Eichenverjüngung Forstgenossenschaft Rotenkamp

 

17. 08. 2012 :

Forstgenossenschaft Rotenkamp – Wie ist das mit der Eiche?
(Fotos 1 bis 4) Foto: 1
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die Forstgenossenschaft Rotenkamp ist mit knapp 13 Hektar nicht sehr groß. Etwa die Hälfte ist Eichen-Buchenwald. Sie wird forstlich vom Forstamt Wolfenbüttel beraten. Das geschieht gewöhnlich auf der Grundlage eines Betriebsplanes, der alle 10 Jahre fortgeschrieben wird.

Ich kenne die kleine Forstgenossenschaft recht gut, weil ich Eigentümer eines ideellen Anteiles bin, habe sie jedoch dienstlich nie betreut.

Sehen wir uns einfach einmal eine Teilfläche an, die Forstabteilung 3a1. Sie ist 0,8 Hektar groß. Im Betriebsplan 1994 steht, dass die alten Eichen damals 183 Jahre alt gewesen sind. Im Betriebsplan 2003 sind sie 140 Jahre alt, also 43 Jahre jünger. Na gut.

In beiden Betriebsplänen sind keine Endnutzungen vorgesehen.

Im Herbst 2006 hat der damalige Forstamtsleiter persönlich dem Genosssenschaftsvorstand erklärt, sie sollten einen Kahlschlag von 0,3 Hektar Größe anlegen. Die alten Eichen seien nur „Schrott“. Die Fläche müsse so groß sein, damit es Fördermittel für eine Kultur gebe.

Als mir die Vorstandsmitglieder davon berichteten, habe ich mir die Fläche angesehen. Sie war übersät mit jungen Baumkeimlingen (Naturverjüngung): Stieleichen, Eschen, Hainbuchen, Bergahorn, Bergulme, Vogelkirsche, Rotbuche – dazu Eberesche. Das hatte der Forstamtsleiter wohl nicht gesehen, weil das Laub wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit abgefallen war. Vielleicht hat er auch einfach nicht so genau hingeschaut.

Im Frühjahr 2007 zeigte sich dann, dass vor allem junge Eichen gekeimt hatten. Es gehört zu dem festen nicht mehr hinterfragten Glaubenssätzen, dass Eichennaturverjüngung in Löchern von 0,1 bis 0,3 Hektar Größe nicht gelingen. Heute sind dafür Kahlschläge von 0,5 bis einem Hektar Größe erforderlich und üblich – sagen die Experten. Dafür gibt es den neuen Begriff „Kleinkahlschlag“. Hans-Jürgen Otto, der Schöpfer des LÖWE, sah das anders, ebenso seine damaligen Eichenleute. Aber heute ist heute und nicht damals vor 20 Jahren – im Rahmen einer langfristigen ökologischen Waldentwicklung.

Foto: Karl-Friedrich Weber 06. Mai 2007

Rotenkamp Eichenbabies 17-8-2012

Eine vitale Eichenverjüngung und fünf weitere wertvolle Wirtschaftsbaumarten in einem sog. Loch von 0,1 ha Größe in einem Eichenaltbestand der Forstgenossenschaft Rotenkamp

Forstgenossenschaft Rotenkamp – Wie ist das mit der Eiche?
(Fotos 1 bis 4) Foto: 2
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Wie ging es nun weiter? Wir haben natürlich keinen Kahlschlag angelegt, nur um Fördermittel zu bekommen. Um etwa 0,2 Hektar Fläche wurde ein provisorischer Wildschutzzaun in Eigenleistung gezogen – und sonst gar nichts gemacht außer den Fortgang aufmerksam zu beobachten.

Bereits ein Jahr später zeigte sich, wie vital sich die Laubbaumarten verhielten. Sie wuchsen einfach drauflos. Eschen und Bergahorn auf Grund ihrer Schnellwüchsigkeit allerdings stärker als die jungen Eichen, die zunächst etwas langsamer in Gang kommen. In diesem Stadium kann eine Eichennaturverjüngung schnell überwachsen werden und vergehen. Sie benötigen mehr Licht und mögen keine Baumkronen über sich. Da sind ihnen die anderen Laubbaumarten zumeist im Vorteil. Sie kann aber aber auch gelingen, und dann ist sehr viel gewonnen, z.B. das genetische Potenzial des Bestandes. Er ist wichtiger Teil der Biodiversität. Deshalb sind Pflanzungen immer nur zweite Wahl, wenn auch oftmals die einzige Lösung. Im Falle eines Misslingens der Naturverjüngung sind Löcher von 0,1 bis 0,3 Hektar viel risikoärmer als Kahlschläge, die zumeist keine zweite Chance gewähren. Es gibt ungezählte Beispiele dafür.

In Rotenkamp waren die anderen genannten Holzarten in jedem Fall gleichwertige Alternativen, das waldbauliche Risiko gleich Null.

Foto: Karl-Friedrich Weber 26.06.2008

Rotenkamp Eichenkleinkinder 17-8-2012

Forstgenossenschaft Rotenkamp, Forstabteilung 3a1

Forstgenossenschaft Rotenkamp – Wie ist das mit der Eiche?
(Fotos 1 bis 4) Foto: 3
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Zwei Jahre später: Die Eichennaturverjüngung in der Forstabteilung 3a1 der Forstgenossenschaft Rotenkamp (hellgrüne Pflanzen) steht sogar vorübergehend über der Verjüngung der anderen Baumarten. Es gibt jedoch Probleme mit Waldgeißblatt, eine Schlingpflanze, die an den jungen Pflanzen emporkriecht, aber auch stellenweise mit Brombeere.Je größer die Kahlfläche, desto unbeherrschbarer sind auch die verdrängenden „Problempflanzen“. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Lochgröße unterhalb der Kahlschlagdimension (die ab 0,3 Hektar mit einem Freilandklima auf der Fläche beginnt) risikoarm ist. Der Aufwand einer Befreiung junger Pflanzen mit einer Heppe betrug etwa 1,5 Stunden.

Foto: Karl-Friedrich Weber 23.05.2010

Rotenkamp Eichenverj c 17-8-2012

Forstgenosenschaft Rotenkamp Forstabteilung 3a1

Forstgenossenschaft Rotenkamp – Wie ist das mit der Eiche?
(Fotos 1 bis 4) Foto: 4
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Zwei weitere Jahre später: Die Eichennaturverjüngung in der Forstabteilung 3a1 in Rotenkamp hat eine Höhe von über zwei Metern erreicht. Die gesamte Fläche stellt sich als eine vollverjüngte Kleinfläche dar, in der künftige Waldbauer sechs standortheimische Baumarten mit lokalem Erbgut vorfinden und ihre Pflegeentscheidungen treffen können.

Bisher haben die erforderlichen Schutzmaßnahmen (Zaun, Pflege) ca. 700 EUR gekostet. Die alten Eichen können weiter abwachsen. Der Höhlenbaum, in dem seit drei Jahren ein Wendehals brütet, steht immer noch. Der empfohlene Kahlschlag von 0,3 ha hätte mehrere tausend EURO öffentlicher Mittel gekostet, bei hohen Kulturpflegekosten über mehrere Jahre und einem erhöhten Ausfallrisiko einer alternativen Eichenpflanzung.

Sechs Jahre vom Keimen der Eichen bis zu einem jugen und doch alten Wald; keines Waldes unter der Prämisse „alter Baum ab – neuer Baum hin“, sondern eines lebendigen Körpers voller wispernder und flüsternder Waldwesen, deren Bestimmung es trotzdem bleiben darf, künftigen Menschen Früchte zu tragen.

Rotenkamp Eichenjungwald d 17-8-2012
Foto: Karl-Friedrich Weber 03.08.2012

Es gibt weder „böse Anstalten“, noch „Wald in guten Händen“. Gut und böse sind ethisch, moralische Begriffe, während richtig und falsch stets einen Bezugpunkt benötigen, auf den die Wertung oder die Feststellung Bezug nimmt. Kann man einem Satz nicht entgegenhalten, dass er falsch sei, ist er wahr. Er kann sich aber schon morgen als falsch und damit als unwahr erweisen, wenn bessere Erkenntnisse eine Korrektur erfordern. In diesem Sinne ist der Werbeslogan der Landesforsten „Wald in guten Händen“ vollkommen daneben geraten und sollte durch einen Satz getauscht werden, der einen Sinn ergibt und eine nachvollziehbare Aussage beinhaltet. Sonst bleibt er ohne Wert. Der große alte Forstmann der Eichenwirtschaft, Walter Freist, hat mir gegenüber kürzlich die Aussage gemacht, dass bei der von ihm beobachteten Herangehensweise sich niemand wundern brauche, wenn Eichennaturverjüngung nicht gelinge. Ich sehe das genauso und werde das auf dieser Seite sorgfältig vertiefen. Trotzdem ist Pflanzung letztlich in Kunstwäldern – und das sind Eichen-Hainbuchenwälder nun einmal – in den meisten Fällen nicht zu umgehen; aber nicht in sogenannten kleinen Kahlschlägen von derzeit üblichen einem Hektar, sondern in Löchern bis 0,3 ha, wie sie immer noch geltende Handlungsrichtlinie der Landesforsten sind (Eichenmerkblatt Nr. 35 – 1997). Das neue Eichenmerkblatt speziell für FFH-Gebiete geht hinter den bisherigen ökologischen Standard weit zurück. Es ist ein Muster für Beugung von Erhaltungszielen durch Nutzungsinteresse und hat mit dem Erhalt des Lebensraumtyps eichenwald fast nicht zu tun. Ich habe Einblick in den Werdegang dieser Richtlinie und kann einen Konsens mit dem behördlichen Naturschutz nur insofern erkennen, als zum Zeitpunkt deren Erstellung Leiter des Naturschutzes im NLWKN (Landesfachbehörde) der Forstmann Keuffel war (davor Chef einer Forstabteilung) und das zu Zeiten des Umweltministers Hans-Heinrich Sander. Der Standard Vollumbruch oder Romé-Bearbeitung von Waldböden war zerstörerisch und nur als desaströs zu bewerten. Die heutige Technik schädigt auf andere Weise, steht dem im Ergebnis jedoch in nichts nach. Die vielen misslungenen Eichenkulturen der letzten Jahre, die ich sorgfältig untersucht und dokumentiert habe, können nicht ungeschehen gemacht werden. Zu sagen, das kann mal passieren, geht da nicht mehr.

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland