26. 05. 2017 :
Kommentar von K-F Weber zu Prof. Schulze und seiner Argumentation (aus: FB-Seite „Waldwahrheit“ vom 26.05.2017):
Solange Prof. Dr. Ernst-Detlef Schulze in seiner Alterphase mit krusen Theorien den öffentlichen Diskurs zu prägen scheint, hat die deutsche Forstwissenschaft ein Problem.
Biodiversität ist nun einmal ein Forschungsfeld, das sich mit der Auflistung von Pflanzenarten in Wirtschaftswäldern nicht zureichend erschließt.
Der Verlust der Artenvielfalt ist offenbar auch in fehlendem oder unsicherem Wissen über die komplexen Verbindungen zwischen Natur und Gesellschaft begründet. Das wäre doch ein dankbares Erkenntnisfeld für Ernst-Detlef Schulze im Anklang an seine früheren wissenschaftlichen Verdienste.
Karl-Friedrich Weber
05. 03. 2017 :
Die Diskussion um eine „artenoptimierte“ Waldstruktur hat wieder Fahrt aufgenommen – angestoßen durch einige Forstwissenschaftler und nicht ohne erkennbarer Zielrichtung.
Die größte Artenvielfalt biete der lichte Wirtschaftswald.
Sowohl starke Nutzungseingriffe, als auch die Rückkehr von Forsttechniken wie Kahlschläge und maschinelle bodenschädigende Verjüngungsverfahren werden mit der Sicherung hoher Artenvielfalt begründet.
Der subtile Schulterschluss mit Artenschützern ist dabei einbezogen. Gegen die Urwaldreliktarten geschlossener alter Phasen der Buchenwälder, wird das Modell der lichtstehenden, breitkronigen Eiche mit ihrer realitv hohen Insektenvielfalt gestellt.
Das erfreut so manchen Insektenkundler und ist mit traditionellen Leitbildern des Naturschutzes vor allem dann gut in Übereinstimmung zu bringen, wenn wir den „sicheren“ Raum selektiver Betrachtungen des eigenen Paradigmas nicht gern verlassen wollen.
Die Artenzahl, soweit wir sie bisher überhaupt erfassen und voneinander abgrenzen können, wird dabei über die Biodiversität als Prozess des Lebendigen gestellt, der ungerichtet und letztlich unvorhersagbar verläuft und sich jeder reduktionistischen Betrachtung entzieht.
Unvorhersagbarkeit ist aber eine verstörende Vorstellung in einer Welt, in der wir uns als das Maß aller Dinge definieren, die Wege und Ziele setzen.
Unsicherheit schafft Unbehagen. Die „Basis abgesicherter Erkenntnisse“ hingegen schafft ein Gefühl von „Basis“-Sicherheit.
Wir schauen auf das Kronendach des Naturwaldreservates Rieseberg im Landkreis Helmstedt. Seit über fünfzig Jahren holznutzungsfrei, hat dieser alte ehemals bäuerlich genutzte Eichen-Buchen-Laubwald einen scheinbar geschlossenen Kronenraum.
Erst in der Nahperspektive erkennen wir die fantastische Strukturvielfalt. Standort, kurzwellige Sonnenenergie, Phasenwechsel des Wassers, Stoffflüsse und genetische Diversität, zu einem Orchester des Lebendigen geformt, haben sie in einem niemals endenden Prozess entstehen lassen.
Jährlich wiederkehrende Störungen durch den Ausfall alter Bäume des Oberbestandes schaffen Löcher – vorübergehende abrupte Änderungen der Muster und kurzzeitige Habiate spezialisierter Organismen.
Die Loslösung von der Dominanz bloßer evolutionsbiologischer Artenzählerei und die verstärkte Hinwendung zu einer synergistischen Wahrnehmung (oder Erahnung) von Prozessen, die mit der Komplexität des Lebendigen unauflöslich verbunden sind, führen uns hin zu einer neuen Sensibilität, die uns aus so mancher Denkfalle führen könnte. Das haben uns sogar die Quantenphysiker des vergangenen Jahrhunderts mit ihren nahezu perfekten Messmethoden beispielhaft offenbart, in dem sie die Unbestimmtheit unserer Welt mit naturwissenschaftlicher Präzision offen legten.
Suchen wir die alten Wälder auf, sehen wir sie als terrestrische Wesen und Fußgänger, die wir nun einmal sind, aus der Froschperspektive. Der Kronenraum bleibt uns weitgehend verschlossen.
Wenn uns aber schon die Wahrnehmung von Elfen fehlt, die wir in diesem lichtdurchfluteten Raum vermuten können, bleibt uns doch unsere Vorstellungskraft. Die Gedanken sind nun einmal frei – wenn wir sie von ihren begrenzenden Bindungen lösen.
Unsere Erkenntnisfähigkeit kann uns dabei helfen.
Karl-Friedrich Weber
Fotos: Karl-Friedrich Weber, während Fahrt mit Heißluftballon am 02. 06. 2011
06. 03. 2017 :
Das Leitbild eines sog. Lebensraumtypes des „Lichten Wirtschaftswaldes mit Habitatkontinuität“, zum Beispiel in FFH-Schutzgebieten, wird zu einer waldbaulichen Groteske, wenn sie über die Alterklassenwirtschaft mit Kahlschlag, mechanischer Bodenzerstörung, Vollbaumnutzung, Standortentwässerung und Monostruktur definiert wird. In ihr kommt ein fundamentales Unverständnis dessen zum Ausdruck, worauf es ankommt.
Fotos: Karl-Friedrich Weber