15. 06. 2018:
Ackeraufforstung Eichenmischwald –
Ein Erfahrungsbericht von Karl-Friedrich Weber
In den 1990er Jahren wurden nach der Wiedervereinigung Verkehrsprojekte Deutsche Einheit als Bundesgesetz beschlossen. Das Projekt Nr. 11 betraf den sechsstreifigen Ausbau der BAB Hannover-Berlin (A2). Im Bauabschnitt Nr. 6 – Königslutter-Helmstedt wurden als Ausgleich für die erhöhte Trennwirkung Kompensationen etwa 35 Hektar Waldersatz als Ackeraufforstungen planfestgestellt.
Es wurde ein planungsbegleitender Lenkungsausschuss durch das Straßenneubauamt Braunschweig eingerichtet, in dem ich den BUND vertrat.
Die Forstämter Braunschweig und Lappwald waren ebenfalls beteiligt.
Es wurde eine Waldleitbild von mir entwickelt, dass in seiner ökologischen Wirkung den Eichen-Hainbuchenwäldern des Braunschweiger Raumes angenähert werden sollte. Ich hatte Planungsfreiheit und konnte mich von allgemeinen forstlichen Vorstellungen der Begründung von Eichenkulturen lösen.
Gegenüber den damals üblichen Eichen-Pflanzverbänden von 10 000 Stück/Hektar, wollte ich die Zahl auf 2 500 Stück senken. Dagegen erhob die Forstverwaltung massive Einwände. In einem Erörterungstermin bei der Bezirksregierung als Planfeststellungsbehörde wurde sich auf 5 000 Stck/ha geeinigt. Dafür konnte ich alle anderen Bedingungen gestalten, die von den Planungsbüros zur Ausführungsplanung entwickelt wurden.
Es sollte schon bei der Erstellung ein intensiver Mischverband entstehen, an dem außer Stieleiche und Hainbuche Bergahorn, Feldahorn, Vogelkirsche, Esche, Wildbirne, Wildapfel, Elsbeere und Speierling beteiligt waren. Die Außenränder der Flächen bestanden aus breiten Säumen mit standortheimischen Strauchpflanzen unter Vermeidung der bunten üblichen Landschaftsbau-Mischungen. Ein von mir entwickelter Pflanzplan, sah in 10 x 10-m-Quadranten eine genaue Zuordnung der Baumarten an jeweils der gleichen Stelle vor.
Die Pflanzung sollte von Hand erfolgen.
Die Forstverwaltung bestand auf Maschinenpflanzung. Ihr wurden Teilflächen zugewiesen, auf denen sie ihre Vorstellungen ohne Ausschreibungsverfahren durchführen konnte. So wurde es möglich, beide unterschiedlichen Prinzipien später zu vergleichen.
Die Pflanzgewerke wurden ausgeschrieben. Der BUND Helmstedt beteiligte sich mit seinem Geschäftsbetrieb am Bieterverfahren und erhielt als günstigster Bieter den Zuschlag. So wurde es möglich, örtliche Landwirte, aber auch Forststudenten, Schüler und Einwohner der umliegenden Dörfer in die Arbeiten einzubeziehen und angemessen zu entlohnen, was zur Akzeptanzerhöhung beitrug.
Die Skepsis an der Wirtschaftlichkeit des kompliziert erscheinenden Pflanzverbandes erwies sich als unberechtigt. Die Flächen wurden exakt in die geplanten 10 x 10-m-Quadranten – entsprechend 5 Reihen mit 2 m Abstand eingefluchtet und mit Markierungsstäben versehen.
Den Kernbereich bildete ein Eichentrupp von 25 Stieleichen, umgeben von den Mischbaumarten, die stets an der gleichen Stelle im Quadranten vorgesehen waren. Wildobst,
Elsbeere und Speierling bekamen einen doppelt großen Standraum. Die Pflanzer konnten sich somit aus dem Einschlag jeweils eine ihnen zugewiesene Baumart unabhängig voneinander holen und die vorgesehenen Stellen aufsuchen. Schon nach kurzer Anleitung stellte sich eine sichere Routine ein.
Das Verfahren erwies sich gegenüber der Maschinenpflanzung, die eine derart integrierte Mischungsform nicht leisten konnte und blockweise erfolgte, als zielgerechter und effizienter.
Foto: Karl-Friedrich Weber
Bild 1 – Pflanzer aus dem Dorf – Flächenanteile für Sukzession (2) und Säume (3) betrugen jeweils etwa ein Drittel der Ackeraufforstungsflächen
Ackeraufforstung Eichenmischwald –
Ein Erfahrungsbericht von Karl-Friedrich Weber – Fortsetzung und Schluss
23 Jahre später – wie haben sich die Flächen entwickelt?
Die Handpflanzungen wiesen kaum Ausfälle auf. Eine Nachpflanzung war selbst gemessen an den strikten Bestimmungen der Straßenbauverwaltung nicht erforderlich.
Zu den prognostizierten Mäuseschäden der Ackeraufforstungen kam es nicht. Unsere Einsaat von Weißklee nach der Pflanzung – ebenfalls ein angezweifeltes Verfahren gegenüber der angeblich sicheren Giftanwendung – führte dazu, dass es auch im Winter grüne Kleeblätter gab, die von den Feldmäusen bevorzugt wurden. Ein Rindenfraß wurde nahezu vollständig vermieden.
In der Folge erwiesen sich die Pflanzenzahlen von 5 000 Stück/ha als viel zu hoch für eine Kompensationspflanzung, die ohne Aspekte von Stammqualitäten erfolgen sollte und vielmehr auf frühe Strukturvielfalt zielte. 2000 Stück hätten vollkommen ausgereicht.
Entstanden sind unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten auf allen Teilflächen Eichenmischbestände, die sich auf natürliche Weise weiter im Kronenraum differenzieren.
Eine hohe Zahl Bestandesglieder mit bestgeformten Stämmen könnte später eine ursprünglich nicht beabsichtigte Änderung des Entwicklungszieles ermöglichen – statt eines Naturwaldes, das Ziel eines Laubwirtschaftswaldes.
Durch die breiten Säume und unbepflanzten Sukzessionsflächen, die etwa 30% ausmachen, ist das eigentliche Ziel einer Kompensation der Trennwirkung durch die verbreiterte BAB 2 bereits jetzt wirksam.
Foto: Karl-Friedrich Weber
In den Flächen befinden sich auch kurzschäftige Bäume, die wir früher als Protzen bezeichnet und im Rahmen der „Pflege“ entnommen haben. Sie setzen sich in ihrer Vitalität und Kronendimension ohne gezielte Förderung durch. Eine potenziell hohe Wertschöpfung durch gute Stammholzqualität in diesen Beständen ist nicht das Kompensationsziel, aber künftig durch Selbstdifferenzierung gegeben. Die Entscheidung darüber liegt in der Hand nachfolgender Entscheider. Eine Ackeraufforstung bleibt im ersten Waldzyklus ein Altersklassenwald mit allen grundlegenden Nachteilen. Durch die beschriebene Vorgehensweise bei der Begründung ist eine relative Optimierung in diesem begrenzenden Rahmen erfolgt.
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Die derzeitige Praxis der Eichenkulturen auf Kahlschlägen und bodenzerstörender Flächenvorbereitung mit Mulchern selbst in Schutzgebieten der Staatsforsten ist an Unwirtschaftlichkeit und ökologischer Schädlichkeit kaum zu toppen.
02. 03. 2018:
Die Eiche stirbt nicht aus …
Noch ein Bild zum Thema Eiche, wie es jeder in seinem Umfeld beobachten kann, wo sich neuer Wald von selbst einfindet. Die Sukzession läuft ab über die leichtfrüchtigen Pionierbaumarten wie Weide, Birke, Aspe – hin und wieder auch Kiefer. Sie werden vom Wind verfrachtet.
Dann folgen die schwerfrüchtigen Baumarten, die von Tieren wie Eichelhäher oder Eichhörnchen eingetragen werden. Neben Beerenfrüchten wie Eberesche ist die Eiche fast stets dabei. Sie hat meist einen guten Vorsprung vor der Buche, die sich erstaunlicherweise selbst dann einstellt, wenn Samenbäume Kilometer entfernt sind.
Foto: Karl-Friedrich Weber
Unsere Wälder sind sehr jung. Viele Laubwälder befinden sich dauerhaft in einer Phase, die Optimalphase genannt wird. Sie ist relativ dunkel und strukturarm, wird in natürlichen Waldzyklen jedoch kleinflächig von Zerfalls- und Verjüngungsphasen abgelöst, die sehr viel lichter gestellt sind. In diesen langen Zyklen gibt es selbst in Buchenwäldern Ereignisse, die in der Folge das Keimen und Aufwachsen von Eichen ermöglichen. In alten Kiefernwäldern werden Sie die Eiche regelmäßig als zweite Baumschicht antreffen, ohne dass sie gepflanzt wurde.
Auf diese Sachverhalte und Zusammenhänge zu kommen, fällt auch Förstern wie mir schwer, sonst sähen unsere Wälder ein wenig anders aus. Deshalb müssen wir von anderen lernen, die für uns bereits geforscht und nachgedacht haben. Das bedeutet lesen, lesen, lesen, zuhören und beobachten – dabei aber auch denken. Das ist eigentlich auch nicht so schwer.
Facebook-Nutzer E.Z.: Ich kann das nur bestätigen. Ich hatte das Glück einen kleinen Wald seit mehr als fünfzig Jahren beobachten zu können. In diesem Zeitraum gab es keine nennenswerte Eingriffe des Menschen. Ursprünglich eine reiner Kiefernwald, starben in den frühen 90igern 2/3 der Kiefern und machten Platz für Eiche, Eibe, einzelnen Buchen, Ilex, Hasel. Ein hübscher kleiner Urwald ist entstanden.
01. 03. 2018 :
In einem Moorwald der Stiftung Naturlandschaft haben die Winterstürme Störungen geschaffen. Moorbirken waren hauptsächlich betroffen, aber auch einzelne Stieleichen. Andere Eichen sind stehengeblieben und werden in Zukunft keimfähige Eicheln abwerfen, die durch die Lichtverhältnisse gute Chancen haben. Sie sind in dem Trümmerwurf gut geschützt vor dem Verbiss des Rehwildes.
Die Eiche findet im Laufe ihrer jahrhunderlangen Lebensdauer und häufigen Fruktifizierung selbst in den Zerfallphasen oder unvorhersehbaren Störungen von Buchenwäldern Bedingungen für den Nachwuchs. Sie stirbt deshalb auch in Buchennaturwäldern nicht aus, wie der Urwaldforscher Stefan Korpel belegen konnte.
Foto: Karl-Friedrich Weber
Störungen in Naturwäldern zum Beispiel durch Sturmereignisse sind keine Schädigungen. Die Unterbrechungen des gleichmäßigen Prozesses der Zunahme von Komplexität wird in unvorhersehbarer und ungerichteter Weise unterbrochen, wobei die Grundeigenschaften des Systems beibehalten werden (Resilienz).
07. 02. 2018:
Die dynamischen Eigenschaften komplexer Systeme wie die der Waldökosysteme werden vor allem in den Prozessen sichtbar, die zu ihrer Entstehung führen. Diese Prozesse sind emergent und selbstorganisiert. Jeder emergente Prozess erzeugt aus Elementen, die untereinander Wechselwirkungen haben, Systeme mit höherer Komplexität. Emergente Prozesse sind meist dissipativ und autokatalytisch und deshalb nichtlinear. Ihr Ablauf ist durch das deterministische Chaos bestimmt.
Der Wald auf den Bildern ist seit über 60 Jahren nicht genutzt worden. In ihm werden zunehmend Prozesse erkennbar, die mit den geläufigen forstwirtschaftlichen Mustern nicht übereinstimmen. Wälder dieser Entwicklungsgeschichte werden deshalb zu wertvollsten Objekten der modernen Komplexitätsforschung, die eine umfassende Erweiterung der oft reduktionistisch überkommenen Ökosystemforschung ermöglicht.
Sie werfen aber auch die Frage nach der Ausrichtung forstwirtschaftlicher Forschung auf, wie sie offenbar nach dem Ergebnis der aktuellen Koalitionsverhandlungen größere finanzielle Unterstützungen erfahren soll, als bisher. Der Schlüsselbegriff ist dabei „Klimaauswirkungen“, dem sich, soweit augenscheinlich, immer noch in einer veralteten wissenschaftlichen Form des Reduktionismus genähert wird. Heute wird diese Wissenschaft zunehmend als nicht zielführend erkannt. Das daran festgehalten wird, hat vielschichtige Gründe, die zu analysieren und diskutieren sind.
Die Stürme der vergangenen Monate mit ihren jeweils deutlich unterschiedlichen Wirkungen in diesem Beispielbestand machen ein faszinierendes Fenster auf und scheinen die Beobachtungen sensibler Waldpraktiker zu bestätigen. Die Dynamik in Buchen-Eichen-Wäldern ist vielfach eine andere, als heute immer noch in standardisierter Form an den Fakultäten gelehrt wird, wie uns Studenten berichten.
Forstwissenschaftler wie Stefan Korpel jedoch werden in den bahnbrechenden Hypothesen ihrer Urwaldforschung bestätigt.
Karl-Friedrich Weber
Fotos: Karl-Friedrich Weber
Kronenbruch und vereinzelter Baumwurf aus mehreren Sturmereignissen (im Laub vom Oktober/November) in einem 154jährigen Buchen-Eichen-Hainbuchen-Mischbestand. Das Alter wurde von der Forsteinrichtung fortgeschrieben und muss nicht stimmen. Wahrscheinlich ist der Bestand wesentlich älter. Die Buchen befindet sich in der Zerfallsphase, die Stieleiche erhält neuen Kronenraum und zeigt keine Alterungserscheinungen auf. Das entspricht der Dynamik, die KORPEL aus den Karpaten beschreibt.
Diese angeblich 154jährige Buche in dem zuvor beschriebenen Buchen-Eichen-Hainbuchen-Mischbestand ist aus Stockausschlag entstanden. Sie zeigt die ursprüngliche Mittelwaldnutzung an, die vor ca. 140 Jahren allmählich in Hochwaldbewirtschaftung überging. Der Stock, aus dem der Austrieb erfolgte, dürfte 60 bis 100 Jahre, vielleicht noch älter sein.
Damit wird klar, dass das organische Alter des Baumes 250 Jahre und älter sein kann. Das ist der Zeitraum, in dem die durch natürliche Störungen verstärkte Zerfallsphase beginnt, die in ungleichaltrigen Naturwäldern jedoch keine flächenhafte Signifikanz zeigt, sondern mosaikartig-kleinflächig oder einzelbaumweise in Erscheinung tritt.
Foto: Karl-Friedrich Weber
Die „pflegende“ Jagd auf die „wuchsüberlegene“ Buche in Eichen-Buchen-Mischbeständen wird immer noch von vielen Forstleuten mit großem Eifer betrieben. Die Dienstjahre zur Schaffung eigener Erfahrungen haben nur wenige erreicht. So wird tradiert, was andere mit ebenfalls unzureichender Erfahrung irgendwann zum nicht mehr hinterfragten fachlichen Grundwissen erklären.
In dem zuvor beschriebenen Buchen-Eichen-Mischbestand, der seit über 60 Jahren weder genutzt, noch „gepflegt“ wurde gibt es im Gegensatz zu den intensiv bewirtschafteten Eichen-Hainbuchenwäldern des braunschweiger Raumes nahezu keine Absterberaten der Stieleiche.
In einer Vielzahl von Fällen hat sich die Eiche im Kronenraum vital behaupten können. Auch im Falle geringen Kronenvolumens zeigen die jahrzehntelangen Beobachtungen in diesem Bestand, dass bei voller Belaubung, wenn überhaupt, nur ein unbedeutender Blattfraß durch die sog. Fraßgemeinschaft erfolgt ist.
Da in diesem alten Wäldern die Wurzelkonkurrenz gegenüber der Lichtkonkurrenz überwiegt, weisen diese schmalkronigen Eichen offenbar ein physiologisch günstiges Wurzel-Spross-Verhältnis auf.
Die beiden Orkane der letzten Monate haben ein Störungssystem vor allem durch Kronenbruch der Buche geschaffen, das der nahezu ungeschädigt gebliebenen Eiche nach über 150jähriger Lebenszeit die Kronenfreiheit verschafft, die ihrem natürlichen Zyklus entspricht.
Karl-Friedrich Weber
Fotos: Karl-Friedrich Weber
Auf den Fotos sind die schmalen Eichenkronen zu erkennen, die durch Kronenbruch der umgebenen Buchen freigestellt, aber selbst von Sturmeinwirkungen nicht betroffen sind.
Die Buchenwaldgesellschaften würden keinesfalls „dunkel“ sein, wie das künstliche Alterklassenwälder im jüngeren bis mittlerem Alter (sog. Optimalphase) sind, bevor sie dann wieder durch starke Nutzung lichter werden. Buchennaturwälder sind kleinflächig-mosaikartig strukturiert, wobei sich auf größeren Störungsflächen durch Wetterereignisse oder im Zerfallsstadium der Buche ab ca. 250 Jahren die Verjüngung von Lichtbaumarten wie der Eiche erfolgen kann. Das wären keine flächigen Eichenwälder, wie die naturfernen Eichen-Hainbuchenwälder, die überwiegend durch Pflanzung begründet sind. Der Forstwissenschaftler Stefan Korpel kommt zu dem Ergebnis, dass die Eiche in Buchen-Eichenmischwäldern nicht ausstirbt, weil stets einige Exemplare durch die unterschiedlichen Entwicklungszyklen beider Baumarten die notwendige Strahlungsmenge zur Keimung und während ihrer Jugendphase bekommen.