Diskussion Prof. Schulze – Manfred Großmann / László Maráz

Im August 2016 haben Prof. Ernst-Detlef Schulze, Oliver Frör und Dominik Hessenmöller im Magazin „AFZ-Der Wald“ Heft 15/2016 den Artikel „Externe ökologische Folgen von Flächenstilllegungen im Wald“ veröffentlicht. Darin wird die von Forst- und Holz-Interessengruppen schon seit Jahren sehr häufig als Argument gegen die Ausweisung von Wäldern ohne forstliche Nutzung angeführte Auffassung vertreten, die Flächenstilllegungen würden unweigerlich eine verstärkte Zerstörung von Urwäldern im Ausland verursachen.  So heißt es z.B.:

„5 % der Waldfläche Deutschlands sollen künftig aus der Bewirtschaftung genommen werden. Die Folge sind steigende Holzimporte mit oftmals erheblichen ökologischen Auswirkungen für die Exportländer. Deshalb sollten die Konsequenzen der hiesigen Umwelt- und Naturschutzpolitik für solche Länder stärker in die Diskussion um Flächenstilllegungen einbezogen werden.“„Der gut gemeinte  Umweltschutz in Deutschland mit einem Leitbild zur Wiederherstellung von „Wildnis“ vernichtet somit existierende Wildnis-Wälder in anderen Ländern, um die sinkende Holzproduktion bei gleichbleibendem oder steigendem Holzkonsum in Deutschland auszugleichen.“ … „Wir denken, dass einem umweltbewussten Land wie Deutschland die negativen Auswirkungen, die infolge der hiesigen Bestrebungen nach Umwelt- und Naturschutz stattdessen in anderen Ländern entstehen, nicht gleichgültig sein können. Das bedeutet aber im Kern, dass Deutschland seine gesamte verfügbare Waldfläche gleichzeitig wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig nutzen muss, um sowohl dauerhafte Mengenziele der Holzproduktion als auch den Artenschutz zu erreichen. Der Luxus einer landesinternen Flächenstilllegung, die nach derzeitiger Kenntnis nicht über den Erhalt der Artenvielfalt begründet werden kann, ist in einer globalisierten Welt nicht akzeptabel.“

https://www.researchgate.net/publication/305913305_Externe_okologische_Folgen_von_Flachenstilllegungen_im_Wald

Etwas Hintergrund zu dieser Argumentation, der Thematik  und zu Prof. Schulze findet sich im Anschluss an den Leserbrief von Manfred Großmann und die Replik von László Maráz.


Herr Manfred Großmann, Leiter des Nationalparks Hainich in Thüringen, wollte den Aufsatz von Schulze/Frör/Hessenmöller nicht unwidersprochen stehen lassen. Sein Leserbrief erschien in AFZ-Der Wald Heft 21/2016. Da er nicht online zu finden war, habe ich ihn nun mit Einverständnis des Autors hier eingestellt:

Entgegnung von Manfred Großmann auf Schulze/Frör/Hessenmöller:

Zu „Externe ökologische Folgen von Flächenstilllegungen“

In AFZ-Der Wald Nr. 15/2016 stellen E. D. Schulze, O. Frör und D. Hessenmöller Berechnungen an, wie sich anderswo Nachteile für den Wald ergeben, weil insbesondere Waldflächen stillgelegt werden, um sie im Rahmen der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt ihrer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Ja, es stimmt: Eine Entscheidung, die in Deutschland getroffen wird, kann negative Auswirkungen auf die Natur anderer Länder haben. Doch das trifft nur leider auf so ziemlich alle unsere Lebensbereiche zu. Als Stichworte, wenngleich nur für einige Beispiele, seien genannt:

Mobilität und Verkehr – Erdölgewinnung / Fleischkonsum – Sojaimporte und Urwaldrodungen / Nahrung, Energie und Kosmetik – Palmölplantagen anstelle Naturwälder / Computer- und Handyproduktion – Gewinnung seltener Erden / Kleidung – Baumwollanbau in Trockengebieten / …

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, unser Lebensstil ist für die Erde auf Dauer unerträglich.

Nun also eine Naturschutzmaßnahme in Deutschland, die Flächenstilllegung im Wald als ein Baustein der Biodiversitätsstrategie des Bundes, mit globalen nachteiligen Folgen? Weniger Holzernte bei uns – mehr Naturzerstörung woanders? Klingt zunächst einleuchtend – ist es aber nicht! Es ist die Einstellung, die dahinter steckt, die unsere Ressourcen überfordert.

Bevor ich zur Kritik an der Grundaussage des Artikels komme, Flächenstilllegung sei Luxus, ein paar Anmerkungen zu den Inhalten:

– Ein Zuwachs von 11 Vfm/ Jahr für die Wald-Stilllegungsflächen (sog. 5-%-Ziel) ist viel zu hoch, da es sich dabei in vielen Fällen um Flächen im Grenzbereich des Waldwachstums handelt. Tatsächlich dürften es weit weniger als 4 Mio. Efm/a sein und damit in etwa die Menge, die jedes Jahr aus Deutschland als Rohholz in die ganze Welt exportiert wird.

– FSC-Referenzflächen: Unterstellt wird hier eine flächendeckende Einführung von FSC in Deutschland. Tatsächlich sind es derzeit rund 10 %. Die Situation, dass hier 3 % zusätzliche Flächen ohne Berücksichtigung der Flächen aus dem 5-%-Ziel ausgewiesen werden müssten wie in Hessen, wird einfach auf Deutschland hochgerechnet (und das auf der Basis eines wenig belastbaren Verweises auf eine mündliche Mitteilung von Hessen-Forst).

– FSC-Habitatbäume: Dieselbe Quelle führt zu der extremen Zahl von 23 % Flächenentzug im Laubwald durch zehn sogenannte Habitatbäume, z. B. dicke Buchen größer 100 cm Bhd – ein Wert, der allenfalls in mehrhundertjährigen Urwäldern erreicht wird. Mit den aus Hessen stammenden Zahlen wird ein völlig unrealistisches Szenario mit einer flächendeckenden Einführung von FSC entwickelt, das mit der realen Situation nichts, aber auch gar nichts zu tun hat und selbst im Staatswald nicht flächendeckend eingeführt werden wird, vom Privatwald ganz zu schweigen. Nebenbei wird noch der seit vielen Jahrzehnten von den Förstern propagierte Dauerwald über Bord geworfen, da der Ertrag geringer sei – jetzt also wieder zurück zum Altersklassenwald!? Ist das dann wieder der Wald, der gleichzeitig wirtschaftliche und ökologische Anforderungen erfüllt? Berechtigte Zweifel sind angebracht.

Was mich an diesem Beitrag besonders ärgert, sind folgende Punkte:

– Ein unbedarfter Leser könnte den Eindruck gewinnen, dass erst durch die bis 2020 angestrebte Flächenstilllegung auf 5 % der Waldfläche Holz mit negativen ökologischen Folgen importiert werden muss. Wir führen aber schon seit vielen Jahren gewaltige Mengen an Holz und Holzprodukten ein. Und dieses Holz wird leider nicht ausnahmslos in gut überwachten, naturnah und nachhaltig wirtschaftenden Betrieben ohne Vernichtung von Wildnis gewonnen. Das ist die Realität, die dieser Artikel völlig verschweigt. Unser enormer verschwenderischer Holzverbrauch wird gar nicht infrage gestellt, sondern die Nachfrage muss befriedigt werden. Alles muss sich der Rohholzmobilisierung unterordnen, damit wir weiterhin jede Woche kiloweise Werbematerial in unseren Briefkästen finden. Also: Alte Naturwaldreservate: weg damit; Nationalparke: Nutzung wieder aufnehmen; Erholungswälder: Die Bürger sind ja auch mit Nadelholzplantagen zufrieden; strukturreicher Dauerwald: Rückumwandlung in Altersklassenwälder.

– Wann ist genug genug? Müssen 100 % unserer Wälder genutzt werden? Reichen nicht auch 95 %? Spielen diese 5 % nicht eine wichtige Rolle für Biodiversität, Forschung, Erholung und Bildung (alles Aspekte, die dieser Beitrag ignoriert bzw. bei der Artenvielfalt infrage stellt)? Nutzungsfreie Wälder sind daher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Sollen wir allen Ernstes, wie es der letzte Absatz des Artikels nahelegt („gesamte verfügbare Waldfläche“), unsere naturnahen Wälder zweifelhaften Produkten und einem unmäßigen Verbrauch hierzulande oder für Klopapier in Amerika  oder Essstäbchen in Asien opfern? Holz ist ein zu kostbarer Rohstoff, gewonnen aus einem faszinierenden, vielfältigen Lebensraum. Er muss teurer werden, damit sich der Verbrauch für unsinnige Produkte nicht mehr rechnet und die ökologisch negativen Folgen nicht der Gesellschaft aufgebürdet werden müssen. Holzexporte sollten auf den Prüfstand, Holzimporte bedürfen strenger Kriterien und einer lückenlosen Kontrolle. Selbst wenn wir unsere Wälder zu 100 % nutzen würden, was passiert eigentlich dann, wenn der Bedarf weiter ansteigt? Natürliche Systeme unterliegen natürlichen Grenzen, der Ertrag kann nicht beliebig gesteigert werden. Es ist gesellschaftlicher Konsens in Deutschland, dass ein geringer Prozentsatz von Wäldern nicht genutzt werden sollte. Auch die meisten Förster bejahen inzwischen, dass es nutzungsfreie Referenzflächen geben muss. Dass Holzindustrie, Verbandsvertreter und einige Ewiggestrige dagegen sind, war nicht anders zu erwarten. Hätte man die Autoindustrie selbst entscheiden lassen, gäbe es noch heute keinen Katalysator.

Ja, uns sollten die negativen Auswirkungen unseres Handelns auf andere Länder nicht gleichgültig sein, da gebe ich den Autoren Recht. Fangen wir an und hinterfragen unseren Lebensstil mit unserem maßlosen Rohstoff- und Energieverbrauch. Mit mehr als zweifelhaften Berechnungen aber die Folgen der hiesigen Flächenstilllegung im Wald auf Wildnisgebiete weltweit zu dramatisieren und alles bisher im Waldnaturschutz und naturnahen Waldbau Erreichte infrage zu stellen, macht mich mehr als betroffen und ist für mich nicht akzeptabel.

Manfred Großmann, Leiter des Nationalparks Hainich


Hier eine Replik von László Maráz, dem Koordinator der AG Wälder im Forum Umwelt und Entwicklung sowie Koordinator der Dialogplattform Wald, auf die Argumentation von Prof. Schulze / Frör / Hessenmöller:

Entgegnung von László Maráz auf Schulze/Frör/Hessenmöller:

Externe ökologische Folgen eines überhöhten Holzverbrauches

Herr E. Detlef Schulze behauptet in seinem Beitrag (AFZ-DerWald 15/2016) über „externe ökologische Folgen von Flächenstilllegungen im Wald“, dass die ökologischen Folgen von Holzimporten als Konsequenz der Einrichtung von Waldschutzgebieten unterschätzt würden.

Schon mit dem Foto eines Kahlschlages in Rumänien wird suggeriert, dass die Raubbaupraxis eine direkte Folge eines durch Schutzgebietsausweisung verursachten Holzmangels in Mitteleuropa sei. Herr Schulze unterstellt damit aber auch dem deutschen Holzhandel und Holz verarbeitenden Betrieben, dass sie sich in nennenswertem Umfang mit Hölzern aus teilweise sogar illegalem Raubbau importieren und handeln würden. Von solchen Praktiken hat sich aber jüngst auch der Deutsche Holzwirtschaftsrat in seiner Roadmap Holzwirtschaft 2025 deutlich distanziert. Doch im Beitrag wird die Verantwortung für den Raubbau in anderen Ländern alleine denjenigen untergeschoben, die sich für die Ausweisung bestehender und weiterer Schutzgebiete im Wald einsetzen bzw. dafür verantwortlich sind. Letztlich erfolgt also eine absurde Schuldzuweisung an die gesamte Regierung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, sowie an verschiedene Bundesländer, die mit der Einrichtung etwa der Nationalparks Hainich, Nördlicher Schwarzwald, Eifel und Kellerwald betraut sind, und natürlich auch an die zuständigen Fachbehörden wie das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz, sowie an viele anderen Organisationen (v.a. Umweltverbände) und Personen (darunter nicht zuletzt viele engagierte Forstleute).

Derartige Vorwürfe sind nichts Neues. All solchen Argumentationen gemein, dass sie sich erst dann und nur darum vorgeblich für den Schutz von Wäldern in anderen Regionen einsetzen, seitdem das 5%-Ziel natürliche Waldentwicklung (in fälschlicher und abfälliger Weise als „Flächenstilllegung“ tituliert) im Rahmen der Nationalen Strategie zur Biodiversität 2007 einstimmig vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Als wir nach Gründung des Vereins „Pro REGENWALD“ im Jahre 1989 mit anderen Initiativen (z.B. Robin Wood, Rettet den Regenwald, Greenpeace, BUND) auf den Raubbau am Regenwald hinwiesen und uns für Importverbote für Tropenhölzer aus Raubbau engagierten, war von all jenen, die sich heute über deutsche Waldschutzgebiete ärgern, keine Unterstützung zu vernehmen. Infolge der Aktionen hatten zunächst viele Städte und Betriebe einen sogenannten „Tropenholzverzicht“ beschlossen, der letztlich auch zur Entstehung von Zertifizierungssystemen beigetragen hatte. Denn man wollte ja diese Hölzer nicht boykottieren weil sie aus den Tropen stammten, sondern wegen des damit verbundenen Raubbaues, der auch in Borealen Wäldern und inzwischen auch in Europa um sich greift. Inzwischen wird sogar mit dem FLEGT Mechanismus auch auf Bundesebene versucht, dem illegalen Treiben und hoffentlich auch dem Raubbau insgesamt Einhalt zu gebieten. Aus Ländern wie Brasilien oder Costa Rica ist diese Art der „Argumentation“ übrigens unbekannt. Man hat dort teilweise riesige Schutzgebiete geschaffen, anstatt zu behaupten, dass die Importländer für Tropenholz dann leider ihre eigenen Wäldern plündern müssten.

Die Erwähnung von Kennzahlen zu Ausdehnung und Wachstum von Wäldern verschiedener Regionen bringt in der Sache wenig Neues. Ebenso wenig hilfreich ist die Angabe, durch Umweltforderungen im Waldbereich ergäben sich jährliche Ernteverluste an Holz in Höhe von gut 25 Millionen Festmetern. Denn wenn es alleine um solche Zahlen ginge, müsste auch die Verwendung von Energieholz im privaten Bereich mit über 33 Millionen Festmetern pro Jahr als wichtige Ursache von Waldzerstörungen in Rumänien (von wo ja tatsächlich auch Brennholz importiert wird) und andernorts gelten. Vom Frischholzbedarf für die Jahreserzeugung von über 20 Millionen Tonnen Zellstoff und Papier ganz zu schweigen. Auch die neueste Initiative des Bioökonomierates, der tatsächlich eine Verbrauchssteigerung empfiehlt, wäre ebenso als waldschädlich zu geißeln wie die Charta für Holz, deren Beteiligte sich ja über den erfolgten Mehrverbrauch freuen.

Jeder Einsatz und Verbrauch von – auch nachwachsenden – Rohstoffen verursacht einen ökologischen Fußabdruck. Ein zu hoher Holzverbrauch führt in der Tat zu Übernutzung und in vielen Fällen auch zu Raubbau und Waldzerstörung. Letzteres geschieht aber vor allem aus Profitgier und dient nicht dem Ziel, irgendwo auf der Welt einen Holzmangel zu beseitigen (sonst würde das meiste Holz aus solchen Quellen in waldarme Länder verschickt). Die Verschwendung nachwachsender Rohstoffe in ineffizienten Öfen und für Wegwerfprodukte aus Papier, Kartonagen oder Holz wäre das allererste Problem, das wir dringend lösen müssen, damit das Holz zum einen in langlebigen Holzprodukten verwendet werden kann, deren Beitrag zum Klimaschutz vor allem darin besteht, dass sie nicht alle paar Jahre neu hergestellt werden müssen. Zum anderen würde es uns die Schonung und auch die Unterschutzstellung von Wäldern leichter machen, die ja das nicht ganz unwichtige Ziel verfolgt, die Biologische Vielfalt zu erhalten, und zwar nicht nur in Deutschland! Wir müssen unseren Holzbedarf an die ökologische Leistungsfähigkeit der Wälder anpassen, nicht umgekehrt! Alles andere sollte im Rahmen einer Marktwirtschaft zu regeln sein: knappe Güter erzielen höhere Preise – die deutsche Forstwirtschaft und alle Waldeigentümer hätten es durchaus verdient.


 Hintergrund zur Diskussion Schulze – Großmann und Maráz

Mehr geschützte Wälder hierzulande verursachen Urwaldzerstörung andernorts – Eine Erwiderung der Naturschutzverbände auf diesen keineswegs neuen Vorwurf seitens der Forst- und Holz-Interessengruppen findet sich hier:

http://www.docs.forumue.de/OffenerBrief_110406_final.pdf

http://waldproblematik.de/forst-und-holzmaerchen/

Von den Forst- und Holz-Interessengruppen wird stets auch behauptet, wie auch in diesem Artikel erneut der Fall ist, dass Wälder ohne forstliche Nutzung keineswegs eine höhere Artenvielfalt aufweisen: „Vonseiten des Naturschutzes wird postuliert, dass nur durch Flächenstilllegung ausreichend Alt- und Totholz vorhanden seien, um die Diversität der auf Totholz angewiesenen Organismen zu erhalten. Vonseiten der Forstwirtschaft wird entgegnet, dass seltene Arten im Wirtschaftswald mit gleicher und sogar größerer Häufigkeit auftreten würden als im geschützten Wald, da 1) die Bewirtschaftung vielfältigere Waldstrukturen schafft, 2) die Vielfalt der Baumarten im Wirtschaftswald größer ist als im Naturschutzwald und 3) die Artenvielfalt des Holzes und nicht die Menge des Holzes der bestimmende Faktor für die Artenvielfalt der Xylobionten ist .“ … „Der Luxus einer landesinternen Flächenstilllegung, die nach derzeitiger Kenntnis nicht über den Erhalt der Artenvielfalt begründet werden kann,“ …

Antworten zu dieser Argumentation u.a. hier:

http://www.wald-rlp.de/fileadmin/website/fawfseiten/fawf/downloads/Veroeffentlichungen/Balcar.pdf

http://waldproblematik.de/forst-und-holzmaerchen/

Der letzte Satz „Der Luxus einer landesinternen Flächenstilllegung, die nach derzeitiger Kenntnis nicht über den Erhalt der Artenvielfalt begründet werden kann, ist in einer globalisierten Welt nicht akzeptabel“ in dem Artikel von Schulze/Frör/Hessenmöller weist darauf hin, warum der Artikel erschienen ist:  Er soll die Forst- und Holz-Interessengruppen, zu denen definitiv auch die Landesforstgesellschaften der Bundesländer gehören, helfen, die Waldnaturschutz-Bemühungen der Thüringer Landesregierung abzuwehren. Die Thüringer Landesregierung möchte nämlich noch in dieser Legislaturperiode wie von der Nationalen Biodiversitätsstrategie gefordert 10 % der Landeswälder aus der forstlichen Nutzung nehmen. Die Forst- und Holz-Interessengruppen wehren sich dagegen mit allen Kräften, nicht zuletzt seit Ende November 2016 mit der Petition „Keine weitere Einschränkung der nachhaltigen Forstwirtschaft in Thüringen“:

https://petitionen-landtag.thueringen.de/petitions/1122

Der Co-Autor Herr Hessenmöller des Aufsatzes von Schulze/Frör/Hessenmöller ist Mitarbeiter der Landesforstgesellschaft ThüringenForst.

Auch das Bundesforstministerium ist der Ansicht, die Wälder in Deutschland, unser „Waldkulturerbe“, sollten unbedingt bewirtschaftet werden. [ Anm.: Der Begriff „Waldkulturerbe“ ist dabei ganz bewusst als Gegensatz zum UNESCO-Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder Deutschlands“ gewählt und soll unterstreichen, dass es in Deutschland keine alten Naturwälder gibt, sondern nur vom Menschen geschaffene Kulturwälder, die ihre Existenz der forstlichen Bewirtschaftung verdanken. ] So sagte Bundesforstminister Christian Schmidt in seiner Rede zur Eröffnung des 1. Deutschen Waldtags im Oktober 2016: „Stilllegung bedeutet nicht Schutz der Natur, sondern Stillstand.“ (s. folgende Folien von Norbert Panek, S.33)

http://www.pro-nationalpark-steigerwald.de/fileadmin/steigerwald/download/Wald/DeutschlandsBuchenw%C3%A4lder_Zustand_Panek_2016.pdf

Prof. Schulze, der sich als „Väterchen Forst“ sieht, ist bekannt als Botanik-Professor im Ruhestand, der, seit er selber Waldbesitzer geworden ist, vehement die Postitionen der Forst- und Holz-Interessengruppen vertritt. So sagte er beispielsweise 2013 in einem Interview: „Wenn wir nur noch alte Buchenwälder schützen, werden wir mit einem Bruchteil dessen enden, was in einen Wald an Flora und Fauna hineingehört. … Es ist absurd, dass der Naturschutz schwerpunktmäßig alte Buchenwälder schützen möchte. Aber das wird getan. Ich sehe kommen, dass wir in fünfzig Jahren nur noch Buchen im Wald haben.“

http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41327/

Die alten Buchenwälder des Nationalpark- und UNESCO-Weltnaturerbe-Kandidaten Steigerwald wiederum sind in seinen Augen lediglich eine Monokultur wie ein Weizenacker oder ein Maisacker: „Die Anpassungsfähigkeit des Waldes ist gegeben durch den Artenreichtum der Bäume. Und das sehe ich in diesem Wald hier nicht. Das ist eine ziemliche Monokultur wie ein Weizenacker oder ein Maisacker. Wenn ich hier herumgucke, sehe ich nur Buchen und keinen Ahorn, keine Esche und keine Elsbeere und keine Linde. Also insofern ist die Multifunktionalität des Waldes nicht erfüllt. „

http://franzjosefadrian.com/ernst-detlef-schulze-ebracher-wald-ist-wie-ein-weizen-oder-maisacker/

Entsprechend gerne und oft werden die Aussagen von Prof. Schulze von den Forst- und Holz-Interessengruppen zitiert, bzw. verwendet. Das klingt dann beispielsweise so: „Wissenschaft: Schutzgebiete gefährden die Artenvielfalt – Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben herausgefunden, dass durch “Schutzgebiete” Monokulturen entstehen, mit einer reduzierten Artenvielfalt und einer unausgewogenen Tierwelt“

http://www.unser-steigerwald.de/blog/page/2/

Dies nur kurz als Hintergrund, vgl. auch die übrigen auf dieser Website eingestellten Diskussionen mit Prof. Schulze.

http://waldproblematik.de/schulzeammer-contra-muellerweisser-wilhelm/

Warum gerade alte Buchenwälder so umkämpft sind, und was den naturschutzfachlichen Wert alter Buchenwälder ausmacht, mehr dazu hier:

http://waldproblematik.de/buchenwaelder/

Unbedingt lesenswert in diesem Zusammenhang die Vortragsfolien von Norbert Panek über den Zustand der deutschen Buchenwälder:

http://www.pro-nationalpark-steigerwald.de/fileadmin/steigerwald/download/Wald/DeutschlandsBuchenw%C3%A4lder_Zustand_Panek_2016.pdf

Hier mehr über die Nationale Biodiversitätsstrategie. Sie ist der Grund, warum in Deutschland die Ausweisung von mehr naturschutzfachlich wertvollen Wäldern ohne forstliche Nutzung beschlossen wurde:

http://waldproblematik.de/nationale-biodiversitaetsstrategie/

Und so schreibt László Maráz bereits 2010 in einem Beitrag auf dem „Dialogforum öffentlicher Wald und Nationale Biodiversitätsstrategie“, erschienen  im: Tagungsband Vilm 2010 „Dialogforum öffentlicher Wald und Nationale Biodiversitätsstrategie“ , PDF S. 59 ff:
http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/images/service/skripten/Skript_293_Text.pdf

Die Waldpolitik in Deutschland wird weitgehend von den Akteuren der Forst- und Holzwirtschaft dominiert, die wiederum eng mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) kooperieren. Gemeinsam mit den Landesforstverwaltungen, die den Staatswald – und damit den Wald der Bürger – betreuen sollen, engagieren sich diese Akteure gegen Ziele der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt. Mit Sorge zu betrachten sind in diesem Zusammenhang vor allem Aussagen, mit denen auch Vertreter des BMELV wiederholt Ziele der NBS infrage stellen und problematisieren.
So kritisierten Vertreter des BMELV unter anderem auf den beiden vorbereitenden Symposien für die Erarbeitung der ‘Waldstrategie 2020‘ das Ziel, bis zum Jahre 2020 fünf Prozent der Waldfläche einer natürlich en Entwicklung zu überlassen („Stilllegung“). Beklagt werden die „Verluste an Produktionsflächen“ in Forst- und Landwirtschaft. Für Totalreservate, Biotopbäume, Totholz und ähnliche „Luxusvorstellungen“ gebe es derzeit keinen Platz, so der Tenor.

Man vergleiche den letzten Satz von Prof. Schulze & Co-Autoren: „Der Luxus einer landesinternen Flächenstilllegung, die nach derzeitiger Kenntnis nicht über den Erhalt der Artenvielfalt begründet werden kann, ist in einer globalisierten Welt nicht akzeptabel.“

Wer meint, dass (ohnehin nicht viele) Wälder ohne forstliche Nutzung notwendig sind, könnte bei dieser Petition mitmachen und der thüringer Umweltministerin so den Rücken stärken, vielen Dank! Vielleicht wird dann endlich auch der Possen aus der forstlichen Nutzung genommen, ein Buchenwald mit 2500 HA zwischen der Hohen Schrecke und dem Nationalpark Hainich von Manfred Großmann.

https://petitionen-landtag.thueringen.de/petitions/1170


Kommentar von K-F Weber zu Prof. Schulze und seiner Argumentation (aus: FB-Seite „Waldwahrheit“ vom 26.05.2017):

Solange Prof. Dr. Ernst-Detlef Schulze in seiner Alterphase mit krusen Theorien den öffentlichen Diskurs zu prägen scheint, hat die deutsche Forstwissenschaft ein Problem.

Biodiversität ist nun einmal ein Forschungsfeld, das sich mit der Auflistung von Pflanzenarten in Wirtschaftswäldern nicht zureichend erschließt.

Der Verlust der Artenvielfalt ist offenbar auch in fehlendem oder unsicherem Wissen über die komplexen Verbindungen zwischen Natur und Gesellschaft begründet. Das wäre doch ein dankbares Erkenntnisfeld für Ernst-Detlef Schulze im Anklang an seine früheren wissenschaftlichen Verdienste.

Karl-Friedrich Weber

 

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland