beantworten, vor allem deshalb nicht, weil die Ausgangssituation und damit die frühere Waldbehandlung nicht mehr veränderbar ist und sich daraus Zwänge ergeben, die Kompromisslösungen erforderlich machen.
Das gilt auch für die Umbauten von naturfernen Fichten- und Kiefernmonokulturen in Laubmischwälder als Folge von großflächigen Windwürfen oder Insektenfraß.
Das gilt nicht für die desaströsen Flächenvorbereitungen zur maschinellen Pflanzung und sogenannter Folgepflege naturferner Eichenplantagen, die zum ökologischen Umbauprogramm erklärt werden.
Boden- und Strukturzerstörung, Mineralisierung des Humus, in der Folge klimawirksame Treibhausgas-Emission, hohe Anfangsinvestition, deren Zinseszins-Wirkung und dauerhafte Folgepflege im Alterklassenbestand auch in über hundert Jahren, wahrscheinlich weit darüber hinaus, keine Nettorendite erwarten lassen. Welchem Betriebswirtschafter, Kaufmann oder Ökologen würde so etwas einfallen?
Eichenwaldbau ist anspruchsvoll. Er ist Waldbaukunst. Kein Berufsstand besteht nur aus Künstlern. Forstleute sind per se keine Eichenwaldbauer. Das ist kein Manko. Nach absolviertem Studium könnte man zur Einsicht des Sokrates kommen, man wisse, dass man nichts wisse – wobei offen bleibt, ob der griechische Philosoph das so gesagt hat.
Wahr ist, dass der waldbauliche Lernprozess erst danach beginnt – sofern man Glück hat und auf Forstleute trifft, die Erfahrung und Lehren aus ihren eigenen Fehlern sammeln konnten und heute weitergeben können.
Niemand kann von sich sagen, er könne Eichenwaldbau. Wir können aber anhand dieser Bilder sagen, dass es Forstleute gibt, die keinen Eichenwaldbau können.
Ihnen fehlt dann wohl etwas, das mit „Faktenwissen“ nur sehr bedingt zu tun hat, nämlich Sensibilität und Intuition. Wenn sich vor allem junge Forstleute im Diskurs gern auf ihr „Faktenwissen“ berufen, ist das ein Teil dieser mitschwingenden Regelvermutung, der andere, der Nicht-Forstmensch habe eben keine Ahnung. Womit die Welt dann wider im Gleichgewicht ist.
Karl-Friedrich Weber
Foto: Karl-Friedrich Weber
vorher – nachher
15. 10. 2018:
Wie geht es der Elsbeere in der Mitte des Bildes? Wird sie von ihren Nachbarn bedrohlich eingeengt oder hat sie bisher die Kraft gehabt, im Kronenraum des etwa 180jährigen Buchen-Hainbuchen-Eichen-Feldahorn-Mischbestandes mitzuhalten, obwohl seit fünfzig Jahren kein Hieb erfolgte? – Obwohl sie als eine Baumart lichter Wälder gilt und vorzugsweise in den Waldsäumen zu finden ist?
Kann es auch sein, dass ihre offensichtlich begrenzte Krone, die keinerlei Schadsymptome aufweist, einem günstigen Wurzel-Spross-Verhältnis entspricht?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass so manches Klischee, dem auch ich lange Jahre unhinterfragt gefolgt bin, durch Beobachtung neue Fragen aufwirft und zu neuen Antworten führen kann.
Foto: Karl-Friedrich Weber
31. 08. 2018:
Die Trockenheit rafft so manche diesjährige Pflanzung dahin. Das kommt nicht nur in so bezeichneten Jahrhundertsommern vor, sondern ist ein Risikomerkmal von Kahlschlagwirtschaft und Pflanzungen schlechthin.
Im unten dargestellten Beispiel ist die diesjährige Stieleichenpflanzung in großem Umfang ausgefallen. Gleichzeitig macht eine diesjährige Eichen-Naturverjüngung auf derselben Fläche einen äußerst vitalen Eindruck mit teilweise zweitem Austrieb (Johannistrieb).
Sie kommt zwischen den Pflanzreihen auf und wurde dann auf ähnlichen Flächen in den vergangenen Jahren gewöhnlich im Zuge der sog. Kulturpflege weggemulcht, während Nachpflanzungen zur Kompensation der Ausfälle oft ebenfalls nicht anwuchsen.
Foto: Karl-Friedrich Weber am 25.08.218
15. 02. 2018:
ein ganz anderes Beispiel aus einem FFH-Gebiet …
Dieser ca. 57jährige Eichen-Hainbuchen-Buchen-Bergahon-Kirschen-Mischbestand wurde bisher lediglich zweimal durchforstet. Mitte der 1980er Jahre ließ ich den Stockausschlag der Traubeneiche vereinzeln. Das Ergebnis Jahrzehnte später sind sehr gute Schaftformen.
2004 wurde der Bestandesschluss von der Forsteinrichtung als „gedrängt“ (1.1) bezeichnet. Was in der Forsteinrichtung als Durchforstungsrückstand bzw. als „dringend pflegebedürftig“ definiert wird, ist in wichtigen Phasen und vielen Fällen der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Diesen Abschnitt individuell zu erkennen, ist anspruchsvoll und kennzeichnet Intuition als wichtige Voraussetzung für qualifiziertes waldbauliches Handeln.
Mein Nachfolger führte die zweite Bestandespflege vor ca. zehn Jahren durch. Das war alles. Ein Harvester-Forwarder-Gespann ist bis heute nicht in diesen Bestand gekommen.
Den Rest besorgte die sogenannte „biologische Automatisation“. Hinter diesem holperigen Begriff verbirgt sich immerhin der weiterführende Gedanke, dass die natürliche Dynamik in kostenmindernder Weise wirtschaftliche positive Effekte erzielt.
Wenn eine über hundertjährige Forstwirtschaft es bis heute nicht vermocht hat, den Wertholzanteil von gegenwärtig ca. 5% gegenüber Urwäldern (nach dem Forstwissenschaftler Stefan Korpel bis 50%) wenigstens auf 10% zu erhöhen, liegt der Schlüssel in der fehlerhaften Gründung und nachfolgenden Behandlung von Jungbeständen im Altersklassenwald.
Ein betroffen machender Erfahrungs- und damit Wissensmangel handelnder Forstleute mag einer der Gründe sein. Wo aber keine Erfahrung entsteht, kann diese auch nicht weitergegeben werden. Da ist qualifizierte Führung gefragt.
Indem u.a. in den Niedersächsischen Landesforsten weiterhin Reviere aufgelöst und andere entsprechend vergrößert werden, gleichzeitig der Nimbus von Allkompetenz durch Führungskräfte weiterentwickelt wird, die ihre eigenen Defizite nicht erkennen, wird sich kaum wesentliches ändern.
Und die Politik schaut parteiübergreifend zu und lässt sich mit der Abführung einiger Millionen EURO „stilllegen“, schwächt durch ihre durch die Lobby gelenkten Entscheidungen jegliche öffentliche und behördliche Kontrollfunktionen und geht jeder Zweckbegründung mangels eigenen Durchblicks auf den Leim.
Eine Lösung scheint auch unter der rot-schwarzen Landesregierung nicht in Sicht. Die sich in Wahlkampfzeiten interessiert zeigten, schweigen nun. Alles wie gehabt.
Und der Frust der Öffentlichkeit wächst.
Karl-Friedrich Weber
Fotos: Karl-Friedrich Weber, Februar 2018
11.10. 2017:
Vor einigen Tagen habe ich einen Bestand aufgesucht, den ich vor 35 Jahren nach einem 0,3 ha großen Fichtenabtrieb bepflanzen ließ – Bergahorn und Bergulme sollten einen Buchengrundbestand ergänzen. Anerkanntes Buchenpflanzgut konnte in diesem Jahr nicht beschafft werden. Die Buche sollte im folgenden Jahr nachgepflanzt werden. Das unterblieb jedoch, was ich damals den herrschenden Vorstellungen entsprechend als einen waldbaulichen Fehler betrachtete.
35 Jahre danach finde ich wüchsige gutgeschäfteten Bergahorn vor, zu dem sich Esche aus Naturverjüngung gesellt hat. Eine Traubeneiche mit guter Stammform fällt mir sofort ins Auge (Bild 1). Sie war weder gepflanzt worden, noch gab es einen Ausgangsbestand auf der Fläche. Sie war nicht die einzige.
Auf der gesamten Fläche hat sich die Rotbuche aus Naturverjüngung eingestellt. Der Vorsprung des Edellaubholzes und einzelner Eichen wäre nicht möglich geworden, wenn ich die Rotbuche zeitgleich eingebracht hätte. So wurden erhebliche Pflanzkosten vermieden und ohne jede Pflege trotzdem eine Bestandesstruktur erreicht, die idealer kaum sein könnte.
Zeit ist im Waldbau alles, Ungeduld nichts. Wirtschaftlichkeit entsteht aus Vermeidung von Kosten.
Die forstliche Keimruhe, die heute so fehlt, wieder zu suchen und sogar zu finden, wäre nicht nur ein erstrebenswertes, sondern notwendiges Ziel.
„Die Natur macht nichts vergeblich“ – Dieser Satz des Aristoteles gilt heute wie vor 2.300 Jahren.
Foto: Karl-Friedrich Weber
06. 10. 2017:
Nach dem Orkan …
Nach einem Orkan können wir nicht nur in den Wäldern viele Folgen registrieren. Fast alles, was wir wahrnehmen, gleichen wir mit unseren vermeintlichen Erfahrungen ab und bewerten dann das Ergebnis. Mir geht es nicht anders.
Ich habe heute bei meinem kleinen Waldrundgang einmal mehr bestätigt gefunden, dass zum Beispiel in einem sehr alten Laubbaumbestand der Astbruch ausschließlich gesunde Bäume betraf. Geworfen wurden einige alte Buchen ohne erkennbare Schäden, während stehendes Totholz auch danach stehendes Totholz blieb.
Also die Bestätigung meiner jahrelangen Beobachtungen? Oder sind es etwa doch Vorurteile, die zur Gewissheit geworden sind, weil ich anders geartete Beobachtungen, die meinem Vorurteil widersprechen, einfach verdränge?
Ich kann es nicht sagen und auch nicht überprüfen, weil mir keine statistisch abgesicherten Forschungsergebnisse vorliegen.
So geht es wohl uns allen – mehr oder weniger. Das sollten wohl auch diejenigen erkennen können, die im festen Glauben und mit dem berühmten forstlichem Götterblick jeden Habitatbaum als potenziellen Totschläger identifizieren und im Namen der Verkehrssicherungspflicht auch dort fällen lassen, wo kein erhöhter Verkehr besteht. Zehntausende alter Bäume haben in unseren Wäldern so ihr Ende gefunden.
Gefährdet sind dann nur die Forstwirte, die zu Vollstreckern werden (müssen).
Karl-Friedrich Weber
01. 10. 2017 :
Einer Gewitter-Trombe konnte selbst ein so starker Stamm dieser Buche nichts entgegensetzen. Er brach in acht Metern Höhe. Dieses Ereignis fand in den letzten etwa 180 Jahren des Baumes nur ein einziges Mal statt – nämlich im Sommer 2016.
Ist damit das Ende dieses Lebewesens besiegelt? Nein, denn der vitale Seitentrieb wird wahrscheinlich zu einem neuen starken Baum heranwachsen. Die einfallende erhöhte Strahlungsmenge in dem entstandenen Lichtschacht wird ihm hierzu die begünstigenden Voraussetzungen schaffen, nachdem er viele Jahrzehnte in Wartestellung verharrte.
Bei genauerer Betrachtung des Wurzelraumes der scheinbar 180 Jahre alten Buche stellen wir fest, dass auch dieser Stamm ebenfalls als ein Trieb aus einer noch älteren Wurzel gewachsen war. Er gehörte einer von Bauern um das Jahr 1840 gefällten noch älteren Buche.
Wir können nicht mehr herleiten, wie alt diese Mittelwaldbuche gewesen ist. War sie selbst womöglich ein alter Baum? Dann wäre die Annahme nicht abwegig, dass sie heute ein Alter um 300 Jahre aufweisen kann und ihr neuer Trieb noch viele Jahre oder Jahrzehnte in die Zukunft wachsen wird.
Leben ist robust. Evolutionsbiologen sind in den letzten Jahrzehnten zu dieser Erkenntnis gekommen.
Umso erstaunlicher mutet es an, wenn im neu aktualisierten Programm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung in den Niedersächsischen Landesforsten, mutig als LÖWE+ bezeichnet, festgestellt wird, dass u. a. die Buche von vermehrten Trockenstressbedingungen am stärksten betroffen sei – natürlich ergänzt um den Hinweis, das dies für die Douglasie weitaus weniger zutreffe.
Forstwissenschaft führt doch immer wieder zu neuen Einsichten und sei sie unüberprüft übernommen und festgestellt durch ein politisches Regierungsprogramm.
Karl-Friedrich Weber
30. 09. 2017 :
Aus Eschentriebsterben wird Eschensterben. Die Aussage einzelner Forstleute, die Eschen stünden durch den Pilz Falsches Weißes Stengelbecherchen kurz vor der Ausrottung, gibt die folgerichtige Begründung für Kahlschläge unreifer Bestände zur angeblichen Vermeidung von weiteren Infektionen und das Abrufen von EU-Fördermitteln für Neukulturen in Privatwäldern.
Die Beobachtung von etwa 40 Eschenbeständen in der Region Braunschweig durch Forstleute im Sommer 2017 hat den Eindruck ergeben, dass sich der Kronenzustand in vielen Fällen verbessert, keinesfalls jedoch verschlechtert hat. Auffallend viele Eschen wiesen keinerlei optisch erkennbaren Befallssymptome auf.
Die einzigen drei abgestorbenen Eschen eines Forstortes auf den Fotos waren von voll belaubten Nachbarn umgeben, ein auffälliger Widerspruch.
Nachdenken und Beobachten statt Aktionismus auf der Basis ungesicherter Annahmen ist die Tugend, die von unseren forstlichen Altvorderen als „forstliche Keimruhe“ bezeichnet wurde. Im Wald liegen wir mit dieser Haltung allemal richtig.
Foto: Karl-Friedrich Weber