Naturschutz

18. 02. 2017 :

 Der Rechtsstaat ist von innen gefährdeter, als von außen – wer das so ausspricht, betreibt Verunglimpfung staatlicher Bediensteter. Die Gefährdung kommt schleichend daher, fast unbemerkt und in biedermännischer Attitüde.

Dass die Rechtsfolgen, die sich aus der FFH-Richtlinie von 1992 formal und materiell ergeben, sich immer noch weitgehend in einem rudimentären Stadium befinden und sich die Erhaltungszustände vieler Gebiete nach einem viertel Jahrhundert permanent verschlechtert haben, wird einfach abgestritten.

Da, wo Negieren nicht geht, wird verdrängt oder bewusst geleugnet. Wer sich als Beamter des Staates pflichtgemäß kritisch über diesen rechtswidrigen Zustand äußert, gilt als Nestbeschmutzer.

Das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen unvollständiger Umsetzung der FFH-Richtlinie läuft.

In Niedersachsen wie auch in anderen Bundesländern fehlen zahlreiche Schutzverordnungen. Wo sie bereits Satzung sind, zumeist in Form von Landschaftsschutzgebieten, sind sie so gefasst, dass sie weder einen günstigen Erhaltungszustand, noch eine Verbesserung bewirken können.

Ihre Handhabung durch die Naturschutzbehörden ist oft rechtsfehlerhaft – zumeist bewirkt durch personelle Unterbesetzung, ein stets wirksames Instrument, um etwas zu verzögern oder zu verhindern. Kontrollen sind kaum möglich. Der Rest ist mangelnde Untersützung von Politik und Verwaltungsspitze. Das Umweltschadsesgesetz läuft seit Jahren leer.
Hilfestellung des verantwortlichen Umweltministeriums – Fehlanzeige.

Im Landeswald herrschen eigene Gesetze, legitimiert durch die rot-grüne Landesregierung. Die Naturschutzbehörden sind da per Erlasslage weitgehend draußen vor. Die bisherigen Entwicklungspläne in Eigenregie sind von außen so gut wie nicht überprüfbar und werden von BUND, NABU und Greenpeace rechtsgutachtlich als europarechtswidrig bewertet.

Auch das bewirkt offenbar kein Unbehagen im Bewusstsein von Beamten, die per Diensteid pflichtgemäß geltendes Recht wahren und z.B. Entwässerungsmaßnahmen in einem Vogelschutz- und FFH-Gebiet, wie auf dem Foto zu sehen, in Ordnung finden.

Das die EU-Kommission die Situation erkannt hat und die Zügel weiter anzieht, könnte zur Hoffnung Anlass geben. Denjenigen, die nunmehr seit Jahrzehnten für die rechtskonforme Umsetzungen des Netzes Natura 2000 eintreten, fehlt inzwischen der Glaube daran, dass verfassungsgemäßes Recht zeitnah Wirklichkeit werden wird.

Karl-Friedrich Weber

Entwässerungsgraben FFH-Gebiet NS zu Kommentar 28-2-2017Das Foto zeigt verbotene Entwässerung eines Waldstandortes in einem niedersächsischen FFH- und Vogelschutzgebiet zum Zwecke einer Neukultur. Im Foto kann man erkennen, dass es sich nicht um eine Grabenunterhaltung handelt, sondern um einen genehmigungspflichtigen Gewässerausbau. Das Kriterium ist, dass die Sohle vertieft wurde und erkenbar in bisher unberührten gewachsenen Boden eingegriffen wurde.

[ = Kommentar zur Meldung „“ des Österreichischen EU-Umweltbüro,  s. Link: ]

http://www.eu-umweltbuero.at/inhalt/umweltdachverband-eu-kommission-verschaerft-gangart-in-umwelt-und-naturschutzfragen-2?ref

EU-Kommission verschärft Gangart in Umwelt- und Naturschutzfragen – Die EU-Kommission stellt die Praxis der Vertragsverletzungsverfahren auf neue Beine. … Die Kommission wird künftig unverzüglich Verfahren einleiten, wenn Umweltstandards nicht eingehalten werden und das Tempo der Verfahrensprozesse extrem beschleunigen. … „Die EU-Kommission reagiert damit auf oft jahrelange Verzögerungsstrategien. Spielen auf Zeit ist ab sofort nicht mehr möglich! …“


16. 02. 2017 :

Es geht nicht darum, das Umweltverbände ein Vorkaufsrecht hätten, sondern dass Naturobjekte in ihrem Eigentum eine Bestandsicherheit erfahren.

Noch besser wäre es allerdings, wenn der Staat, hier als Gemeinde, seinen verfassungsgemäßen Pflichten nachkommen würde, die Natur dem Gemeinwohl entsprechend zu schützen. Davon sind wir offenbar immer noch weit entfernt, trotz aller positiven Ausnahmen.

Karl-Friedrich Weber

[ = Kommentar zur Meldung des BUND, dass die Stadt Salzwedel seinen naturschutzfachlich sehr wertvollen kommunalen Bügerholz-Feuchtwald am „Grünen Band“ an einen privaten Investor veräußert hat, obwohl ein gleichwertiges Angebot des BUND vorlag ]

https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/wald-und-land-bald-ganz-in-investorenhand-ausverkauf-des-tafelsilbers/

„Ernüchtert zeigt sich der BUND auch über die Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Die habe entgegen wiederholter Ankündigungen keine entscheidenden Schritte unternommen, die Flächen des Stadtforstes für den Naturschutz zu sichern. „Wenn dieses Beispiel weiter Schule macht, werden sich finanzstarke Investoren weiter alles unter den Nagel reißen, dass irgendwie gewinnversprechend ist. Wir fragen uns, wer – wenn nicht die öffentliche Hand – dem so genannten Landgrabbing mitten in Deutschland Einhalt gebieten soll. Waren bisher insbesondere landwirtschaftliche Flächen betroffen sind nun auch die Wälder verstärkt in den Fokus der Investoren gerückt“ so Weiger. Das 400 ha große Bürgerholz stellt zusammen mit der 1.100 ha großen Buchhorst, die zusammen den Stadtforst Salzwedel bilden, einen der wertvollsten Feuchtwälder in ganz Deutschland dar. Durch die jahrzehntelange Abgeschiedenheit im Schatten der ehemaligen innerdeutschen Grenze am Grünen Band konnten hier eine Vielzahl geschützter und seltener Tier- und Pflanzenarten ansiedeln. Viele bundesweit bedrohte Arten haben hier eine letzte Zufluchtsstätte gefunden, darunter z.B. Fledermäuse, Großvögel (wie Kranich, Schwarzstorch), Tagfalter, Amphibien und Libellen sowie Fischotter. Die Wälder stellen einen der wertvollsten Bereiche am Grünen Band dar und sind deshalb von bundesweiter Bedeutung.“

Weitere Infos zum Bürgerwald Salzwedel hier, viele weiterführende Links zu Artikeln ganz unten auf der Seite!

https://www.change.org/p/ausverkauf-des-stadtforst-b%C3%BCrgerholz-in-salzwedel-verhindern-gr%C3%BCnes-band-retten


28. 01. 2016 :

Gegen den Widerstand starker Nutzergruppen – auch die europäisch organisierte deutsche Forstlobby war mit von der Partie – hat das Europäische Parlament bereits im Vorfeld der entscheidenden Debatte eindeutige Akzente gesetzt.

Am 16. Januar 2016 hat der Ausschuss für Umweltfragen über die Halbzeitbewertung der Strategie der EU zur Erhaltung der biologischen Vielfalt einen Bericht und einen Entschließungsantrag vorgelegt. Er wurde am 1.12.2015 im Beratenden Ausschuss einstimmig angenommen.

Der Federführende Ausschuss beschloss ihn am 22.12.2015 mit 60 Stimmen bei drei Gegenstimmen und einer Enthaltung.

Überzeugender kann der Wille des Parlamentes nicht dokumentiert werden.

Unter Ziel 1 heißt es:

„27. Das Europäische Parlament fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, weiterhin sorgfältig für die Durchsetzung der Naturschutzrichtlinien zu sorgen; betont, dass die Einhaltung und Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften verbessert werden muss, beispielsweise durch den Einsatz verhältnismäßiger, wirksamer und abschreckender Sanktionen.“

Angesichts der allgegenwärtigen Ignoranz europäischen und deutschen Naturschutzrechts durch staatliche Stellen – unter Verletzung des Art. 20a GG – ist es spät, aber nicht zu spät, um alle diejenigen rechtlich zu belangen, die in dienstlicher Verantwortung Rechtsbruch begangen und dadurch langfristige oder irreversible Verschlechterungen von Lebensräumen und Populationen bestimmter Tier- und Pflanzenarten billigend in Kauf genommen haben.

Insbesondere in Niedersachsen sind geradezu auswuchsartige Missstände in der Umsetzung geltenden Naturschutzrechts – begonnen unter schwarzgelb, fortgesetzt unter rotgrün – Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission geworden, dessen zeitlich nahezu unmögliche Heilung bis zur gesetzten Frist 2018 einige ins Schwitzen bringen dürfte.

Nachdem über Jahre die Bedenken der Verbände BUND, NABU und Greenpeace ignoriert wurden, die sich intensiv wie kaum jemals zuvor konstruktiv eingebracht haben, dürfte dort kaum eine Schwamm-drüber-Stimmung Platz greifen. Wer lässt sich schon gern in seinem ernsten Anliegen so hinter die Fichte führen, geradezu verhöhnen, wie das aktuell in Niedersachsen geschieht.

Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sich verantwortliche Beamte aller zuständigen Ebenen eines Tages warm anziehen müssen; was ihnen sicher nicht schwerfallen dürfte, weil sie doch ganz sicher auch in dieser Hinsicht vorbildhaft handeln werden.

Die Dimension der Folgewirkungen aus Amtspflichtverletzungen dürften kaum geringer bewertet werden, wie das Nichtbeachten einen Stop-Schildes durch einen Normalbürger, bei dessen Ahndung so gut wie keine Chance auf Widerspruch gegen das Bußgeldverfahren besteht.

Karl-Friedrich Weber

Kommentar gepostet mit diesem Link:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2F%2FEP%2F%2FTEXT+REPORT+A8-2016-0003+0+DOC+XML+V0%2F%2FDE


09. 11. 2015 :

Heute werden durch Rechtsanwälte der Agrarlobby selbst bei einfachsten Landschaftsschutzverfahren die größten Geschütze aufgefahren, wie im Landkreis Helmstedt, und damit die Naturschutzbehörden personell so gebunden, dass sie zu ihren ureigenen Naturschutzaufgaben nicht mehr kommen können. Bedienstete des Landes aus der Forstverwaltung und der Landwirtschaftskammer machen bei dieser Blockadestrategie mit. Es geht darum, wer auf dem Land das Sagen hat und nicht darum, wie der gesellschaftliche Auftrag der Umweltvorsorge zu erfüllen ist. Was Succow noch gelang, ist 25 Jahre danach nur noch Illusion.


04. 12. 2015 :

Kommentar zu einem Interview mit Prof. Michael Succow in der Deutschen Welle vor dem Pariser Klimagipfel 2015:

http://www.dw.com/de/succow-moore-erhalten-um-unser-selbst-willen/a-18876367?maca=de-newsletter_de_themen-2076-html-newsletter

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Kommentar:

„Ist sich der Mensch dieses Fehlers überhaupt bewusst?“ fragt der Interview-Partner.

Die Antwort:
„Nur Ökologen, die die Natur als komplexes System begriffen haben. Alle Ökosysteme hängen zusammen und wirken wie ein großes Ganzes. Der Großteil der Forscher wird aber immer mehr zu Spezialisten ausgebildet, die Einzelheiten betrachten. Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.“

Was Professor Michael Succow mit diesem Kernsatz aussagt, ist gleichermaßen sowohl an die Forstwissenschaft, als auch an den Naturschutz gerichtet. Die allgemeine Tendenz zur Spezialisierung, die individuelle Fokussierung auf spezielle Arten, ohne deren wirkliche Bedeutung in einem Ökosystem auch nur annähernd bewerten zu können, die Begrenzung der Wahrnehmung auf Biotope und Arten, die Separierung in Schutz und Nutzung, die Neigung, Rote Listen als beliebigen Selbstzweck zu betrachten und nicht als ein wichtiges Mittel zum Zweck – das alles kommt in seinem Satz zumindest ansatzweise zum Ausdruck.

Succow plädiert für die Betrachtung der Komplexität des Lebendigen als Ganzem, was in keiner Weise in Widerspruch zum Naturschutz im Detail stehen muss, aber eine klare Bedeutungshierarchie ausdrückt.

Reduktionistischer Naturschutz in der Erschöpfung von Detailbetrachtungen kann sich jedoch durchaus als kontrapunktiv erweisen, wenn das, was allem zu Grunde liegt, nämlich das System als solchem, verdeckt wird von einer über gewichteten anthropozentrischen Sicht, die den Blick auf unabänderbare Naturgesetzlichkeiten dynamischer Systeme verstellt.

Während der mit der Naturwissenschaft verbundene Naturschutz langsam Fortschritte im Sinne Succows macht und die zuweilen aggressive Abwehr traditioneller Artenschützer sich in einem wachsenden Verständnis für eine sich entwickelnde neue Betrachtung langsam auflöst, hat es die sog. Forstwissenschaft ungleich schwerer.

Ihre Befangenheit in den traditionellen Fesseln des forstfachlichen Paradigmas und Standesdenkens starker Gruppen reicht weit in das forstwissenschaftliche Milieu. Die aktuelle Veröffentlichung von SCHULZ & AMMER zur Biodiversität von Wirtschaftswäldern legt einmal mehr Zeugnis von dieser Problematik ab.

Der Prozess einer allmählichen Loslösung von dieser dominanten Innensicht verläuft langsam – zu langsam. Wenn wir die positiv wirkenden Teile berufständischen Denkens, vor allem in Bezug auf das Verständnis langzeitlicher Folgewirkungen, erhalten wollen, darf sich der forstliche Berufstand nicht weiter selbst gefährden durch ein selbst gemaltes Bild seiner selbst, das langfristig keinen gesellschaftlichen Bestand haben wird. Wer sich nicht wandelt, stirbt aus und darf die Ursachen nicht bei anderen suchen.

Gefragt ist die Fähigkeit zur Außensicht. Michael Succow hat diesen Blick. Das zeichnet ihn aus. Das macht die Faszination dieses Mannes aus.

Karl-Friedrich Weber

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland