Forstwirtschaft-Problematik

Karl-Friedrich Weber thematisiert in seinen Facebook-Kommentaren oft die Problematik der Forstwirtschaft in ihren verschiedenen Facetten, insbesondere seit den Forstreformen.

Buchenaltholzrest-Elm 11-8-2017
Als Buchenaltholz über 140 Jahre kartierter Rest im Elm bei Braunschweig
Foto: Karl-Friedrich Weber

Hier eine Auswahl seiner Kommentare:


11. 03 .2019 :

Wo kein zielreifes Holz mehr zu holen ist, muss es in die Substanz gehen:

runter mit dem Nutzungsalter, runter mit den Zieldurchmessern, runter mit den Bestockungsgraden, runter mit den Bestandesvorräten …

Was scheinbar so harmlos aussieht, ist Vernichtung von Wertschöpfungspotenzialen.

Foto: Karl-Friedrich Weber
im Elm Winter 2018/2019

Eichenernte Elm Winter 2018-19
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02. 03. 2019:
Waldumbau wird oft vom raschen Zusammenbruch destabilisierter Nadelholzforsten bestimmt, weil der zeitlich angepasste Übergang zu naturnahen Wäldern erschwert ist. Wir machen aber gegenwärtig überall in Deutschland die Beobachtung, dass die älteren Phasen der Laubwälder vorzeitig und weit vor ihrer höchsten Wertschöpfung eingeschlagen werden. Dabei spielen Zieldurchmesser und Bestockungsgrade keine Rolle mehr. Das waldbauliche Zukunftsziel wirtschaftlich nachhaltig robuster naturnaher Wälder wird aufgegeben. Der Alterklassenwald wird damit für die nächste Waldgeneration festgeschrieben. Das ist betriebswirtschaftlich schädlich und extrem unökonomisch. Die heutige Geldrentabilität tritt in den Vordergrund und wird mit Nachhaltigkeits- und Klimabegründungen verschleiert. Die Waldminister spielen dieses Spiel nur zu gern mit. Auch sie unterliegen politischen Tagesinteressen. Morgen sind sie ohnehin nicht mehr im Amt.

24. 02. 2019:

Waldwirtschaft der Zukunft? Für die kommenden hundert Jahre wird die Forstwirtschaft immer noch überwiegend in unwirtschaftlichen Altersklassenwäldern stattfinden. Der Stadtwald Lübeck wie auch andere beispielhafte Wälder in Deutschland werden die große Ausnahme bleiben.

Ursache dafür sind nicht nur die Fehlentwicklungen der Vergangenheit, sondern deren Fortsetzung durch heutige vermeidbare ökonomische und ökologische Fehler. Obwohl das Wissen da ist, können wir feststellen: fast nichts dazu gelernt.

Naturnahe mehrschichtig strukturierte standortheimische Wirtschaftswälder mit einem Bestandesvorrat über 400 Vorratsfestmeter haben heute einen Anteil von unter fünf Prozent der Waldflächen in Deutschland.

 


 

07. 10. 2018 :

Die frühere Methode, gemeinsam mit den jeweiligen Straßenbauhöfen ein- oder zweimal jährlich eine Baumkontrolle an öffentlichen Verkehrswegen durchzuführen, wurde seit etwa zehn Jahren zunehmend dadurch ersetzt, dass die Bestände entlang der Trassen weit zurückgenommen wurden. Begründet wurden diese Vorgehensweise mit Verkehrssicherungspflicht und Wildunfall-Gefahr.
Revierleiter bestätigen jedoch immer wieder, dass es vornehmlich um maschinelle Holzernte gehe. Kritiker bezweifeln den Sinn und die Begründung dieser teilweise kahlschlagähnlichen Maßnahmen.
In diesem Bild zeigen sich die Folgewirkungen. Der aufgerissene Rand führt zur Temperaturerhöhung und erhöhter Anfälligkeit des geöffneten Bestandes durch Insektenbefall. Auf der freigeschlagenen Waldfläche entsteht ein dichter Aufwuchs, der dem Wild bis an den Fahrbahnrand Deckung verschafft.
Der langfristige spätere Unterhaltungsaufwand (Lichtraumprofil etc.) nimmt zu.

Diese Methode ist ein Beispiel dafür, wie auf Grund falscher Schlussfolgerungen Maßnahmen ergriffen werden, deren zweifelhafte Folgewirkungen fachlich voraussehbar sind, dennoch billigend in Kauf genommen werden.

Foto: Karl-Friedrich Weber
Straßenaufhieb und verstärkter Buchdruckerbefall des dahinter liegenden Fichtenbestandes, was wiederum zu Zwangsnutzungen führt, die am Ende in einem Kahlschlag mit negativen wirtschaftlichen und ökologischen Folgewirkungen münden.

Waldrand Straße 7-10-2018
Diese Arbeiten werden inzwischen oft an Unternehmer vergeben, die über geeignete Maschinengruppen verfügen und auch das Holz übernehmen. Die Verträge sind teilweise pauschaliert, z.B. in Form von Waldrandlängen und vereinbarten Geldbeträgen pro Einheit. Wärme ist ein Beschleunigungsfaktor biologischer Prozesse. Das gilt insbesondere für Insektenvermehrungen. Insofern sind Waldökosysteme bis auf kleinflächige natürliche Störungen an die Umwandlungg von Sonnenenergie in latente Wärme im Bestandesinnern angepasst, die als Folge des Phasenwechsels von Wasser in Gas entsteht und als Kühle empfunden wird. Auf Straßen bilden sich stark erwärmte Zonen, die durch Entfernen des Waldmantels weit ins Innere der Bestände reichen. Im Falle von Fichten verringert sich deren Vitalität und erhöht sich die Disposition gegenüber Borkenkäfern. Heiße Wetterlagen wie 2018 besorgen dann den Rest. Dadurch wird das waldbauliche Prinzip des hinhaltenden Widerstandes bei der allmählichen Umwandlung nicht standortgerechter Fichtenbestockungen abgelöst durch Katastrophenbewältigung unter der Prämisse sinkender Marktpreise und erhöhter Kulturkosten. Und das alles ohne Notwendigkeit bezüglicher einer wohlverstandenen Verkehrssicherungspflicht.

28. 08. 2018 :

[Kommentar zur Pressemitteilung der Säge- u Holzindustrie vom 23.08.2018: „Mangel an Frischholz für spezialisierte Sägewerke existenzbedrohend“]
https://www.saegeindustrie.de/sites/pressemitteilungen.php?id=603&headline=DeSH+Marktbericht+-+Mangel+an+Frischholz+f%C3%BCr+spezialisierte+S%C3%A4gewerke+existenzbedrohend

Wer ist schuld, Lars Schmidt? Das Klima, die Stürme, die chinesischen und amerikanischen Märkte oder die Folgen unserer Waldbewirtschaftung, die seit fünfzehn Jahren im kritischen Diskurs prognostiziert und nun allmählich sichtbar werden?
Und hört bitte auf, alle heutigen Wirkungen als eine Folge von Kriegs- und Reparationshieben zu begründen. Das ist zu billig.

Foto: Karl-Friedrich Weber

abgeerntete Fichtenfläche 28-8-2018

Fichtenwälder der sechziger und siebziger Jahre waren keine Kriegsfolgen, sondern oftmals Folgen von Laubholzkahlschlägen.

09. 05. 2018 :

Die Deutsche Säge- und Holzindustrie scheint allmählich aufzuwachen. Die Erkenntnis ist bei qualifizierten Forstleuten
längst vorhanden.

Statt mit dem Forstcluster Front gegen Schutzgebiete zu machen, sollte sie gemeinsam mit den Umweltverbänden gegen die Tendenz sinkender hochwertiger Holzsortimente und steigender Energieholzanteile vorgehen und eine erhöhte Wertschöpfung durch Starkrundholz anstreben.

Das setzt älter werdende Wälder und höhere Vorratshaltungen voraus, die durch eine langfristig dauerwaldartige Nutzung ermöglicht werden.

Foto: Karl-Friedrich Weber
Kinderschlachten hochwertigen Buchenstammholzes in den Niedersächsischen Landesforsten unter Inkaufnahme von großen Wertschöpfungsverlusten, die in keiner Bilanz und keiner wissenschaftlichen Untersuchung auftauchen. Falls ja, bitte die Quelle nennen.

= Kommentar zur Pressemitteilung der „Deutschen Säge- und Holzindustrie“ vom 27.04.2018: „Waldumbau für China? Sägeindustrie beklagt steigenden Export von Buchen und Eichen“

http://www.saegeindustrie.de/sites/pressemitteilungen.php?id=586&headline=Waldumbau+f%C3%BCr+China%3F+S%C3%A4geindustrie+beklagt+steigenden+Export+von+Buchen+und+Eichen

Ich war intensiv an dem sog. NWE-10-Prozess (10% nutzungsfreie Wälder in den Landesforsten) in Niedersachsen beteiligt und kann die Befürchtung nicht bestätigen. Der Prozess zur Ausweisung der Flächen ist hier abgeschlossen. Der Anteil dauerwaldartiger Wälder ist marginal geblieben. Der Privatwald ist praktisch nicht einbezogen, obwohl das für ihn positive Seiten hätte. Er fürchtet sich keinesfalls vor der Situation, sondern nutzt in vielen Fällen zu junge Bestände, um Liquidität zu erzeugen zu Lasten langfristiger Wertschöpfung. Das sind diejenigen, die nach Förderung durch den Steuerzahler rufen, der ihre waldbaulichen Defizite kompensieren soll. Ein Teil der Waldbesitzer ist dagegen klüger, weil sie gute Kaufleute sind und wissen, dass ausgelaugte Ressourcen und Altersklassenwälder keine dauerhaften Gewinne erwirtschaften können.

22. 04. 2018 :

Die Komplexität der Wirkung von Lichtwellen der Sonne im System eines Waldlebensraumes bemisst sich nicht daran, was wir aufgrund unserer optischen Wahrnehmung oder Messung von „Strahlungsmengen“ als wesentlich bewerten. Forstliche Eingriffe in einem Wald darauf auszurichten, bedarf vor allem der Einsicht, dass Vorsicht die Königin der waldbaulichen Tugenden ist. Die aber kommt uns gegenwärtig abhanden.

Einsicht, Uneinsicht, Verdrängung und Verirrung sind neben Gruppeninteressen die eigentlichen Exponenten und damit Ursachen der Auseinandersetzung um Anspruch und Wirklichkeit naturnaher Waldentwicklung.

10. 04. 2018 :

Die Lenkungsfunktion [von Waldzertifikaten] ist dann negativ, wenn der zertifizierte Betrieb die Gewissheit erhält, unsanktioniert so weiter machen zu können wie bisher. Das betrifft insbesondere die Staatswälder, bei denen nicht einmal die soziale Kontrolle durch die Bürger als Eigentümer möglich ist.

12. 03. 2018 :

LÖWE-Grundsatz 1:

Bodenschutz und standortgemäße Baumartenwahl

Vorrangig ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der vollen natürlichen Leistungskraft der Waldböden. Sie bilden die Grundlage für gesunde, vielfältige und leistungsstarke Wälder. Die Bildung hochwertigen Grundwassers unter Wald wird dadurch gesichert.
Die natürlichen Standortskräfte sollen nicht nivelliert werden … “

LÖWE-Grundsatz 5:
„Verbesserung des Waldgefüges“

Die Wälder sollen daher so gepflegt, genutzt und verjüngt werden, dass sie möglichst kontinuierlich bestockt sind und sich zu strukturreichen Wäldern entwickeln. Sie sind durch Ungleichaltrigkeit bzw. einen kleinräumigen Wechsel der Altersphasen sowie durch eine deutliche Durchmesser- und Höhendifferenzierung gekennzeichnet“

Wie kann LÖWE, die Langfristige Ökologische Waldentwicklung in den Niedersächsichen Landesforsten, am besten entwickelt werden?
Richtig! Indem wir Forstmulcher einsetzen, die in der Lage sind, alles klein zu bekommen, was sich ihnen in den Weg stellt: Sträucher im Unterstand, Totholz jeden Alters und Qualität, und natürlich Baumstuken – allesamt lästige Behinderungen für einen maschinellen Pflanzgang.
Da freut sich das Leben in der Sommerhitze und bedankt sich durch fleißigen Ausstoß von Ozon, Lachgas und Methan. Der Wald als Quelle für Treibhausgase und CO-2-Ersatz. Treibhauswirkungen sind doch gute Argumente für einen nachfolgenden „Klimawald“. Davon profitiert dann wieder das Versuchswesen des Thünen-Institutes. Bruttowertschöpfung nennen wir das. Die vermehrt sich dadurch.

Personalabbau im Wald? macht nichts – der Mulcher ist ein effizienter Ersatz für waldbauliches Können.

Bingo – gut gemacht! Und natürlich sind alles bisher nur Einzelfälle. Da gibt es also noch Entwicklungspotenzial.

Foto: Karl-Friedrich Weber

Forstmulcher - Vorbereitung f maschinellen Pflanzgang 12-3-2018 a

Forstmulcher - Vorbereitung f maschinellen Pflanzgang 12-3-2018 b

Forstmulcher - Vorbereitung f maschinellen Pflanzgang 12-3-2018 c


18. 12. 2017 :

Die Bilder gleichen sich in ganz Deutschland und offenbar überwiegend im öffentlichen Wald. Es ist das Ergebnis des Versagens von Politik und einer Forstwissenschaft, die aus ihrer Verantwortung heraus nicht dagegen hält, wenn Raubbau als naturnahes nachhaltiges Handeln bezeichnet wird und die Naturschutzbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten diese Phrasen übernehmen und ungeprüft zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Selbst das Bundesamt für Naturschutz scheint seinem Auftrag, gegenüber der abwägenden Politik klare Fachpositionen zu vertreten, aufzugeben und bewegt sich inzwischen in Richtung fauler Mittelwege.

Karl-Friedrich Weber


20. 11. 2017 :

Der Sonderweg des Staatswaldes – Naturschutz als innere Angelegenheit der Forstpartie –

Was Michael Kunkel vom Bund Naturschutz OG Heigenbrücken im März 2013 mit präziser Analytik offen gelegt hat, erweist sich wenige Jahre danach als allgemein gültiges Abbild der Wirklichkeit in den Landesforstanstalten der Länder, ob in Bayern, Niedersachsen, Hessen, Thüringen oder anderswo.

Sie haben sich ein Naturschutzmodell zurechtgelegt, das sich längst vom allgemeinen Ziel der Naturnähe fortbewegt hat, und zwar in so feinen Dosen, dass ein Gewöhnungsprozess an die gut klingenden nichtssagenden Nachhaltigkeits- und Naturnähe-Floskeln bei Naturschutzbehörden, ja selbst bei fachunkundigen Verbandsvertretern des Nabu oder Bund auf der Ortsebene eingetreten ist. Greenpeace ist zurzeit die einzige Organisation, die nicht vereinnahmt werden kann und Linie hält.

Insbesondere in der Frage des sogenannten günstigen Erhaltungszustandes von Lebensraumtypen des Netzes Natura 2000 werden die nachhaltigsten Waldzerstörungen grün gespült.

Auch die Forstwissenschaft ist sich in Teilen nicht zu schade, dabei subalterne Hilfsdienste zu Lasten ihrer Reputation zu leisten. Sie belasten damit auch diejenigen, die gute wissenschaftliche Arbeit leisten.

Die Politik wird durch eine ausgefeilte Dialektik für dumm verkauft und bemerkt es nicht einmal oder will es nicht bemerken, solange ein paar läppische Millionen in die Kassen der Finanzminister gespült werden.

Niemand geht der Frage nach, welche langfristigen Wertschöpfungsverluste in den öffentlichen Wäldern längst aufgebaut wurden, obwohl es an Hinweisen nicht fehlt.

Stattdessen wird eine Scheindebatte über die Nachteile nutzungsfreier Wälder auf netto nicht einmal 5% der Gesamtwaldfläche geführt, auch hier flankiert von wohlgefälliger pseudowissenschaftlicher Unterstützung wie das thüringische Possen-Spiel beweist.

Nach der vollmundigen Verkündung des LÖWE-plus in Niedersachsen im September 2017, die wohl letzte Tat des grünen Waldministers Christian Meyer, zeigen die ersten Meldungen aus den Landeswäldern auf, dass die Langfristige Ökologische Waldentwicklung (LÖWE) ihres Schöpfers Hans-Jürgen Otto von 1991 tot ist und durch einen beliebigen Wortbrei umgeschrieben zur „ökologischen Weiterentwicklung“ erklärt wurde.
Deshalb bleibt auch weiterhin und stärker als je zuvor die Aufgabe, die Nebelwerfer zu benennen und Folgewirkungen offen zulegen.

Karl-Friedrich Weber

[= Kommentar zum Aufsatz „Der Sonderweg des Staatswaldes – Naturschutz als innere Angelegenheit der Forstpartie“ von Michael Kunkel ]

http://spessart-wald.de/files/7113/6682/7746/Spessart-Wald_Naturschutz-Marke-Staatswald_Der-Sonderweg-des-Staatswaldes_20130423.pdf

Foto: Karl-Friedrich Weber November 2017

90jähriger Stieleichen-Kiefern-Wald in einem FFH-Gebiet der Niedersächsischen Landesforsten, aus dem die hiebsunreife Kiefer endgenutzt und der Beschirmungsgrad der Baumkronen von 80% auf max. 40% herabgesetzt wurde. Eine ökologische und wirtschaftliche Plausibilität erschließt sich nicht. Im Ergebnis entspricht das Bild einer Bestands-Strukturzerstörung.

post 20-11-2017 2038 a1 FFH 102 Beienroder Holz 18
Die Professoren Dr. Christian Ammer und Dr. Ernst-Detlef Schulze, früher Direktor des Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena, bauen zielstrebig an einer Theorie der Biodiversität, die den Nutzungsansprüchen des Clusters Forst und Holz entgegenkommt.

[Silvia Roelcke:] Wer das mit dem Possen nicht gleich verstanden haben sollte, kann einen Blick auf diese Veranstaltungsankündigung werfen: Wo bisher kein Widerstand gegen die Ausweisung eines holznutzungsfreien Buchenwaldgebiets vorhanden war, ist nun, seit der Druck steigt, ein Verein „Statt Urwald – Kulturwald am Possen und Hainleite e.V.“ entstanden, der prompt professionelle Schützenhilfe seitens der Thüringer Landesforsten und eines Professors = Prof. Dr. Christian Ammer bekommt. Titel seines Vortrags am 11.01.2018 in Sondershausen: „Kulturwald Possen. Waldbewirtschaftung und Biodiversität – ein Widerspruch in sich?“

https://www.thueringenforst.de/aktuelles-medien/termine-veranstaltungen/detailansicht/news/kulturwald-possen-vortrag-von-herrn-prof-dr-ammer/


23. 06. 2017 :

„Vor drei Jahren hat das Forstamt Neuenburg den Flächenpool eingerichtet. Über einen Zeitraum von zehn
bis fünfzehn Jahren, werden die Nadelbäume im Kompensationsflächenpool Horstbüsche vollständig
entnommen. Buchen- und Eichenwälder werden den künftigen Charakter des Gebietes prägen.“ …

„Das Konzept für die Kompensationsmaßnahmen des Forstamtes Neuenburg wurde mit der
Naturschutzbehörde des Landkreises Ammerland abgestimmt.“

Es entstehen Fragen:

Aus den Texten der Pressemitteilung wird waldbaulich nicht erkennbar, dass es sich bei den dargestellten Maßnahmen um eine ökologische Aufwertung handelt, die über die pflichtgemäßen Waldentwicklungsaufgaben im öffentlichen Landeswald hinausgehen und daher eine echte Kompensation für einen negativen Eingriff in den Naturhaushalt an anderer Stelle darstellen. Das betrifft sowohl die Entnahme (Ernte) der Nadelhölzer, als auch die Entwicklungspflege zum Beispiel des FFH-Lebensraumtyps Eichen-Hainbuchenwald feuchter Ausprägung.

Kompensationsflächenpools im Wald laufen in Anbetracht der prinzipiellen Trennunschärfe von gesetzlichen Bindungen und freiwilligen ökologischen Zusatzleistungen leicht Gefahr, durch wirtschaftliche Interessen geprägt zu sein. So manche Naturschutzbehörden werden damit vor komplizierte Entscheidungen gestellt, unterliegen nicht selten politischem Druck oder sind schlicht fachlich überfordert, einschließlich der Planungsbüros, die gewöhnlich mit der Entwicklung des Kompensationspools beauftragt werden.

Falls Flächenpools in Wäldern überhaupt operabel sind, gehören sie in den Privatwald, der nicht oder kaum verpflichtet ist, ökologische Aufwertungen ohne Förderung vorzunehmen.

Der Staatswald hat den verfassungsgemäßen Auftrag, im Rahmen seiner gesetzlich vorgegebenen Ziele einer naturnahen Waldwirtschaft ökologische Verbesserungen zu bewirken und sich nicht durch Konkurrenzverhalten gegenüber Privatwaldbesitzern besondere Vorteile zu verschaffen.
Die Niedersächsischen Landesforsten betonen in ihrer Selbstdarstellung unentwegt ihre Vorbildhaftigkeit durch das niedersächsische Regierungsprogramm LÖWE (Langfristiges ökologisches Waldentwicklungsprogramm).

Dann doch bitte ohne Mogelpackung.

Karl-Friedrich Weber

[ = Kommentar zur Presseinformation  „Horstbüsche werden naturnäher – Landesforsten stellen Projektfortschritt vor“ vom 20.06.2017 ]


23. 06. 2017 :

„Nachhaltigkeit spielt dabei stets eine große Rolle. Schon bei der „Forsteinrichtung“, also der genauen „Planung“ des Waldes, aber vor allem auch bei der Holzernte.“

richtig – der Wald muss genau „geplant“ werden …

Die Kerninformation, vollgespickt mit überkommenen Stereotypen, scheint aus einem forstgeschichtlichen Antiquariat entnommen zu sein. Der Rest ist platte Scheinlogik.

Jetzt verstehe ich den Forstwissenschaftler aus Lemberg besser, der mir bei meinem Besuch seiner forstlichen Fakultät in Lemberg gestand, dass er auf der Suche nach zukunftsweisenden waldbaulichen Wegen von der österreichischen und deutschen Forstwissenschaft – von Ausnahmen abgesehen – enttäuscht sei.

[ = Kommentar zum folgenden Artikel: ]

https://www.meinbezirk.at/purkersdorf/lokales/backstage-bei-den-bundesforsten-bau-dir-deinen-wald-d2157315.html?cp=Kurationsbox


14. 06. 2017 :
[ Antwort auf eine Meinung zum Thema Zuspruch in einer Region zu einem geplanten Nationalpark – Ein Nationalparkprozess müsse auch die stillen Einheimischen hören, und es könne nicht sein, dass eine bürokratische Sonderbehörde über eine ganze Region herrsche. ]
Das ist prinzipiell richtig, setzt aber voraus, dass die „stillen Einheimischen“ nicht durch Desinformationen gezielt emotionalisiert, desinformiert und damit manipuliert werden – von wem auch immer.

30. 05. 2017 :

Erst am 2. April 2017 schrieb er einen Brief an den neuen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Berlin, in dem er davor warnte, unsere Wälder aus Profitgier zu maschinengerechten „Holzäckern“ zu machen. Der Wald dürfe seine lebenswichtigen Funktionen für die Menschen nicht verlieren.

Wir haben zu viele Leisetreter und zu wenig Eitlers in den forstlichen Reihen.
Gotthard Eitler zeigt mit seinen 80 Jahren, dass es sich auch für die Forstgenerationen nach ihm lohnt, für den Wald zu streiten und ihn nicht dem forstlichen Mainstream zu überlassen.
Hut ab.

Karl-Friedrich Weber


27. 05. 2017 :

Solange Prof. Dr. Ernst-Detlef Schulze in seiner Alterphase mit krusen Theorien den öffentlichen Diskurs zu prägen scheint, hat die deutsche Forstwissenschaft ein Problem.

Biodiversität ist nun einmal ein Forschungsfeld, das sich mit der Auflistung von Pflanzenarten in Wirtschaftswäldern nicht zureichend erschließt.

Der Verlust der Artenvielfalt ist offenbar auch in fehlendem oder unsicherem Wissen über die komplexen Verbindungen zwischen Natur und Gesellschaft begründet. Das wäre doch ein dankbares Erkenntnisfeld für Ernst-Detlef Schulze im Anklang an seine früheren wissenschaftlichen Verdienste.

Karl-Friedrich Weber


22. 05. 2017 :

Tausende sind dagegen – so die Schlagzeile

Beim Lesen erfahren wir, dass es sich um eine Unterschriftenkampagne der Waldbesitzerverbände handelt.

Bei allgemeinen Probeabstimmungen stellen wir fest, dass große Mehrheiten vermehrt unberührte Wälder wünschen.

Ich bin Kleinwaldeigentümer, seit 55 Jahren Forstmann und verwalte für die Stiftung Naturlandschaft auch heute noch ca. 450 ha Wald.

Und ich stelle mir die Frage, wo eigentlich das Interesse von Privatwaldbesitzern liegt, nutzungsfreie Waldanteile von 5% des öffentlichen Waldes gemäß internationaler Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland abzulehnen, was offenbar dem überwiegenden Wunsch der Öffentlichkeit entspricht, die Eigentümerin dieser Wälder ist?

Ihre Interessen sind doch gar nicht berührt.

Da werden Argumente von Verbandsfunktionären des Clusters aus hinteren Schubladen gezogen, die sich eigentlich nur noch durch den Ruf nach Rettung des Abendlandes steigern lassen. Das muss doch auffallen!
Wie besonnen und verantwortungsbewusst ist das eigentlich? Und vor allem, wie klug?

Einen Nutzen hat die unsägliche Diskussion in Thüringen jedoch bereits erbracht. Es wird einmal mehr offen gelegt, wie ein Interessengeflecht gestaltet ist, das aus engem Zusammenwirken von Forstchefs im öffentlichen Dienst und den Vertretern privater Interessenorganisationen besteht.

Vielleicht wird der politischen Vertretung allmählich klarer, wie Fremdbestimmung durch den Apparat aussehen kann.

Karl-Friedrich Weber

[ Kommentar anlässlich einer weiteren Unterschriften-Aktion gegen mehr Waldgebiete ohne forstliche Nutzung in Thüringen: „Thüringens Privatwaldbesitzer machen Front gegen zusätzliche Urwälder im Freistaat. Der Waldbesitzerverband übergab am Mittwoch in Erfurt mehr als 3600 Unterschriften an den Staatssekretär im Forstministerium, Klaus Sühl. Die Unterzeichner der Protestresolution lehnen es ab, weitere Waldgebiete aus der wirtschaftlichen Nutzung zu nehmen.“ ]

http://www.thueringen24.de/erfurt/article210605677/Mehr-Urwald-in-Thueringen-Tausende-sind-dagegen.html


21. 05. 2017:

„Prof. Dr. Bernhard Möhring von der Abteilung Forstökonomie an der Georg-August-Universität Göttingen präsentierte einen Überblick über die ökonomischen Verluste für die Forstwirtschaft. Das Ergebnis in einem Kiefernwald sei ein finanzieller Schaden von rund 3800 Euro pro Hektar, wenn die Bäume vor ihrer Erntereife gefällt werden. Hinzu käme die Wiederaufforstung, die bei rund 3400 Euro pro Hektar liegen würde. „Das Absterben eines Bestandes sowie ein vorzeitiger Einschlag sind für Forstbetriebe eine existenzielle Bedrohung. Hier werden mit einem Schlag die Gewinne der nächsten 50 bis 100 Jahre vernichtet.“, konstatierte Prof. Möhring. Eine Behandlung geschädigter Waldflächen sei daher dringend notwendig.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Professor Dr. Bernhard Möhring seine Kompetenz mit exakten Zahlen belegt. Er beweist damit eindrucksvoll, dass er ein wahrhaft außergewöhnlicher Ökonom und unabhängiger Wissenschaftler ist.

Wir sollten Prof. Möhring so oft wie möglich zitieren können, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann.

Karl-Friedrich Weber

[ „umgekehrt“ zu lesender Kommentar zur Meldung „“]


29. 04. 2017:

Um das Entwicklungsziel von naturnahen Dauerwäldern zu erreichen oder sich ihm zumindest zu nähern, in denen starke und reife Altbäume kontinuierlich genutzt werden können, müssen vor allem in den darunter liegenden Baumschichten möglichst viele Nachrücker und dadurch nachhaltig verfügbare Holzvorräte erhalten bleiben.

Wer diese Bestandesglieder vorzeitig zur Brennholzgewinnung nutzt, legt buchstäblich die Axt an eine spätere hohe Wertschöpfung und betriebliche Rentabilität. Er vergeudet sein Waldkapital und bewirkt tiefgreifende Störungen der gesamten walddynamischen Prozessabläufe.

Das ist in Bezug auf eine hohe dauerhafte Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz weder volkswirtschaftlich, noch ökologisch vertretbar. Betriebswirtschaftlich verringert sich durch diese zyklische Betriebsform insgesamt die mögliche hohe Wertschöpfung. Geringen Vornutzungserträgen stehen hoher Pflegeaufwand und Schäden am Betriebskapital Boden gegenüber. Das investierte Kapital muss über lange Jahrzehnte verzinst werden.

Die Bilder 1 bis 4 zeigen jedoch den gegenwärtigen Normalzustand forstlicher Betriebswirtschaft, wie sie überall in Deutschland praktiziert wird – selbst in Waldschutzgebieten.

Das offizielle Produktionsziel kleinflächig ungleichaltriger und nachhaltig strukturierter naturnaher Wälder ist so für den nächsten Zyklus von vielleicht 150 Jahren nicht mehr erreichbar.

Fotos: Karl-Friedrich Weber

ordnungsgemäße Forstwirtschaft 29-4-2017 a

ordnungsgemäße Forstwirtschaft 29-4-2017 b

ordnungsgemäße Forstwirtschaft 29-4-2017 c

ordnungsgemäße Forstwirtschaft 29-4-2017 d

Es könnte aus Sicht einer kurzfristigen Rentabilität interessant sein, die aber längerfristig mit Wertschöpfungsverlusten erkauft würde. Das wäre nicht nachhaltig im Sinne von haushälterisch. Wirtschaftlich ist der möglichst geringe Einsatz von Mitteln zur Erreichung eines Zwecks. Die waldbaulichen Betriebsziele sind allgemein übereinstimmend eine hohe Wertschöpfung. Anspruch und Wirklichkeit gehen aber gegenwärtig zunehmend auseinander. Das ist das Problem.

[= Antwort auf die Frage, ob es – je nach Standortverhältnissen – nicht auch wirtschaftlich interessant sein könnte, von der Wertholzproduktion hin zu Industrieholz oder nur Palettenholz mit kürzeren Umtriebszeiten zu wechseln. ]


16. 04. 2017:

Staatliche Wälder können Gemeinfunktionen der Wälder rechtlich besser umsetzen [als Privatwälder]. Anspruch und Wirklichkeit müssen deshalb zusammengeführt werden. Darum geht es im Diskurs. In dem Maße, wie staatliche Institutionen diesen Auftrag nicht oder nur unzureichend erfüllen, wird der Ruf nach anderen Lösungen lauter. Sie könnten z.B. auch in der Überführung der Staatswälder in Stiftungen liegen.

Auch ich habe gute Erfahrungen mit Privatwäldern gemacht. Es gibt aber auch schlimme Beispiele, die oft größere Waldeigentümer betreffen. Ein entweder oder wäre m.E. nicht zielführend, sondern vor allem eine Unterstützung der Privatwaldeigentümer, die ethische Ziele vor Rentabilitätsbestrebungen setzen und Einfordern der Rechtsverpflichtungen im öffentlichen Wald durch eine wachsame Bevölkerung und Rechtsaufsicht. An letzterer mangelt es.

28. 03. 2017 :

„Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) kritisierte frühere Waldverkäufe der schwarz-gelben Landesregierung, auch wegen der erheblich gestiegenen Holzpreise. „Öffentlicher Wald darf nicht als Tafelsilber des Landes verkauft werden“, sagte Meyer am Montag.“

Die Korrektur von Waldverschleuderung der Vorgängerregierung in Niedersachsen ist einer der wenigen bisherigen Lichtblicke in der Waldpolitik des Landes. Vorwiegend Jagdinteressen geschuldet, wurde in kurzem Zeitraum selbst in Schutzgebieten Wald verkauft, die jahrzehntelang durch beamtete Forstleute, also mit öffentlichen Mitteln, kostenträchtig bewirtschaftet wurden.
Ältere Kieferwälder, kurz vor der Zieldurchmesserreife verramscht, unterlagen anschließend nicht selten einer vorhersehbaren Folge von Maßnahmen durch die neuen Eigentümer:

Kahlschlagähnlicher Einschlag, intensivierte Vornutzung in mittelalten Beständen unter starker Herabsetzung des Bestockungsgrades, die Auflassung von Erholungsinfrastruktur wie Waldparkplätze und traditionelle Waldwege für die Besucher, subventionierte Neuanpflanzungen von Douglasien.

Kapital, das nach Anlage sucht, ist genug da. Das rechnet sich – allerdings nicht für die Allgemeinheit.

Foto: Karl-Friedrich Weber
verkauft – vor der Hiebsreife kahl geschlagen – subventionierter Douglasienanbau in Nachbarschaft eines FFH-Gebietes

[ Kommentar zum Artikel „Wohin mit der Kohle? – Wald in Niedersachsen kaufen!“ aus der Nordwest-Zeitung NWZ online vom 28.03.2017 ]

https://www.nwzonline.de/wirtschaft/wohin-mit-der-kohle-wald-in-niedersachsen-kaufen_a_31,2,2981028785.html

In Niedersachsen hat die Landesregierung inzwischen den Verkauf öffentlicher Wälder eingestellt. (…) Der Konflikt zwischen den Forderungen nach möglichst uneingeschränkter Holznutzung, die von vielen Forstfachleuten als Übernutzung eingeschätzt wird, und Waldflächenanteilen, die der natürlichen Dynamik überlassen bleiben und damit mit Ausnahme der Nutzung des Rohstoffes Holz alle anderen Funktionen optimal sichern, ist Gegenstand des seit Jahren intensiver werdenden Diskurses zwischen Holzwirtschaft und Gesellschaft.


28. 03. 2017 :

„Beim Gang durch mehrere »Waldbilder« des »RoederForst« stehen zunächst aber die Spätfolgen der beiden Orkane im Fokus. Die rissen insgesamt 140 Hektar große Lücken in den Wald – mehr als ein Viertel der Gesamtfläche! Mit der an sich schon aufwendigen Wiederaufforstung allein war es nicht getan: Jahrelange Kontrolle, Pflege, Nachpflanzungen wegen Ausfalls durch Gras, Trockenheit, Rüsselkäfer oder Wildschäden kamen hinzu. Mindestens 20 Jahreseinschläge konnten laut Roeder von Diersburg nur zu minderen Preisen verwertet werden. Die Mindereinnahme beziffert er auf 5000 bis 10 000 Euro – je Hektar. Zudem sanken natürlich die Einnahmen aus dem Einschlag aufgrund der fehlenden Jahrgänge; vor allem 30 bis 70 Jahre alte Fichten.“

Was Roeder von Diersburg als Spätfolge beschreibt, ist nicht das Ergebnis von natürlichen Wetterereignissen, sondern von jahrzehntelangem unnatürlichem und nicht nachhaltigem Waldbau, dessen betriebswirtschaftliches Desaster früher oder später offen zu Tage tritt.

[ Kommentar zum Artikel „Nicht nur an den Regenwald denken“, Gießener Allgemeine, 27.03.2017 ]

http://www.giessener-allgemeine.de/regional/kreisgiessen/art457,231194

Ich gehe davon aus, dass die individuelle Leistung des heutigen Waldeigentümers beim Lesen des Berichtes jeder positiven Bewertung zugänglich ist. Im „Vorspann“, der den subjektiven Teil des Berichtes nicht vorweg nehmen soll, kommt es mir darauf an, eine allgemeine Problematik heraus zu stellen; in diesem Fall die gewöhnlliche Verschiebung von Ursache und Wirkung im Diskurs, die oft darin besteht, den Berghauptmann Carl von Carlowitz zur selbstverständlichen Handlungsmaxime zu erklären, von der man seit 300 Jahren geleitet werde, und Wetterausschläge, unabhängig von heutigen Klimaszenarien, als außergewöhnlich und unvorhersehbare Ereignisse darzustellen. Das ist keine individuelle „Schuldzuweisung“. Wo es schuldhaftes Verhalten gibt, bin ich sicher ein jahrzehntelang wirkender Mitschuldiger (hoffentlich gewesen).


25. 02. 2017 :

Waldwege sind kein ökologischer Glücksfall.

Die verbogenen Begründungen, um die in Wirtschaftswäldern unvermeidbare Wege-Infrastruktur in einem ökologisch geschönten Licht erstrahlen zu lassen, führen zu weniger und nicht mehr Akzeptanz. Ökologische Glücksfälle durch menschliche Eingriffe in Waldökosysteme gibt es nur aus einer interessengebundenen Sicht.

Wegetrassen können teilweise zu vorübergehenden Lichträumen für bestimmte Tiere und Pflanzen, aber auch zu Trennwirkungen für viele Arten führen und haben oft eine negative Entwässerungsfunktion für Waldstandorte. Im Zuge von Unterhaltungsmaßnahmen wird häufig kontaminiertes Wegebaumaterial vom Planum und aus den seitlichen Spitzgräben mittels Baggern auf angrenzenden Waldböden abgelegt, was oft einen Verstoß gegen die Bundesabfall-Verordnung darstellt, der kaum geahndet wird.

Die Öffentlichkeit sieht in ihrer wachsenden Sensibilität und Sachkunde in Sachen Wälder genauer hin und bildet sich ein eigenes Urteil.

Orchideen und Tagfalter am intakten Innensaum eines Waldweges erhöhen die Artenvielfalt eines Lebensraumes. Ob und inwieweit Wegeinnenränder positiv zu beurteilen sind, richtet sich jedoch stets nach dem Einzelfall. Waldorchideen bedürfen in tatsächlich naturnah bewirtschafteten ungleichaltrigen und strukturreichen Wäldern ebensowenig der Hilfe von Forststraßen, wie Bergmolche die Hilfe der Fahrspuren von Harvestern und Forwardern zu ihrer Reproduktion.

Karl-Friedrich Weber

[ Kommentar zur Meldung von ThüringenForst: „Waldwege – ein ökologischer Glücksfall“ vom 23.02.2017 ]

http://www.bundesumweltportal.de/thueringen/19-thueringen/waldwege-ein-oekologischer-gluecksfall.html

„Waldwege – ein ökologischer Glücksfall. Thüringens Forstwege sind nicht nur Arbeitsplatz für Förster und Erholungsort für Wanderer, sondern auch ein ökologisches Netz für licht- und wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten, gerade im anstehenden Frühjahr. (…) Das Thüringens Forstwege aber auch eine herausragende ökologische Funktion haben und unmittelbar zur biologischen Vielfalt im Wald beitragen, ist bei den Wegenutzern vielfach weitgehend unbekannt. (…) Das Öko-Forstwegenetz ist Teil einer naturnahen Forstwirtschaft (…) Mit dem Öko-Forstwegenetz wird damit ein vorbildlicher Trink- und Hochwasserschutz im Wald gewährleistet. (…) Bestimmte Tier- und Pflanzenarten brauchen mehr Licht, Wärme und Wasser. Wegetrassen, insbesondere aber Wegeränder bieten durch die linienartige Öffnung des Kronendaches ein mehr an Licht, Wärme und bessere Wasserversorgung, was die Wuchsbedingungen für bestimmte Arten verbessert. Dies kommt auf basenreichen Standorten speziell Waldorchideen zu Gute, auf basenarmen Standorten verschiedenen seltenen Farnen. (…) Forstwege sind multifunktionelle Wunderwerke“

——

Fotos: Karl-Friedrich Weber

ökologische Glücksfälle in einem FFH-Waldgebiet in Niedersachsen

Forststraße a 25-2-2017 Beienroder FFH-Geb Vogelschutzgb

Forststraße b1 Kirchmann FFH 102 Beienroder Forst 25-2-2017

Mit dem „Öko-Forstwegenetz“ wird ein „vorbildlicher Trink- und Hochwasserschutz im Wald gewährleistet“ – auf dem Foto neuer Raum für einen Orchideenstandort.

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Kommentar von K-F Weber zu einem Leserkommentar eines Forstmanns: Sie fühlen sich angegriffen, eine Reaktion meines Berufstandes auf kritische Bewertungen von Aussagen, auf die lediglich reagiert wird; wie in diesem Fall einer peinlichen Waldwege-PR, die ich mir nicht ausgedacht habe und die Ihrem Image genauso schadet, wie meinem. Denn auch ich bin Forstmann und lege Wert darauf, dass mein Berufstand gegenüber der Öffentlichkeit ein kompetentes Bild abgibt.

Hier noch viele weitere Beispiele von „ökologischen Glücksfällen“ und „multifunktionellen Wunderwerken“, diesmal aus dem Spessart, dokumentiert von Michael Kunkel, s. die Unter-Punkte „Erdaushub-Deponie Wald“ und „Waldwegebau“ mit den entsprechenden Bildergalerien:

http://spessart-wald.de/bayern/forstwirtschaft/maschinengerechter-wald/


25. 01. 2017 :

Große Trends beginnen im kleinen:

Das kann zum Beispiel die Beschwerde eines Forstamts- oder Anstaltsleiters beim Landrat oder Fachminister sein über Behinderungen durch deren Naturschutzbehörden, deren Aufgabe es wiederum ist, Rechtsmissbrauch zu verhindern.

Oder zum Beispiel die Anfrage einer Landtagsfraktion im Niedersächsischen Landtag beim Fachminister, ob dieser die schlimme Seite „Waldwahrheit“ kenne, die den forstlichen Berufstand so verunglimpfe.

Oder die vielfältigen Versuche der Einflussnahme auf die Wertungen von Landespolitikern, wobei es sich regelmäßig um Aktivitäten im Verborgenen handelt – durch Kräfte, die sich dem offenen Diskurs nicht stellen.

Immer geht es darum, Zivilcourage einzugrenzen, pflichtgemäße Ausübung öffentlicher Ämter als bürokratische Behinderungen zu diskreditieren und unter dem Schirm Mitleid suchender Klagen einfach weiter zu machen, weil man sich sicher glaubt.

Dieses Gift wirkt schleichend, weil es so schlüssig daher kommt. Wer hat nicht schon einmal selbst das Gefühl gehabt, bürokratisch bevormundet zu werden. So arbeiten auch Präsident Trump und seine reaktionären Kräfte.

Ein neu veröffentlichtes Diskussionspapier zum Thema
„ Zivilgesellschaftliches Engagement weltweit in Gefahr: Für gerechte Entwicklung, Umweltschutz, Demokratie, Menschenrechte und Frieden“ beklagt den weltweiten Trend von zunehmenden Einschränkungen des zivilgesellschaftlichen Handlungsraums. Es gibt klare Forderungen an die Politik, die aus sich der unterzeichnenden Organisationen dringend umgesetzt werden müssen, um die Demokratie, Menschenrechte und eine unabhängige Zivilgesellschaft zu verteidigen.

Dass sich Initiativen, Vereine, soziale Bewegungen, Basisorganisationen, Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger für andere engagieren und in politische Prozesse einbringen können, ist eine wichtige Voraussetzung für gerechte Entwicklung, Umweltschutz, Demokratie und den Schutz der Menschenrechte.

Doch für zivilgesellschaftliche Akteure in vielen Ländern sind die Einschränkungen ihrer Arbeit für Menschenrechte, für zivile Konflikttransformation und Umweltschutz häufig ein tägliches Problem. Frauenrechtsverteidi­gerinnen sind zudem oftmals geschlechtsbasierten Bedrohungen ausgesetzt und erfahren spezifische Formen von Unterdrückung bis hin zu sexualisierter Gewalt. Dadurch sind die zivilgesellschaftliche Beteiligung wie auch fundamentale Menschenrechte wie Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in vielen Ländern zunehmend gefährdet.

Die Veröffentlichung des Papiers ist ein Appell an alle angesprochenen Ministerien, diesem negativen Trend wirkungsvoll entgegenzutreten und Ihren Einfluss für offene Gesellschaften, Demokratie, Menschenrechte und eine unabhängige und lebendige Zivilgesellschaft geltend zu machen.

[ = Kommentar zu folgendem Diskussionspapier: ]

http://www.forumue.de/diskussionspapier-zivilgesellschaftliches-engagement-weltweit-in-gefahr-fuer-gerechte-entwicklung-umweltschutz-demokratie-menschenrechte-und-frieden/

Der Fachminister hat geantwortet, er kenne die Seite. Das war es dann auch schon.

Die bange Frage für mich lautet, ob die Verfassungswirklichkeit so bleibt und sich nicht schleichend verändert.

21. 01. 2017 :

Diese Wahrnehmung ist falsch – das Gegenteil ist richtig. Der forstliche Berufstand hat sich ebenfalls in seinem eigenen Paradigma eingerichtet, aus dem heraus er sein Umfeld wahrnimmt und beurteilt. Immer mehr Forstleute sind durchaus nicht der Meinung, dass naturnachhaltige Forstwirtschaft tausendfache Normalität sei. Und die wissen auch sehr wohl, worüber sie reden. Das bedeutet eben nicht, dass sie den Nestbeschmutzer spielen wollen, sondern ein Interesse daran haben, dass auch der eigene Berufstand, dem sie sich verbunden fühlen, aus seiner Selbstgefälligkeit erwacht und selbstkritisch reflektieren lernt.Wenn Menschen so reagieren, wie in dem Bericht dargestellt, identifizieren wir uns nicht mit deren Werturteil, sondern stellen dar, wie die Sicht anderer ist. Ist sie zu korrigieren, haben wir das zu sagen, andernfalls müssen wir über öffentliche Reaktionen nachdenken. Positive Waldbaubeispiele werden auf dieser Seite durchweg dargestellt, sobald sie uns zur Kenntnis kommen. Die offizielle Eigenwerbung des Clusters Forst gibt leider nicht viel her. Sie sind herzlich zur Mitarbeit eingeladen. Widerspruch ist erwünscht.

 [ Entgegnung auf den Vorwurf, eine kritische Zeitungsmeldungen auf der Seite Waldwahrheit ziele darauf ab, beim Leser zur Diskreditierung der die öffentlichen Forstverwaltungen beizutragen ]
…für den öffentlichen Wald gelten mit der Gleichrangigkeit von Nutz-, Schutz- und Erholfunktion andere Prioritäten [ als für den Privatwald ].

09. 01. 2017 :

Was ist normal? Was ist krank? Was ist ein Schaden?

Die Absterberate der Buche ist die niedrigste aller Baumarten. Sie beträgt in der Zeitreihe von 1984 bis 2016 0,04%.

Die Absterberate der Eiche beträgt in der gleichen Zeitreihe 0,1%.
Die Absterberate aller Baumarten betragen im Mittel der Zeitreihe 0,2%.
Und wie ist die Belaubungsdichte zu interpretieren, die seit 1986 in 35 Teilnehmerstaaten Europas durchgeführt wird?
Die Kritik an diesen Verfahren ist alt (Schöpfer 1985, Ellenberg 1994, 1995, 1996, Scherzinger 1996).
Als Problematisch wird u. a. angesehen, dass eine Schätzung der Blattverluste in Bezug auf fiktive, d. h. nicht bekannte Normalzustände gesetzt wird. Es bleibt unklar, welchen Anteil natürliche und anthropogene Stressoren an dem beobachteten Schadenszustand haben. Wenn die Absterberate so extrem gering ist, bleibt die berechtigte Frage, warum dann überhaupt von Waldschadenszuständen und bereits eingetretener Destabilisierung von Wäldern durch Klimafaktoren und Schadstoffen gesprochen wird – unbeschadet der Entwicklung von Szenarien, wenn schon Prognosen auf diesem Informationsniveau nicht möglich sind.

Härdtle, Ewald, Hölzel (2004) sagen dazu: „Weiterhin werden die durch natürliche Umweltfaktoren bedingten Schwankungen der Belaubungsdichte und Wuchsleistung von Waldbäumen unter Umständen allzu einseitig interpretiert: Da diese beiden Faktoren unter anderem von den edaphischen Verhältnissen und den während einer Vegetationsperiode bestehenden Witterungsbedingungen abhängen (Rehfuess et al. 1983) , führen die Schadenserhebungen mithilfe des Belaubungszustandes zu jährlich stark schwankenden Ergebnissen (Schöpfer 1995) Sie sind somit nicht unbedingt ein Ausdruck für die „Erkrankung“ eines Baumes, sondern vielmehr für die natürliche Variabilität seiner Wuchsleistung.“

Die Waldschadenserhebungen (besser Waldzustandserfassungen) werden heute durch Bodenzustandsanalysen ergänzt. Aber auch sie sind selektiv angelegt und erfassen eine der Hauptfaktoren nicht: Die anteilige Verdichtung der Waldböden durch Befahren mit schweren Maschinen und Strukturzerstörungen im Zuge von Flächenvorbereitungen für Kahlschlag-Neuaufforstungen. Warum das nicht geschieht und damit einfach ausgeblendet wird, ist unbegreiflich und möglicherweise mit dem direkten Einfluss wirtschaftlichen Interessen des Clusters Forst und Holz zu begründen, die auf die Gestaltung der Erhebungs-Indikatoren und -kriterien einwirken.

Karl-Friedrich Weber

[ Kommentar zum Artikel „Waldzustandsbericht 2016: Schleswig-Holsteins Wälder weiter in stabilem Zustand“ aus www.herzogtum-direkt vom 08.01.2017]


07. 01. 2017 :

„Nach meinem aufmerksamen Handeln muss ich ab und zu zurückgehen und schauen, welche Auswirkungen mein Handeln hatte. Immer wieder nachsehen, in welche Richtung sich das Ganze bewegt und entfaltet. Handeln und Kontemplation müssen sich ständig abwechseln.“

Hans-Peter Dürr, Teilchenphysiker

Wie gut wir diese Gabe entwickelt haben, können wir am Zustand unserer Wälder erkennen.

——

„Wir dürfen uns nicht beeindrucken lassen von den Wissenschaften, die sagen, wir können sagen, was die Zukunft uns bringt. Das ist eine alte Wissenschaft, die überholt ist.
Wenn etwas passiert, dann nicht das, was wir errechnen haben, sondern vor allem etwas, an das niemand gedacht hat.“

Hans-Peter Dürr, Teilchenphysiker


07. 01. 2017 :

„Zudem soll durch behutsamen Umgang mit den Vorräten der Holzzuwachs optimiert werden. „Damit kann mittel- und langfristig mehr Holz eingeschlagen werden, denn der Zuwachs in vorratsreichen Wäldern ist höher“, erklärt Hayn.“

auf dem richtigen Weg …

[ Kommentar zum Artikel „Förster wollen 1000 Hektar Wald sich selbst überlassen“, Badische Zeitung vom 07.01.2017 ]

http://www.badische-zeitung.de/kreis-breisgau-hochschwarzwald/wildnis-statt-wirtschaft-bei-kirchzarten-wird-der-wald-sich-selbst-ueberlassen–132017111.html


10. 12. 2016 :

Werbung, tagtäglich, kiloweise. Ich habe sie nicht bestellt und benötige sie auch nicht. Sie ist aber ein Teil der Holzproduktion, die mit dem Bedarf begründet wird.

Der große Umweltpolitiker und CDU-Mann Klaus Töpfer hat auf einem Umweltkongress seiner niedersächsischen Partei auf das Argument der Bedürfnisbefriedigung geantwortet: „Bedürfnis? Das ist eine törichte Vorstellung. Die größte weltweit agierende Industrie ist die Bedürfnisindustrie. Sie macht ihre Gewinne dadurch, dass sie den Menschen erklärt, was sie für Bedürfnisse haben sollen.“

Als geladener Gast habe ich mir diesen Satz notiert und auch die Frage Töpfers nach der Suffizienz, nach dem, was für ein gutes Leben notwendig sei. Jedenfalls nicht die Holzvergeudung in Papierform, wie sie aus den Briefkästen quillt. Wenn Holz ein so wertvolles Gut ist, wie vom Cluster Forst und Holz propagiert wird, dann muss das Angebot verknappt werden – eigentlich. Nur ein knappes Gut wird wert gehalten und seinen angemessenen Preis erhalten, der sich dort bildet, wo Holz anderen Materialien überlegen ist. Wer Holz verramscht und sich beklagt, dass der Markt nicht seinen Erwartungen entspricht, hat nicht verstanden.

Jedes Stück Holz, das nicht in den Papiermühlen oder Heizkraftwerken landet, erfüllt im Wald eine unersetzliche Funktion, ökologisch und ökonomisch. Eine Ressource, die auf diese Weise stetig an Wert gewinnt, wird zur betriebswirtschaftlichen Grundlage für eine nachhaltig hohe Wertschöpfung und Rentabilität.

Kluge Kaufleute wissen das. Die anderen verramschen weiter.

Karl-Friedrich Weber


07. 09. 2016 :

(…) Da das Prinzip der jährlichen Revierchroniken seit langem Vergangenheit ist, gibt es keinen standortbezogenen Erfahrungspool mehr, auf den junge Forstleute zurückgreifen könnten. Die Folgen sind ein Teil des aktuellen Diskurses um die Wälder Deutschlands.


29. 08. 2016 :

Durch übermäßige Vornutzungseingriffe in Jungbeständen, einhergehend mit Verminderung der Zuwächse auf der Fläche ist so mancher Stammholzanwärter im Energieholz gelandet.

Der Preisverfall sollte zum Nachdenken anregen.

[ Kommentar zur Meldung der Deutschen Säge- und Holzindustrie vom 22.7.2016: u.a. dramatisch fallende Sägenebenprodukt(= Holzhackschnitzel + Sägespäne)-Erlöse ]


22. 08. 2016 :

In Niedersachsen wurden vor 2003 durch die Landesregierung Waldeigentum der Bevölkerung – also Landeswald – verkauft, um das Haushaltsdefizit zu verringern. Die Käufer haben nicht selten durch starke Einschläge die oftmals hiebsunreifen Bestände aufgerissen und den Laubholzunterstand entfernt; wie allgemein kolportiert wurde, um den Kaufpreis zumindest weitgehend wieder hereinzuholen.

Die Neukulturen wurden und werden dann durch die staatliche Förderkulisse subventioniert. Ein typisches Ergebnis ist auf den Fotos zu erkennen: Windwurf, Vergrasung, misslungene Bestandesgründung. Wen kümmert´s.

Foto: Karl-Friedrich Weber

verkaufte Kiefernwälder 22-8-16 a

verkaufte Kiefernwälder 22-8-16 b

Derartige Bilder finden wir auch im öffentlichen Wald. Wir bewerten nicht in pauschalen Eigentümerkategorien, sondern stets am konkreten Fall. Es ist aber möglich, Tendenzen als Folge bestimmter Maßnahmen anzusprechen – hier dem Verkauf von öffentlichem Waldeigentum. (Kommentar vom  23.08.2016 zum obigen Beitrag)


18. 08. 2016 :

Wenn wir Bäume alt werden lassen, wie hier die zwei Kiefern in meinem Sommerrefugium im schwedischen Jämtland, erfahren wir, wie ihre wirkliche Gestalt und ihr Wesen sind.
Bei uns ist es forstliche Mode geworden, 80jährige Kiefernbestände mit einem durchschnittlichen Brusthöhendurchmesser (BHD) von 30 cm end zu nutzen, zuweilen, um danach auf den Kahlschlägen Eichenkulturen zu begründen, die bis zu 25.000 € pro Hektar kosten und die potenzielle Rentabilität des Folgebestandes für die folgenden weit über einhundert Jahre auffressen.

Wenn ich wissen will, wann eine Kiefer den BHD von 40 cm plus und damit ihre höchste Wertschöpfung erreicht hat, stelle ich mich neben den Baum und gleiche ihn mit meinem Oberkörper ab. Dazu benötige ich nicht einmal eine Kluppe – nicht zur Nachahmung empfohlen, wenn das mit ähnlicher Energiezufuhr verbunden ist, als ich sie mir leiste. :)

Foto: Karl-Friedrich Weber

KF Weber Kiefern 18-8-16

KF Weber Kiefern 18-8-16 b


15. 08. 2016 :

In der Forstgeschichte wurde immer wieder eine Vorzugsbaumart kreiert, die dann auch sämtliche Vorzüge hat … und fast stets zeigten sich später die Probleme.
Das hindert die Akteure auch heute nicht daran, die gleichen Fehler zu begehen. Das schwierigste Unterfangen ist nun einmal, aus der Erfahrung zu lernen – möglichst aus der eigenen, sofern man sie gemacht hat. Ich habe in meiner forstlichen Praxis den Fehler erkannt, den ich gemacht habe.

Die Heilsbringerin von heute ist die Douglasie, deren Anbaufläche gegenwärtig exponentiell zu wachsen scheint, kaschiert in eine Mischwald/Klimawald-Doktrin. Douglasienbestände werden oft mit einem sporadischen Buchenanteil begründet, der sich schnell verliert und die künftige Waldgesellschaft nicht entscheidend prägt. Das heißt dann trupp- und gruppenweise Einbringung von Douglasie in Laubwald, deren zielgerechter Vollzug und Erfolg in der Praxis weder tatsächlich kontrollierbar sein wird, noch kontrolliert werden kann. Reversibel ist es dann ohnehin nicht mehr. So wird der Standardfall sein.

Auf den Fotos ist eine so prognostizierte Entwicklung exemplarisch zu erkennen. Douglasienpflanzung auf Kahlschlagfläche in einem Buchen-Laubwaldgebiet auf Kalkstandort: Am gleichen Forstort das Bild eines ca. 60 Jahre alten Douglasienbestandes. Die ökologischen Zustände beider Flächen sprechen für sich.

Foto: Karl-Friedrich Weber im Oderwald bei Wolfenbüttel 2016

Douglasien 15-8-16 a

Douglasien 15-8-16 b

Douglasien 15-8-16 c


Anfang August 2016:

Greenwashing
Nachhaltigkeitsberichte sind die neue Form von Greenwashing der Staatsforstbetriebe wie Hessen-Forst, Niedersächsische Landesforsten und viele andere.

Die hochglanzbebilderten finanziell und personell aufwändig erstellten Hinweise auf gute Taten sind bei vertiefter Analyse oftmals eine Mischung zahlenbasierter scheinlogischer Selbstverständlichkeiten, in einen desinformierenden Kontext gestellte richtiger Aussagen, widerlegbarer Unwahrheiten und – bei Vorsatz – krasser Waldlügen.

Für Öffentlichkeit, Politik und Medien ist es schwer bis unmöglich, die Wirklichkeit in Bezug auf die waldpolitischen Entwicklungsziele Deutschlands herauszuarbeiten und beurteilen zu können. Dem sollen jedoch schließlich Informationen öffentlicher Sachwalter gegenüber einer Öffentlichkeit dienen, um deren Wälder es geht.

Der Autor und Waldexperte Norbert Panek aus Korbach spricht in seiner Internetseite http://www.wald-kaputt.de/wald-kaputt-aktuelles.html dieses Problem am Beispiel Hessen-Frost an: s. Panek-Post vom 01.08.2016


01. 07. 2016:

Marktprodukte unterliegen dem Marktgeschehen. Das ist eine Binsenweisheit. Holz ist eine Naturressource, deren Nutzbarkeit natürliche Grenzen gesetzt sind und die prinzipiell unvorhersehbaren Bedingungen unterliegt. Also alles ganz normal. Auf Herleitungen und Begründungen für sinkende Verlaufserlöse kommt es dabei nicht an. Kalamitäten wie Sturmereignisse oder Käferfraß sind zwar unvorhersehbar, aber umso wahrscheinlicher, je naturferner und damit instabiler die Wälder sind. Das wird dann gern mit Nachkriegshieben der Alliierten begründet. Lassen wir den Wahrheitsgehalt dieser Argumente einmal beiseite.

Ein Rückgang von Verkaufserlösen unter Bezug auf die Bilanzen vergangener Jahre ist auch nicht besonders aussagefähig. Die Frage danach, ob nicht vielleicht bisher über den Zapfen gewichst wurde und nunmehr die Höhe der Abnutzungsrate als zwangsläufige Folge nicht weiter durchzuhalten ist, war Gegenstand vieler kritischer Diskurse – ebenso wie nicht geklärt ist, ob und inwieweit die konkreten Zahlen stimmen, auf denen vermeintliche Nutzungspotenziale basieren.

Niedersachsens Wälder sind stark unterbevorratet. Das ist kein Naturereignis, sondern eine Folge der Art und Weise, wie Forstwirtschaft betrieben wurde und immer noch wird. Das hat auch Konsequenzen.

Betriebswirtschaftliche Bedingungen anderer Art sollten nicht ausgeblendet werden. Geldgewinne sind nicht nur eine Folge auskömmlicher Marktpreise. Gewinne werden auch gestaltet durch Kostenminimierung. Grundsätzlich kann festgestellt werden: Je naturferner ein Wald entwickelt ist, je kunstloser die Waldbaumethoden, je höher der technische Einsatz und von Infrastruktur, je geringer das Maß des Unterlassens, desto höher die Kosten. Das muss alles wieder hereinkommen. Altersklassenwälder sind teurer, als Dauerwälder. Jeder weiß das. Sonst wären nicht die gegenwärtigen waldpolitischen Entwicklungsziele fast unisono der „naturnahe, ungleichaltrige, mehrschichtige“ Wald mit hohem Altholzanteil. Wieviel Dauerwälder haben wir? Mehr als 3 – 5% der Fläche?

Wer Eichenaltbestände und mittelalte Kiefernbestände guter Wuchsleistungen im Kahlschlagverfahren weit vor ihrer höchsten Wertschöpfung abnutzt und dann um 20.000 EURO plus x pro Hektar für Kulturen aufbringen muss – die misslungenen Flächenteile nicht einberechnet – hat bei entsprechender Verzinsung die Rentabilität des Folgebestandes bereits aufgebraucht. Ein Waldbau, der ein Höchstmaß an investiver Kapitalbindung an den Anfang setzt, prägt den Betriebsweg kommender Jahrzehnte vor. Irgendwann schlägt alles durch auf die Bilanzen. Von den ökologischen Folgen sprechen wir hier nicht.

Ob sich der Finanzminister wegen der trotzdem noch als „ordentlich“ bezeichneten Gewinnabführungen der Landesforsten freuen kann oder nicht, häng auch davon ab, ob ihm sein Haushaltsproblem hier und heute näher steht, als ein potenzieller schleichender und weitgehend unbemerkter Substanzverlust seiner Ressource Wald.
Gewinn ist insofern relativ. Tröstlich ist jedoch, dass durch Verbleib von Holz im Wald prinzipiell kein Holzverlust entstehen kann. Die Vorstände der von mir betreuten Forstgenossenschaften hatten das seinerzeit erkannt. Ihre Haltung war haushälterisch. Sie waren das seit alten Zeiten so gewohnt. Der Zuwachs des verbleibenden Bestandes schafft höhere Wertschöpfungspotenziale, als das Geld, dass in den Verbrauch fließt und sich damit abnutzt.

Wie großartig wäre es, wenn einmal eine Aussage am Anfang stände: Ja, wir haben falsch gelegen und daraus gelernt. Das wäre das Ende der Kontroverse und der Beginn eines gemeinsamen Weges. Dazu gehört Format.
Warten wir es ab.

Karl-Friedrich Weber

( = Kommentar zum Artikel „Niedersächsische Landesforste beklagen Gewinnrückgang“ vom 30.06.2016 auf www.proplanta.de )


18. 05. 2016:

Fehlerkultur …

Fehler sind dazu da, dass wir sie machen, erkennen, richtig einordnen und dann bewusst vermeiden. So entsteht Erfahrung.
Das braucht seine Zeit. Wem nicht die Zeit gegeben wurde, Fehler zu machen, erwächst auch keine Erfahrung. Wald wird durch langfristige Prozesse bestimmt, die prinzipiell nicht vorhersagbar sind. Wir können uns ihnen nur durch Wahrscheinlichkeitsgrade nähern.

Nennen wir das ruhig eine Fehlerkultur. Das Gegenteil von Fehlerkultur ist, Fehler zu machen, sie bagatellisieren, verdrängen, ignorieren oder zu verschweigen. Oft ist dabei die Angst vor negativen persönlichen Folgen im Spiel. Das gilt für jeden einzelnen, aber auch für ein Kollektiv wie einen Betrieb, eine Verwaltung oder einer Zivilorganisation.

Deutschland ist da noch ein Entwicklungsland, im Gegensatz zu skandinavischen Betriebskultur, die einen Mitarbeiter lobt, wenn er einen Fehler gemacht und ihn erkannt hat. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – das ist für einen Produktionsablauf oft entscheidend über Gewinn oder Verlust.
Wir haben in unser Rechtssystem zwar das Vorsorge-, Vermeidungs- und Minimierungsprinzip eingezogen, aber noch längst nicht verinnerlicht. Beliebig benutzte Begriffe wie Nachhaltigkeit oder Naturnähe haben eine Wand aus Scheingewissheit errichtet, die weder naturwissenschaftlich noch philosophisch begründet ist.

Der Cluster Forst stellt sich in stets gesteigerter Form als makellos da und spürt nicht, wie er damit in Widerspruch zu den Intuitionen einer zunehmend aufmerksamen und beteiligten Öffentlichkeit gerät – obwohl diese Öffentlichkeit im Detail selten in der Lage ist, Scheinargumente von zutreffenden Informationen und Meinungen zu unterscheiden. Wohlverstandene Skepsis statt Gutgläubigkeit sind da grundlegende Maßgaben.

Diese allgemeine Intuition erweist sich langfristig als zielgenauer, als die Expertenwelt mit ihren vermeintlich zahlenbasierten Analysen, weil Zahlen die Ergebnisse subjektiv ausgewählter Parameter sind, der Interpretation unterliegen und in einen wohldefinierten Kontext gestellt werden müssen, um eine Aussage zu ermöglichen, die sich der Wirklichkeit zumindest annähert.

Wo chaotische Systeme hineinwirken, wie Klima- und Ökosysteme und ihre Stoffflüsse, werden Hypothesen schnell zu Kaffeesatzlesereien, die eine nicht vorhandene Erkenntnis suggerieren.

Einer meiner vielen waldbaulichen Fehler ist es gewesen, Störungen in mittelalten Kiefernbeständen mit Douglasie auszupflanzen. Ich habe den Waldbauexperten geglaubt, die damals wie heute die gleichen linearen Argumente benutzten.

Nach 33 Jahren liegen zumindest die lokalen Folgen offen. Klimawald, Strukturvielfalt, Biodiversität? Ich habe daraus Erfahrungen gesammelt – wohl zu spät.

Viele ähnliche Situation im Rahmen der Bewirtschaftung von Eichen- und Buchenwäldern haben mich über Jahrzehnte dahin geführt, genauer hinzuschauen und vor allem den systemischen Rahmen mit seiner prinzipiellen Dynamik und Ungewissheit nie aus den Augen zu verlieren. Irgendwann wird die Manipulation durch Sprache und Zahl immer augenfälliger und hochglanzformatierte Erfolgsberichte erweisen sich oftmals bereits beim ersten Querlesen als fatal.

Mir wurde von einem sogenannten Laien die Frage gestellt, bei welchem Anteil von nicht heimischen Baumarten der postulierte Klimawald erreicht sei, wenn doch der übrige Wald zumindest in den nächsten zwei Jahrhunderten weiterhin aus heimischen Baumarten aufgebaut sei, die doch wiederum dem Klimawandel zum Opfer fielen. Laienhafte Frage. Gute Frage. Antwort offen.

Auch das ist eine meiner ganz persönlichen Erfahrungen: eine richtig gestellte Frage ist viel wichtiger als das Abfordern einer falschen Antwort. Ein wissenschaftlicher Aufsatz gewinnt seine Qualität nicht durch seitenlange Quellennachweise, sondern durch seine Defizitanalyse. Ene Hypothese kann nun einmal niemals positiv bewiesen, sondern nur ganz oder teilweise widerlegt werden. Was wir nicht wissen, ist wichtiger für verantwortliche Entscheidungen, als Scheinwissen, das zu falschen Schlüssen führt. Und Wissen ist nicht mit Erkenntnis zu verwechseln, auch wenn sie sich teilweise bedingen.

Karl-Friedrich Weber

Fotos: Karl-Friedrich Weber
36-jährige Douglasienpflanzung

Fehler - 36j Douglasienpflanzung - 18-5-2016

der Kiefernbestand heute …

Fehler - Kiefernbestand - 18-5-2016

es ist nicht Aufgabe von Pensionären, die Arbeit forstlicher Führungskräfte zu erledigen, aber ihre außerdienstliche Pflicht, Missstände anzusprechen, ihre mögliche Ursache zu bezeichnen und das offen auszusprechen, was viele Forstleute in Deutschland nicht offen sagen können. [17.05.2016]


23. 04. 2016:

Ein zweischichtiger Buchenwald … was die Bundeswaldinventur als Fortschritt bezeichnet, ist tatsächlich die Fortführung des Alterklassenwaldes für die Dauer des nächsten Waldzyklus. Das postulierte Ziel eines ungleichaltrigen Dauerwaldes ist in weite Ferne gerückt.

Foto: Karl-Friedrich Weber

zweischichtiger Buchenwald 23-4-2016

Ganz kurz und zwangsläufig unvollständig: Ungleichaltriger Dauerwald ist nur langfristig erreichbar durch die Abkehr vom Schirmschlag und dem Erhalt weitgehend geschlossener Bestände, auch in höherem Bestandesalter. Das heißt auch, Streckung der Zielreifenutzung über 160 Jahre unter Inkaufnahme einer qualitativen Verschlechterung von Holzanteilen, die durch das Stärkenwachstum quer über alle Qualitätsklassen mehr als ausgeglichen wird. Weiterhin: Weiterer Vorratsaufbau. Einer flächig auflaufenden Naturverjüngung nicht durch Auflichtung nachgeben und keine Vornutzung im Zwischenstand.

21. 04. 2016:

Die Bundeswaldinventur 2012 hat aufgezeigt, dass sich wirkliches Starktotholz in den Jahren 2002 bis 2012 nicht vermehrt hat und nach Stand der Wissenschaft weit unterhalb des Grenzvolumens liegt, das für den Erhalt der Artenvielfalt von Totholzbewohnern unbedingt erforderlich ist.


20. 04. 2016:

schön von Hans-Albrecht Hewicker zu hören …

Nach dem Ende einer desaströsen Waldbauphase seines Vorgängers, in der die Böden großflächig durch Großmaschinen vergewaltigt, auf Großkahlschlägen der letzte Baumstumpf mittels Bagger gerodet und der humose Oberboden auf Wälle verfrachtet wurden, übernahm Hewicker das Eichenforstamt Lappwald im Landkreis Helmstedt.

Er praktizierte einen beispielhaften Waldbau, beobachtete, bevor er handelte, setzte auf Nutzung der biologischen Möglichkeiten, die in den dynamischen Waldentwicklungsprozessen implementiert waren und vertrat seine Thesen leidenschaftlich, auch gegenüber dem weitverbreiteten fachlichen Unverständnis so manches forstlichen Zeitgenossen.

Den überhöhten Rehwildbeständen sagte er den Kampf an und setzte die Abschüsse drastisch hoch, begleitet von schrillem Geheul der Empörten.

Viel zu kurz seine Zeit im Lappwald.

Heute wird wieder vergewaltigt, vor allem der malträtierte Boden. Die inzwischen 35 – 40jährigen Eichen-Monokulturen seines Vorgängers werden auf Gassen im 20-m-Abstand durch Harvester „gepflegt“. So kann mit dem Feinwurzelpotenzial möglichst effizient das befahren werden, was die Wuchsdepressionen dieser Bestände einigermaßen überlebt hat.

Wirkungsvoll ist er schon, der technische Fortschritt im Wald. Und Eichen-Lebensraumtypen sollen es auch werden, irgendwann – wird gesagt.

Hewickers Vorgänger wurde wegen seiner Tüchtigkeit in das Landwirtschaftsministerium geholt. Er trug fortan Biesen an der Uniformhose – bei jeder Gelegenheit. Das ist vergessen.

Der gute Ruf Hewickers als Waldbauer ist geblieben. Und die unseligen Bodenzerstörungen der Dämme-Rome-Phase vor seiner Zeit leider auch.

Boden bergisst zwar nichts. Aber was bedeutet schon eine Altlast – sie ist Vergangenheit, und über die zu reden ist rückwärtsgewandt. Der Cluster hat es vortrefflich gelernt zu schweigen.

Alles Gute für Sie, Hans-Albrecht Hewicker.

Karl-Friedrich Weber


20. 04. 2016:

„Förster und Waldbesitzer sollten durch angepassten Waldbau auf die Risiken des Klimawandels reagieren. Minister Meyer: „Ich empfehle, mehr standortgerechte, heimische und klimasichere Baumarten anzupflanzen, dort wo es der Standort erlaubt, in strukturreichen und naturnahen Mischbeständen mit Laubholz.“ [ anläßlich des Waldzustandsberichts 2015 ]

Was dem Minister von seinen Ministerialen in die Pressemitteilung geschrieben wurde, wirft Fragen auf:

Was ist angepasster Waldbau, was naturnahe Waldentwicklung? Wo erlaubt der Standort keine naturnahe Waldentwicklung?
Welche Risiken des Klimawandels führen zu welchem angepassten Waldbau? Welche identifizierten Risiken werden durch vermehrter natürlicher Entwicklung der Waldökosysteme besser minimiert?
Welche bunte Baumartenmischungen weitgehend unbekannter Waldgesellschaften aus der Retorte und deren walddynamischer Folgen sind heute Stand der Wissenschaft?

Was sind Mischbestände „mit Laubholz“? Etwa Douglasien mit Buchenbeimischung? oder vielleicht doch besser Eiche und Buche mit Beimischung der robusten heimischen Nadelbaumart Kiefer?

Drei Zeilen Antwort des Ministers, schlüssig klingend, und doch so viele Fragen.
Bürger bleibt wachsam und stellt Fragen!

Karl-Friedrich Weber


27. 02. 2016 :

Der Wissenschaftliche Beirat für Forstpolitik (WBW) hat am 18. Februar 2016 dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Peter Bleser, eine Stellungnahme durch dessen Vorsitzenden, Prof. Dr. H. Spellmann überreicht, wonach dieses Gremium der Deutschen Forstwirtschaft überwiegend gute Erreichung der Ziele der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung bescheinige. Das jedenfalls hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in den Verteiler gegeben.

Verbreitet wird „überwiegend“ die Zusammenfassung dieser Stellungnahme. Beim Studium des who is who dieses Gremiums ist der geneigte Leser schon geneigt zu registrieren, dass sich da „überwiegend“ die Deutsche Forstwirtschaft selbst bestätigt, ihre Ziele „gut“ erreicht zu haben.

Beim Einstieg in die Langfassung, erkennen wir, dass es sich bei der Stellungnahme um die Waldstrategie 2020 „im Spiegel der dritten Bundeswaldinventur“ (BWI) handelt – also um den Bezug zu einer Datensammlung, die selbst der Interpretation in Bezug auf Entstehung und Bewertung zugänglich gemacht werden muss. Von den etwa 60 Zielformulierungen, so heißt es, sei die Mehrzahl allgemein formuliert und gestatte keine Überprüfung ihrer Erreichung anhand der BWI. Eine solche Überprüfung sei nur für etwa ein Fünftel der Ziele zumindest partiell möglich.

Da sich die Waldstrategie auf die Zukunft richte, die BWI aber die Vergangenheit und die Gegenwart beschreibe, lasse sich nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Ziel bis zum Jahr 2020 erreicht sein werde oder nicht.

Eine zumindest definierte Wahrscheinlichkeit, wenn schon keine Vorhersagbarkeit für vier Jahre sei nicht möglich?

Allerdings scheint dem Gremium eine andere Vorhersagbarkeit möglich:

„Während Indikatoren im Bereich Biodiversität und Waldnaturschutz auf eine durchgängig positive Entwicklung verweisen, weisen die Indikatoren aus dem Bereich Eigentum, Arbeit und Einkommen langfristig eher auf eine Verschlechterung hin. Es bleibt der Politik vorbehalten zu entscheiden, wie sie mit diesen divergierenden Trends umgeht. enn ökonomische Ziele aber weiter Bestand haben sollen, vor allem vordem Hintergrund einer Umstellung auf Bioökonomie, sind technische Anpassungen und Kompensationsmaßnahmen notwendig.“

Diese aus Sicht des Kommentators abenteuerlichen Sätze auf Richtigkeit, Intention und Zielrichtung zu sezieren bleibt einer weiteren Analyse vorbehalten.

Deutlicher allerdings können sie kaum offen legen, wohin die Reise nach Auffassung dieses Gremiums gehen soll. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis aus dieser Stellungnahme – und dass da ein Berg gekreißt und eine Maus geboren hat … eine Zwergmaus.

Der Film „Kahlschlag im Buchenwald“ von REPORT MAINZ aus dem Jahr 2014 mag ein allgemeiner Beitrag zu dieser Problematik sein.

Karl-Friedrich Weber


15. 02. 2016 :

Kommentar anlässlich des Artikels „Modenschau für Edelholz: Auktionen für wertvollste Stämme aus Nordhessen“ in der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung vom  14.02.2016:

„…die besten Hölzer, die die nordhessischen Wälder zu bieten haben, sind jetzt wieder bei zentralen Auktionen versteigert worden.“ „Gemessen an den Gesamterlösen aus dem Holzverkauf von Hessen-Forst betragen die Einnahmen allerdings nur ein bis zwei Prozent.“

Da in allen Waldentwicklungsprogrammen der Bundesländer das Ziel der höchsten Wertschöpfung bei der Nutzung des Waldes festgeschrieben ist, kann der prozentuale Anteil der Einnahmen von nur ein bis zwei Prozent gemessen an den Gesamterlösen als Maß für die Ferne dieses Waldentwicklungszieles herangeführt werden.

Es bestätigt sich damit die Annahme vieler praktizierender Forstleute in den Revieren, dass die Wälder gegenwärtig weit vor ihrer höchsten Wertschöpfung genutzt werden. Dadurch entgehen der Allgemeinheit bezüglich der öffentlichen Wälder sowie der Volkswirtschaft insgesamt Wertschöpfungspotenziale in unbekannter und wahrscheinlich großer Dimension. Stattdessen wird die Argumentation einer gewinnschmälernden zunehmenden Anspruchshaltung der Bevölkerung und des Naturschutzes an den Wald durch den Cluster Forst und Holz ritualisiert.

Diese nationalökonomischen und betriebswirtschaftlichen Verluste werden nach unserer Kenntnis bisher nirgends quantifiziert. Forstwissenschaftliche Forschung, die diese Problemstellung zum Gegenstand hat, ist uns ebenfalls nicht bekannt. Für entsprechende Quellenhinweise wären wir dankbar.

Karl-Friedrich Weber


21. 11. 2015 :

„Nach einem Vierteljahrhundert als Förster habe ich mich endlich mit den Bäumen versöhnt.“ Zitat Peter Wohlleben

„Sein Buch steht seit Wochen auf den Bestseller-Listen, Wohlleben gibt Interviews, tritt in Talkshows auf, ist Gegenstand großer Magazingeschichten. Und die Deutschen lieben, was er sagt.“ Zitat über Peter Wohlleben

Im ersten Zitat finde ich mich als Forstmann nach über fünfzig Jahren im beruflichen und außerberuflichen Dienst an unseren Wäldern wieder. Ich habe Jahrzehnte benötigt, um mich von den beruflichen Fesseln meines forstlichen Paradigmas und der Innensicht soweit zu befreien, dass ich wenigstens zum Teil die Position des externen Beobachters und einer Außensicht einnehmen konnte

Das zweite Zitat beweist nicht etwa, dass die Deutschen den Wald verklärt beschrieben haben wollen und Peter Wohlleben entsprechend als Baumflüsterer einzuordnen sei. Es beweist eher, dass die wissenschaftlich gut unterlegte Botschaft von Wohlleben einfach nur in einer anderen als der Harvester-Sprache ausgedrückt werden kann, um dann die Menschen mit einem kleinen Buch zu erreichen, aus dem einfach nur Glaubhaftigkeit spricht. Und natürlich wird man die eine oder andere Aussage finden, über die diskutiert werden kann.

Den hochglanzgedruckten Druckwerken und Filmchen des Clusters fehlt diese Authentizität – sie ist einfach zu gelackt, um die Menschen zu erreichen und ihre Botschaften überzeugen nicht. Die unterlegte Fachlichkeit mit der Attitüde von Besserwisserei führt immer wieder zur Unterschätzung der Intuition vermeintlicher Laien.

Dass sich die Menschen dahin gezogen fühlen, wo sie Kompetenz und Authentizität spüren, ist ein ganz normaler Vorgang.

Karl-Friedrich Weber


21. 11. 2015 :

ein letzter Gruß …

Foto: Karl-Friedrich Weber

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17. 11. 2015 :

So sehen heute alte Buchenwälder aus, die aktuell als alte Wälder über 140 Jahre kartiert worden sind – einige pinselhafte Überhälter, darunter ein nachwachsender Altersklassenwald, der permanenter Pflegeeingriffe bedarf …

Wie heißt im Regierungsprogramm LÖWE der 6. LÖWE-Grundsatz? Verbesserung des Waldgefüges …

„Wald soll alt werden und soweit wie möglich einzelstamm- oder gruppenweise nach Hiebsreife genutzt werden.“ – „Je vorsichtiger und in kleinen Schritten dem Wald Holz entnommen wird, um so besser ist dies für gleichmäßige Energie- und Stoffumsätze und damit für das ganze Leben im Wald. Vor dem Hintergrund der Stoffkreisläufe einschließlich der CO2-Bindeung werden deshalb künftig alle flächenhaften Nutzungen zunehmend kritischer beurteilt werden müssen.“

das war 1991

Fotos: Karl-Friedrich Weber im Heinberg und im Elm 2015

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09. 11. 2015 :

Ein ganz gewöhnlicher Fall in Niedersachsens Landeswäldern

Teil 1
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Ich habe mir das Gespräch zwischen Peter Wohlleben und Michael Krons heute um 11.15 Uhr auf Phönix gern angesehen und wollte danach die Sonne ausnutzen, um schöne Waldbilder festzuhalten – so wie auf Bild 1.

Dieser Kiefernbestand in der Forstabteilung 2004 b im Forstamt Wolfenbüttel ist heute 61 Jahre alt.

Seine Bestandesdaten, die von den Niedersächsischen Landesforsten grundsätzlich als Betriebsgeheimnis bezeichnet und bisher nicht einmal an die Naturschutzbehörden herausgegeben wurden, lauteten gemäß Forsteinrichtung vom 1.10.2004:

Leistungsklasse 9, also 9 Vorratsfestmeter Zuwachs pro Hektar,
durchschnittlicher Brusthöhendurchmesser (in 1,30 Meter Höhe) 22 cm.

Das allgemeine Waldentwicklungsziel der Landesforstverwaltung für derartige Bestände lautet:

„Einschichtige bis mosaikartig mit Femelverjüngung der Kiefer, strukturierte weitgehend ungemischte Kiefernwälder mit wechselnden und unterschiedlich beständigen Anteilen heimischer Begleitbaumarten, u.a. Birke und Eberesche, seltener Eiche und Buche.“

Im konkreten Bestand sind diese Laubbaumarten reichlich vertreten (Bild 1 und 2).

Das Ernteziel ist Stammholz in 120 bis 160 Jahren bei einem Zieldurchmesser in Brusthöhe von 40 cm.
Dieser Bestand hat also noch mindestens 60 Jahre Zeit bis zu seiner Hiebsreife.

1999 wurden dem Bestand in einer Durchforstung 60 Kubikmeter pro Hektar entnommen, für das Alter eine viel zu große Menge.

Fünf Jahre später, 2004 wurden dem Bestand weitere 80 Kubikmeter entnommen. Das bedeutete fünf Jahre später eine derart brutale Entnahmemenge ohne jeden waldbaulichen Zweck, dass damit die Destabilisierung des Bestandes unweigerlich eigeleitet wurde.

In der Einrichtung 2004 wurde in der Folge festgestellt, dass nur noch 60% der Fläche mit Kiefern bestockt war.

Im Winter 2014 kam es, verursacht durch böige Winde, infolge des aufgelichteten Bestandes zu weiterem Einzelwindwurf.
(Bild 3)

Damit war trotz der grundsätzlich hervorragenden Wuchsleistung der Kiefer auf diesem Standort ein Wertschöpfungsgewinn für die folgenden 60 Jahre obsolet.
Durch Übernutzung weit über eine ggf. erforderlich Pflege hinaus wurde dieser Bestand wirtschaftlich geradezu hingerichtet.

Aus ökologischer Sicht allerdings waren die Laubbaumarten, die durch die Natur selbst – nämlich durch Wind, Vögel und Eichhörnchen – unter die Kiefern eingebracht worden waren, eine erfreuliche Entwicklung.

Fotos: Karl-Friedrich Weber

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Fördergelder bekommen die Landesforsten nicht. Der Eindruck besteht auch bei Forstkollegen im Dienst, dass es auch darum geht, die ohnehin sehr hohen Rückstellungen in den Jahresbilanzen nicht weiter anwachsen zu lassen. Auch der überzogene Wegeausbau – als Unterhaltung bezeichnet – selbst in Schutzgebieten und dort, wo in Jahrzehnten keine nennenswerten Holzmengen anfallen, wird in diesem Zusammenhang vermutet, wo er betriebsfachlich nicht erklärbar ist.

Ein ganz gewöhnlicher Fall in Niedersachsens Landeswäldern

Teil 2 und Schluss
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heute wollte ich mir in der Forstabteilung 2004 b, deren Naturalausstattung und Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren ich im Teil eins beschrieben habe, bei schönem Sonnenlicht anschauen.

Und dann fand ich diese Situation vor:

Sämtlicher Unterstand auf ca. 1,5 Hektar war niedergehäckselt worden. Die Fläche wurde mit schwerem Gerät ganzflächig befahren, der Mineralboden flächig nach oben geholt und der Humushorizont vollständig zerstört.
Baumstümpfe, wertvolle Lebensräume ungezählter Arten, waren, sofern es das eingesetzte Gerät schaffte, zerspant.

Offenbar dient diese totale Standortzerstörung als Vorbereitung einer maschinellen Pflanzung. Was gepflanzt werden wird, wissen wir noch nicht: Ist es Douglasie, wird man den neuen Wald als Klimawald bezeichnen, wird es eine Eichenpflanzung, ist es selbstverständlich eine Naturschutzleistung zum Erhalt des Eichen-Lebensraumtyps. An derartigen oder ähnlichen Zweckbehauptungen und Phrasen hat es bisher nicht gefehlt.

Argumente dafür, öffentliche Gelder zu verschwenden, Böden und ökologisch günstig zonierte Wälder zu Monokulturen gleich welcher Baumart zu machen und das Ganze dann als notwendigen naturnahen Waldbau zu bezeichnen, waren bisher wohlfeil.

Das alles ist gegen elementare Grundsätze des Langfristigen ökologischen Waldentwicklungsprogramms (LÖWE) in Niedersachsen gerichtet. Weder Betriebsleitung, noch die Rechts- und Fachaufsicht haben diese seit Jahren geübte Praxis jedoch bisher unterbunden. Im Gegenteil: Der Ministerpräsident von Niedersachsen, Stefan Weil, hat anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Landesbetriebs diesen als Edelstein bezeichnet, wahrscheinlich, weil er einige Millionen EURO sogenannter Überschüsse beim Finanzminister abliefert. Da hat ihm wohl wie gehabt irgendjemand aus der Ministerialbürokratie diesen Schwalm in das Redemanuskript geschrieben – bereit ein zweites Mal in diesem Jahr.

Der langfristige wirtschaftliche und ökologische Schaden am Wald der Bürger Niedersachsens ist nicht in EURO zu bemessen, und was nicht in EURO der Jahresbilanz zu bemessen ist, existiert auch nicht als Problem.

Fotos: Karl-Friedrich Weber

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[Silvia Roelcke:] Eines würde mich schon interessieren: Das muss ja irgendwo gelehrt werden, das muss ja irgendwo als Vorgabe da sein. Diese Art der Waldbewirtschaftung muss doch in irgendeiner Forschungsinstitution oder Hochschule „ausgebrütet“ worden sein. Das macht ja kein Förster einfach so mal aus einer Laune heraus in aller Heimlichkeit. Wer sind denn die, die das als „gute fachliche Praxis“ bewerben und verbreiten? Forstwirtschaft = „Holzacker-Wirtschaft“…

[Karl-Friedrich Weber / „Waldwahrheit“] Wenn vor allem auf Grund der derzeitigen Organisationsstruktur der Betriebe und des Personalabbaus auch die praktische Erfahrung ausstirbt, kommt es zu diesen Fehlentwicklungen. Dann gibt es bald auch keine gute forstliche Praxis mehr, weil auch die grundlegend abgesicherten Erkenntnisse schwinden oder nicht mehr durch geeignete Dokumentation verfügbar bleiben. Es schwindet einfach das Gedächtnis eines ganzen Berufstandes. Wer dieses Gedächtnis nicht mehr hat, vermisst es auch nicht. Und wenn man ihm permanent vermittelt, dass er der unhinterfragte Experte sei, betriebliche Kontrollen, wenn sie denn überhaupt stattfinden, zumindest nicht die notwendige Wirkung entfalten können, wirken diese Phänomene über viele Jahre, bis sie irgendwann zu Änderungen führen. Der bis dahin eingetretene Schaden wird so gut wie nie diskutiert, weil er selten quantifiziert wird und weil man sein eigenes Nest nicht beschmutzen darf. Deshalb stellen sich auch keine Lerneffekte und grundlegende Erfahrungen ein, die zu einer guten fachlichen Praxis werden können.


18. 09. 2015 :

Es trifft zu, dass Natura 2000 mit ihren zu erhaltenen „Lebensraumtypen“ auch Probleme aufwirft, die aus eher statischen Teilelementen erwachsen. Die Eichen-Hainbuchen-Lebensraumtypen sind ein Bespiel dafür, wie seit zehn Jahren mit einer „Erhaltungsbegründung“ die ökologisch desaströsen Kahlschläge fröhliche Einkehr gehalten haben, z.B. in den Niedersächsischen Landesforsten.

Entwickelt hat sich diese „Statik“ aus der leidvollen Erfahrung, dass nur überprüfbare und letztlich messbare Normen Schutzziele sichern, wo die Einsicht der Nutzer fehlt oder durch vielfältigen Tagedruck im Betriebsgeschehen gebeugt wird.

Gäbe es eine kollektive zielkonforme Einsicht, die nicht nur auf das Engagement Einzelner beschränkt wäre, würden sich statische Elemente und normierte Messgrößen im Naturschutz, die letztlich unzulängliche Versuche einer vorbeugenden Sicherung darstellen, vollständig erübrigen.
Die Wirklichkeit schreibt ein anderes Tagebuch.

Karl-Friedrich Weber

Eine wichtige Kritik an der Forstwirtschaft ist, dass diese in der Befangenheit ihres Paradigmas ihre Dogmen nicht grundsätzlich hinterfragt … das müssen deshalb Forstleute leisten, die gelernt haben, eine Art Außenwahrnehmung und kritische Distanz zu entwickeln. Für den Naturschutz gilt das in gleichem Maße. Er muss sehr genau unterscheiden lernen zwischen den Zielen anthropogener (Kultur-)Welten, die durchaus ihre Berechtigung haben, und einem Ziel, dass dem naturgesetzlichen (physikalischen) Prozess der Komplexität des Lebendigen so nahe wie möglich kommt, weil nur dadurch der Entropie entgegen gewirkt werden kann. Arten- und Biotopvielfalt sind dabei nur Hilfsbegriffe, die genutzt werden, weil das Ganze nicht gedacht wird. Wir müssen uns deshalb immer wieder in einer Einzelfallbetrachtung der Abwägung stellen, ob wir mit hohem dauerhaften Energie- und Kostenaufwand menschengemachte Biotope auf der Grundlage eines wahrscheinlich lückenhaften Leitbildes zu erhalten versuchen (was langfristig meistens nicht gelingt) oder verstärkt in Großflächen und Trittsteinen unter Beachtung stringender raumordnerisch gesicherter Kohärenz von Landschaften denken und uns davon überraschen lassen, was geschieht.


16. 09. 2015 :

Diesem bis 260jährigen Buchennaturwald im nördlichen Steigerwald sehen wir vordergründig nicht an, wie ungleichaltrig er ist und wie er dem forstlichen Dogma widerspricht, dass Buchenwälder bereits unterhalb 200 Jahren in die Zerfallsphase einträten, weshalb wir sie ab 140 Jahren wegen Verschlechterung der Qualität nutzen müssten.

Wir erkennen die vitalen und voll belaubten Kronen und einen Wertholzanteil, der weit über dem unserer herunter gewirtschafteten Buchenwirtschaftswälder liegt, in deren „Endstadium“ um 150 Jahren klägliche wipfeldürre Überhälter einsam von besseren Zeiten im Bestandesschluss künden.

Möglicherweise um dieser peinlichen Erkenntnis zu entgehen, werden selbst in FFH-Waldschutzgebieten die Buchen- und Eichenwälder ab 100 Jahren als Altholzbestände bezeichnet.

Fotos: Karl-Friedrich Weber

oben: Naturwald im Steigerwald
unten: „Buchenaltholz“ im Forstamt Liebenburg, Niedersachsen

Steigerwald hoch 16-9-2015

FA Liebenburg 16-9-2015


15. 09. 2015 :

Dauerwald und Altersklassenwald

Der Dauerwald ist das allgemein verfolgte waldbauliche Leitziel in Deutschland, weil er einer ökonomischen, betriebswirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit sehr nahe kommt.

Der Altersklassenwald ist als der Gegenpol das Kriterium einer betriebswirtschaftlich, ökonomisch und ökologisch negativen Forstwirtschaft. Und doch werden um 97% der Wälder als Altersklassenwald bewirtschaftet oder laufen für weitere lange Zeiträume als Altersklassenwälder in die kommende Waldgeneration hinein.

Die Bundeswaldinventur 2012 behauptet eine Gesamtzahl von Bäumen in deutschen Wäldern ermitteln zu können, liefert aber keine statistisch abgesicherte Daten über den tatsächlichen Flächenanteil mehr als zweischichtiger Wälder, die sich in Richtung eines Dauerwaldes entwickeln. Warum nicht, bleibt offen.

An diesen beiden Waldbildern auf den Fotos von 2015 lässt sich erkennen, worum es geht: Im Buchenwald-Foto aus dem Steigerwald lassen sich die vertikalen Schichtungen gut erkennen – auf gleicher Fläche steht eine lockere Verjüngung. Sie unterliegt der Wurzelkonkurrenz und verbleibt lange in einem Wartestadium, bis sich die Lichtverhältnisse kleinflächig ändern.

Das geschieht, sobald Buchen aus dem Zwischenstand, die dort viele Jahrzehnte verharren können, in den oberen Kronenraum aufzusteigen vermögen – immer dann, wenn es wie im Urwald einen der „Windbrecher“ dort oben erwischt hat oder, in der Dauerwald-Betriebsform, die Einzelstammnutzung eines dieser reifen Riesen erfolgt. Das ist höchste Wertschöpfung, höchste Vorratshaltung und höchste biologische Komplexität des Systems Buchenwald.

Das Gegenteil erkennen wir auf dem zweiten Foto: In diesem aktuell noch immer als Altbestand über 140 Jahre kartierten 160jährtigen Buchenbestand im FFH-Gebiet Nordwestlicher Elm (Forstamt Wolfenbüttel) wurde der Altholzvorrat in den letzten fünfzehn Jahren auf eine geschätzte Bestockung von max. 0.3 – 0.4 halbiert – betriebswirtschaftlich unter extremen Wertschöpfungsverlusten, ökologisch unter drastischer Verschlechterung des günstigen Erhaltungszustandes, den die FFH-Richtlinie und deutsches Recht vorschreiben.

In der Kartierung und Bewertung für den Managementplan, der durch das Niedersächsische Forstplanungsamt erstellt wurde (das wiederum dem betriebswirtschaftlich geführten Landesbetrieb unterstellt ist), wird dann alles zu einem Erhaltungszustand B (guter Erhaltungszustand) verschleiert. Auch das ist europarechtswidrig. Der Einblick in die Naturaldaten (Alter und Vorrat der Bestände, Nutzungsmenge etc.) werden mit dem Hinweis auf Betriebsgeheimnisse strikt verwehrt. Ein Einvernehmen mit den zuständigen Naturschutzbehörden ist zehn Jahre nach Meldung des FFH-Gebietes an die EU-Kommission nicht erfolgt. Wegen dieser Defizite auch in den Landeswäldern Niedersachsens läuft gegenwärtig ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission.

Dieses rechtswidrige Vorgehen kennzeichnet die Wirklichkeit: Wenn sich selbst in europäischen Schutzgebieten am waldbaulichen Entwicklungsideal nicht orientiert wird, haben die Buchenwälder außerhalb dieser Gebiete erst recht keine Chance, den waldpolitischen Leitbildern der Gesellschaft und gemäß der internationalen Verpflichtungen entwickelt zu werden.
Das ist Waldbau ganz unten. Und niemand schreitet offenbar ein.

Die wenigen erhaltenen wirklich alten Wälder in Deutschland, bewahrt durch die Einsichtigkeit einzelner Forstleute, die oft genug Subjekte persönlicher Angriffe und Diffamierungen waren oder sind, zeigen uns die natürliche Dynamik auf, die wir in nahezu sämtlichen Wirtschaftswäldern verloren haben.

Damit sind auch die Bilder verschwunden, an denen sich junge Forstleute überhaupt noch orientieren zu können. Wer kann noch verinnerlichen, wie Wald wirklich aussieht? Fehlen diese Bilder, werden waldbauliche Handlungen schnell zu einem Stochern im Unbegriffenen; auch eine große berufsständische Tragik und eine Frage an die Verantwortlichkeit einer Führungselite, aber auch an die Rechts- und Fachaufsicht der Regierungen, die einer Gesellschaft verantwortlich sind, von der sie alimentiert werden.

Foto: Karl-Friedrich Weber
1) 260jähriger Buchenreliktbestand im Steigerwald
2) Abt. 47a, 160j. Buchenbestand im Forstamt Wolfenbüttel (Elm)

Dauerwald Steigerwald 14-9-2015

Dauerwald Wolfenbüttel 14-9-2015


20. 03. 2015 :

Wer hindert einen 170jährigen Stieleichenbestand eigentlich daran, 250 Jahre alt zu werden und dann Starkholz mit höchster Wertschöpfung zu sein?

Und die Buche, die sich einfindet, wenn der Kronenschluss unterbrochen wurde?
Lasst sie doch wachsen und entscheidet in den kommenden 60 bis 80 Jahren, wo im Wege der Vornutzung Lochhiebe für eine Eichenverjüngung sachgerecht sind. Das entspräche weitgehend der Dynamik natürlicher Eichenmischwälder nach KORPEL und ist praxisbewährt. Für Primitivwaldbau im Kahlschlagverfahren wäre da kein Raum.

Foto: Karl-Friedrich Weber

Eichenwald m Buchenverjüngung 20-3-15



13. 02. 2015 :

Selbst naturnahe Waldwirtschaft stört biologische Prozesse

Teil 1

Neue Forschungsergebnisse bestätigen, dass es trotz naturnaher Waldwirtschaft nicht nur zum Verlust von Arten kommt, sondern dass auch natürliche Prozesse und funktionale Artengemeinschaften aus dem Gleichgewicht kommen.

Die Zeitschrift AFZ-DerWald 3/2015 hat einen Beitrag von C.BÄSSLER und J.MÜLLER veröffentlicht, der bestätigt, was längst Stand des Wissens ist: Jeder menschliche Eingriff in biologische Prozesse auch die der Wälder führt zu negativen Störungen des Systems – mehr oder weniger.

Die wesentlichen Thesen:

1. Zentrale Merkmale einer naturnahen Forstwirtschaft sind der weitgehende Verzicht auf Kahlschläge, die einzelstammweise Nutzung, der Erhalt und die Förderung natürlicher Baumarten eines Standortes, sowie die natürliche Verjüngung der Bestände.

2. Trotz des klar definierten Zieles des Erhalts und der Verbesserung der biologischen Vielfalt im Rahmen der naturnahen Forstwirtschaft weisen immer mehr Studien darauf hin, dass auch diese Bewirtschaftungsform in der Regel zum Verlust von Arten und zu deutlichen Veränderungen in der Zusammensetzung von Artengemeinschaften führt.

3. Insbesondere die Arten der lichten Waldphasen, wie sie typischer Weise nach Störungen wie Windwurf oder Lawinen auftreten, werden durch die gezielte Vorausverjüngung bereits im frühen Alter ihrer Lebensgrundlage beraubt und sind heute oft besonders gefährdet. Ähnliches gilt für Arten mit Bindung an starkes Totholz oder Großhöhlen.

4. Der Slogan der naturgemäßen Waldwirtschaft „das Schlechte fällt zuerst“ hatte katastrophale ökologische Folgen.

5. Die Veränderung von Artengemeinschaften kann erhebliche Konsequenzen auf ökosystemare Prozesse haben, da es die Eigenschaften der Arten sind (z.B. enzymatische Aktivität zur Zersetzung organischer Substanz), welche die wesentlichen Ökosystemprozesse (z.B. Nährstoffkreisläufe) in Wäldern steuern.

6. Es gibt mittlerweile Hinweise darauf, dass die Artenzahl an sich nur ein sehr ungenügendes Maß ist, um solche Ökosystemaren Veränderungen zu erkennen und dass es demzufolge wichtig ist, Eigenschaften („funktional“) von Arten zu berücksichtigen.

7. Anhand der funktionalen Veränderungen in Lebensgemeinschaften lässt sich viel rascher erkennen, welche Arten benachteiligt sind und welche Prozesse verändert werden.

Selbst naturnahe Waldwirtschaft stört biologische Prozesse

Teil 2

8. Pilze und Holzkäfer sind an wesentlichen Prozessen im Wald beteiligt, so z.B. an der Primärproduktion (Mykorrhiza Pilze) oder am Holzabbau.

9. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich die funktionalen Gemeinschaften in Buchenwäldern Europas trotz naturnaher Forstwirtschaft bei steigender Nutzungsintensität deutlich verändern.

10. Im Steigerwald wurde ein breites Spektrum an Pilzarten durch den Mykologen Heinz Engel auf rund 70 Probeflächen im Buchengebiet erfasst. Dieses Waldgebiet zeichnet sich durch einen für Mitteleuropa einmaligen Nutzungsgradienten aus, von urwaldartigen Reservaten bis hin zu intensiv gepflegten, wertholzreichen, reifen Wirtschaftswaldbeständen.

11. Die Ergebnisse zeigen, dass Frostwirtschaft, auch wenn sie vorbildlich und schonend im Sinne eines „naturnahen“ Konzepts betrieben wird, die Kräfte des Zusammenlebens verschiedener Pilzarten deutlich verschieben.

12. Bereits die einzelstammweise Nutzung wirkt dabei als Filter, der bestimmten Arten das Überleben erschwert.

13. Die Verhältnisse von Pilzen unterschiedlicher Funktion (Streuabbaupilze versus Ektomykorrhizapilzen) verschieben sich entlang des Nutzungsgradienten.

14. Große Käferarten und Pilzarten, welche große Fruchtkörper ausbilden, nehme durch die Nutzung ab.

15. Zusätzlich fallen Käferarten mit der Nutzungsintensität aus, die an starkes Totholz sowie an Totholz der späteren Zersetzung gebunden sind.

16. Die Filterwirkung der Nutzung wird daran deutlich, dass ausbreitungsstarke Arten (r-Strategen) bei den Pilzen mit der Nutzungsintensität zunehmen.

Selbst naturnahe Waldwirtschaft stört biologische Prozesse

Teil 3

Konsequenzen für Praxis und Wissenschaft:

17. Naturnahe Forstwirtschaft ist gegenwärtig nicht in der Lage, natürliche Lebensgemeinschaften und Prozesse vollständig zu erhalten. Selbst Einzelbaumnutzung zeigt nachweisliche Habitatfiltereffekte.

18. Naturnahe Forstwirtschaft führt aktuell nicht nur zum Verlust seltener Arten, sondert verändert auch Arten- und funktionale Gemeinschaften. Diese Veränderungen führen zu veränderten Ökosystemfunktionen, welche Ökosystemdienstleistungen herabsetzen könnten.

19. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es notwendig, gezielt experimentelle Versuchsflächen anzulegen, um die Auswirkungen verschiedener Nutzungskonzepte quantifizieren zu können.

20. In genutzten Wäldern könnten die oben aufgedeckten Schwächen mithilfe starken Totholzes in lichten und dunklen Partien sowie einer Entwicklung von starken und alten Bäumen verbessert werden.

21. Um Refugien für die sensiblen Arten zu erhalten, sind Ausweisungen von Schutzgebieten unterschiedlicher Größe erfolgreich.


Zum Thema Waldschadenserhebung

29. 08. 2013 :

Altes in neuem Gewand?

ein Kommentar von Karl-Friedrich Weber

Die bisherigen Erfahrungen zu Datenerhebungen in Wäldern machen deutlich, dass die Festlegung der Erhebungsgrundlagen und ihre Interpretation nicht denjenigen allein überlassen werden dürfen, die in direkter oder mittelbarer Abhängigkeit zum Cluster Forst und Holz in den Ländern stehen und der nach wie vor unbeirrt von der zunehmenden öffentlichen Diskussion um den Wald von einem prioritären geldwirtschaftlichem Interesse geleitet wird.

Das gilt auch für Länderregierungen mit grüner Kompetenz, die betroffen und ratlos macht.

Das gilt auch für herangezogene freischaffende externe Kartierer in ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von interessengebundenen Auftraggebern, die durchbrochen werden muss.

Die bisher erfolgte Waldschadenserhebung macht deutlich, dass mit ihr die Indikatoren bekannter und potenzieller Schadensursachen weitestgehend unberücksichtigt blieben, sobald sie einer unangepassten Frosttechnik, negativer Bodenveränderungen durch Befahren und der Zerstörung des Bestandesgefüges durch die Entnahme zu hoher Holznutzungsmengen in definierten Zeitabständen zuzuschreiben waren.

Das wird sich auch in einem neu gearteten Umweltmonitoring nicht tatsächlich wirksam verändern, wenn dessen Bedingungen ausschließlich durch forstliche Versuchsanstalten, weisungsgebundene Forsteinrichtungsämter oder bundesbehördliche Institute geformt werden, wobei sich selbst Fachinstitutionen des Naturschutzes in der ihnen zugewiesenen Alibifunktion gegenüber den eingefahrenen Apparaten des Clusters bisher kaum als Korrektiv erweisen – manchmal im Gegenteil …

Wenn die Politik daran interessiert ist, interessenunabhängige Datengrundlagen für ihre politischen Entscheidungen zu erhalten, muss sie selbst verantwortlich die Bedingungen der Datenerhebungen und ihre Auswertung vorgeben. Sonst wäre nichts gewonnen, sondern alles nur ein subtil verfeinerter Fortschritt von Desinformation und nicht von Erkenntnisqualität.

Antwort auf die Frage, ob das Problem der Interessenverquickung bei den Zuständigen bereits erkannt wurde:

Jeder, der Verantwortung trägt, kann es erkennen oder muss es zumindest berücksichtigen, da es sich um ein allgemeines Phänomen handelt, das bewusst vermieden werden kann und muss. Geschieht das nicht, ist es gewollt oder wird bewusst akzeptiert. (29.12.2013)


28. 11. 2013 :

Kommentar:

(Zum Artikel „Der Wald ist auf dem Weg der Besserung“ in der Mittelbayerischen Zeitung (MZ) vom 27.11.2013)

Dieser Forstamtsleiter macht auf seinem Waldbegang ein zufriedenes Gesicht – alles im Lot, die Waldschäden sind zurückgegangen; andere malen ihr düsteres Klimaszenarium – jeder so, wie es in seine Interessenlage passt. Kaum etwas ist so windelweich dehnbar, wie das Ergebnis sogenannter Waldschadensberichte. Als wenn der Kronenzustand – gemeint ist der Belaubungszustand – ein allein abschließend bewertbares Kriterium wäre, das zu seriös abgesicherten Tatsachenbehauptungen führen könnte. Zwischen Wissenschaft, Statistik und Kaffeesatzleserei ist alles vorhanden auf dem Markt der Glaubensfragen und einem soliden Stand der Wissenschaft.

Schön, dass es nach diesem Bericht der Kiefer so gut geht – danach ist sie eine tolle Baumart, die offenbar genügend phänotypische Variationen aufweist, um Klimaveränderungen zu trotzen.

Warum dann eigentlich Douglasienanbau auf vielen Kiefernstandorten? Aus Gründen der Klimaveränderung oder einer höheren Massenleistung?

Karl-Friedrich Weber


18. 12. 2013 :

Bis der Politik klar ist, was sich hinter den Wolken glatter Phrasen in den Wäldern tatsächlich abspielt, wird es zu spät sein – wir werden dann zurückschauen und uns einmal mehr fragen, wie das geschehen konnte – aber nur einen Wimpernschlag lang … dann wird es heißen, geschehen ist geschehen, wir müssen nach vorne schauen. Wer rückwärts schaut, ist von gestern.

Diejenigen aber, die in vollem Bewusstsein handeln, werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die gesetzlichen Grundlagen sind vorhanden. Darauf hinzuweisen, wird in den elitären Fachbehörden- und Bürokratiesystemen unseres Rechtsstaates als unverschämte Anmaßung gesehen. Und so machen sie einfach unbehelligt weiter – ganz gleich ob rot-grün, schwarz-grün oder schwarz-rot. Sie sind austauschbar.


11. 11. 2013 :

…leider beobachten wir das Phänomen, dass, wenn der Preis fällt, um so mehr Holz eingeschlagen wird, um auf einen vorab definierten monetären Ertrag zu kommen. Hierdurch wird deutlich, wie wenig es vielfach um Nachhaltigkeit und wie sehr es bereits um geldwirtschaftliche Gewinnmaximierung in der Forstwirtschaft geht. Nicht das System Wald steht dann dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen, sondern der Rohstoff Holz und seine mengenmäßige Bereitstellung im Rahmen einer Kurzzeitökonomie.


24. 11. 2013 :

das gefährlichste Wissen ist Halbwissen von Menschen in Verantwortung, die sich selbst überschätzen …


21. 11. 2013 :

„Durch den Klimawandel ist eine zusätzliche Bedrohung entstanden. Nach Einschätzung der Experten kann sich der Wald nicht mehr selbst regenerieren, die Veränderungen sind zu rasant“, so die Aussage.

Woher wissen „die Experten“ das?
Sie wissen es natürlich nicht, weil alle abgesicherten Beweise fehlen. Sie schätzen es ein – mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad?

Der Wald kann sich also nicht mehr selbst regenerieren. Ohne die Hilfe der Experten also keine Rettung des Waldes. Das ist die Linie. So setzt man sich in Szene. So wird man unentbehrlich.

Auch hier wieder keine einzige Aussage zu den Bodenverdichtungen als Folge heutiger Bringungstechnik auf einem Viertel bis Drittel der Waldbodenflächen – kein Satz zu den aufgerissenen Buchenaltbeständen durch Nutzungsintensivierung mit der Folge der Erhöhung von Temperatur und Verdunstungsraten. Der Klimawandel scheint zu einer Begründung zu werden, die weitere Fragen nicht mehr zulässt, weil mit ihm alles Begründet ist.


17. 11. 2013 :

Selbst die Fachwelt neigt immer noch dazu, die Diskussion um Begriffe wie Waldsterben oder Walderkrankungen auf die vier sogenannten Hauptbaumarten und ihren phänotypischen Zustand zu fokussieren, also Eiche, Buche, Fichte und Kiefer.

Über den Zustand der gesamten Waldbiozönose in ihrer unüberschaubaren Artenvielfalt hören wir sehr wenig. Das ist zu erwarten angesichts des geringen Kenntnisstandes und der großen Forschungsdefizite; abgesehen von den kleinen Fenstern, die hier und da geöffnet werden, ist es immer noch eine Nischenforschung, die von Förderung dritter Institutionen lebt, während die Landesforstbetriebe wie in Niedersachsen als Ergebnis ihrer Übernutzungen hohe Millionensummen als Rückstellungen horten.

Eines der Ergebnisse ernsthafter und vor allem nutzungsunabhängiger Forschung ist, das sich immer neue ungelöste Fragen ergeben, deren Beantwortung für das Verständnis der Zusammenhänge von unverzichtbarer Bedeutung ist. Dafür fehlen die Mittel.

Es ist noch nicht bewiesen, ob wir uns von dem Begriff des Waldsterbens verabschieden müssen, wenn wir uns von der Betrachtung der Belaubungszustände weniger Baumarten hin zum System Wald begeben. Dann bekommen sämtliche biotischen und abiotischen Elemente in ihrem Zusammenhang das Gewicht, das ihnen zukommt.

Die Wahrscheinlichkeit eines schleichenden irreversiblen Sterbeprozesses dessen, was wir als Wald bezeichnen, ist noch nicht widerlegt – jedenfalls nicht dadurch, dass wir einfach die Begriffe austauschen und statt Waldsterben einfach von Walderkrankungen reden. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt das Vorsorgeprinzip, weil wir uns nicht irren dürfen.

Vor diesem Hintergrund gleichen manche Wege der heutigen forstwirtschaftlichen Nutzungsentwicklungen einem Blindflug, der bei den politischen Entscheidungsträgern alle Alarmsirenen auslösten müsste.

Karl-Friedrich Weber


16. 11. 2013 :

Die Stickstoffeinträge in unsere Wälder sind ein gravierendes Problem. Insofern stimmt die Meldung. Was jedoch in der Meldung einmal mehr nicht benannt, sondern bewusst unterschlagen wird, ist der große Anteil an der Destabilisierung unserer Wälder durch eine unangepasste Forstgroßtechnik. Schäden an bis zur Hälfte aller Bäume durch Befahren der Feinstwurzeln auf einem viel zu dichten Rückegassen-Netz mit tonnenschweren Forwardern oder die Wiederkehr einer Kahlschlagwirtschaft, die zu Treibgaseffekten führt und die angrenzenden Wälder unmittelbar schädigt sowie die vorzeitige Nutzung alter Waldphasen; schade, dass der Minister hierzu keine Aussage macht, obwohl ihm das Problem bekannt ist. Das Verschweigen und Verharmlosen waren wir bisher nur von der Vorgängerregierung gewohnt.

08. 11. 2013 :

EU-Bürger wollen mehr Naturschutz
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Das Ergebnis der neuen Umfrage bestätigt einmal mehr, dass die Bevölkerung der europäischen Gesellschaften ein immer größeres Gewicht auf den Erhalt der biologischen Vielfalt legt.
Biodiversität ist eine Zukunftsressource der Menschheit. In Deutschland sind es die Wälder als die natürlichen Ökosysteme, die zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten.

Biodiversität ist wesentlicher Teil der Gesamtressource Wald, die vorrangig als Lebensraum und nachrangig als Rohstofflieferant zu erkennen ist. Sie ist die eigentliche künftige Nutzfunktion für die Gesellschaft.

Der öffentliche Wald hat diese Funktionen vorbildlich zu erfüllen. Die postulierte Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Nutz-, Schutz- und Erholfunktion des Waldes, wie sie in den Waldgesetzen formuliert ist, hat bisher niemand konkret definieren können. Sie ist eine beliebig interpretierbare Leerformel geblieben. Und sie ist auch falsch.

Es gibt eine klare Prioritätenfolge. Die Ressource Wald ist bis über ihre Leistungsgrenzen hinaus strapaziert. Wer das nicht erkennt, ist ignorant. Ihr zu ermöglichen, sich zu regenerieren und im Rahmen naturgesetzlicher Bedingungen zu entwickeln, ist die heutige und künftige zentrale Aufgabe.

Die möglichen Nutzungspotenziale, darunter auch die Rohstoffnutzung, haben sich an den Grenzbedingungen auszurichten, die einzuhalten sind. Der gegenwärtige Einsatz von forstlicher Großtechnik und ihrer maschinengerechten Infrastruktur der Wälder, unter anderem die Rückkehr des Kahlschlags und deren bodenzerstörenden Folgen, sind gegenläufige Entwicklungen. Die natürliche Folge ist, dass der organisierte oder individuelle Widerstand der Gesellschaft gegenüber geldwirtschaftlich dominierten Nutzungspraktiken weiter zunehmen wird.
Für die forstwirtschaftlichen Trendsetzer sollte deshalb gelten: Nicht erfolglos zu versuchen, mit einer durchschaubaren Schönfärberei dagegen zu halten, sondern den gesellschaftlichen Bewusstseinsprozess positiv aufzunehmen und ihn fachlich zu bereichern. Dann hätten sie viel weniger Kritiker zu beklagen, sondern viel mehr Befürworter zu begrüßen.

Karl-Friedrich Weber


 04. 11. 2013 :

Die Situationen gleichen sich inzwischen überall in Deutschland: Bevölkerung und Politik stellen eine zunehmende Nutzungsintensität in den öffentlichen Wäldern fest und nehmen sie als Übernutzung im übergeordneten Sinne wahr. Die Waldwirtschafter selbst sehen alles im grünen Bereich und verweisen auf den Umstand, dass weniger eingeschlagen werde, als zuwachse. Hauptproblem sind eine Argumentationslinie auf unterschiedlichen Ebenen und die unterschiedliche Benutzung von Begriffen wie Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.

So wird aneinander vorbei geredet, überwiegend unbewusst – teils jedoch mit vollem Kalkül.


24. 10. 2013 :

das war es …
ich war einmal so etwas wie ein Buchenwald im Elm … wie heißt es? Wir nutzen weniger als zuwächst – stimmt, wo es nichts mehr zu nutzen gibt …

Foto: Karl-Friedrich Weber

Elm-Stelle mit kläglichen Rest-Buchen 24-10-2013


24. 10. 2013 :

Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null und das nennen sie ihren Standpunkt (Albert Einstein)

Foto: bekannt Plünderzug im Elm 2012

Elm - Plünderzug 24-10-2013


24. 10. 2013 :

Es ist nichts furchtbarer anzuschauen als grenzenlose Tätigkeit ohne Fundament – J.W. Goethe

Foto: Karl-Friedrich Weber

in einem Eichenwald und faktischem Vogelschutzgebiet bei Braunschweig

Eichenwald-Ernte bei Braunschwg 24-10-2013


21. 06. 2013 :

Ganz pfiffige forstliche Führungskräfte markieren drei bis sechs Habitatbäume oder was sie dafür halten. Noch klügere rechnen die Flächen, die diese Bäume auf ihrem Standort beanspruchen, zusammen und erklären stolz, dass sie bei soundsoviel virtuellen Habitatbäumen multipliziert mit deren Fläche die zehn Prozent geforderten nutzungsfreien Wälder z.B. im Landeswald locker erreichen.
Toll – aber was ist, wenn der Wald diese Dramaturgie der Regisseure nicht mitmacht? Dann sterben die Buchen einfach sachte nacheinander, stehen einige Jahre tot über dem nachwachsenden Jungbestand und bereichern noch die Totholzbilanz, und dann sind sie schließlich auch verschwunden …

Danach können wir immer noch behaupten, dass über zehn Kubikmeter pro Jahr und Hektar zuwachsen. Alles ist wahr. Wahr ist aber auch, dass wir in den darauf folgenden hundert Jahren von naturnahem Buchenwald nicht mehr reden müssen.
Auch gut, wenn sich ein Problem dadurch einfach erledigt hat.

Foto: Karl-Friedrich Weber

Elm-Stelle mit kläglichen Rest-Buchen 24-10-2013


21. 12. 2012 :

Wahltag ist Zahltag?

Ein Essay von Karl-Friedrich Weber
erschienen in der Umwelt Zeitung – Umweltmagazin für die Region Braunschweig – des Umweltzentrums Braunschweig e.V. Jan./Feb. 2013 www.umweltzeitung.de

Vor Wahlen sind sie da, die politischen Kräfte, mit ihren gesellschaftlichen Anliegen und Eigeninteressen, die kaum voneinander zu trennen sind. Denn ohne persönlichen Ehrgeiz und Streben nach Einfluss geht es nicht, auch nicht dann, wenn aus Überzeugung ideelle Ziele verfolgt werden. Deshalb haben wir eine Verfassung, die Gewalten kontrollieren, staatsgefährdende Machtkonzentrationen verhindern und das Primat des Wählers garantieren soll.
Moderne Staatswesen sind für Bürger schwer zu durchschauen. Und trotzdem gibt es so etwas wie die Gesamtheit der Affekte eines Wahlvolkes, zwar nicht vergleichbar mit der „Schwarmintelligenz“ vieler Tierarten, aber in Teilen ähnlich wirksam und nicht zu unterschätzen. Davor fürchten sich Politiker mit Recht. Vor Wahlen wird aufgearbeitet, was geschehen ist und was versäumt wurde. Natürlich stehen die parlamentarischen Mehrheiten im Focus und die Regierungen der durch sie gewählten Ministerpräsidenten, die politischen Willen und geltendes Recht umzusetzen haben.

Aber auch das Verhalten der Opposition, die ja zur Mehrheit werden will, ist nicht minder bedeutsam für den Wahltag, den einzigen Tag, an dem Bürger eine unmittelbar wirkende Entscheidung treffen können. Nichts verstärkt die beklagte Staatsverdrossenheit tiefgehender, als eine Opposition, die zur Mehrheit wird und sich nicht mehr daran erinnern kann, was sie in ihre Programme geschrieben hat. So bekommt der Slogan „Wahltag ist Zahltag“ seinen Beigeschmack – abzulesen an sinkenden Wahlbeteiligungen im Land und in den Kommunen.

Zum Beispiel die Phrase „Nachhaltiger Umweltschutz“: Da steht nun alles, vom Artikel 20a Grundgesetz beginnend, in zahllosen Gesetzen, Verordnungen, Vereinbarungen, Richtlinien, Erlassen – geregelte Zuständigkeiten bis ins ausgeformte Detail, manchmal in grotesker Widersinnigkeit.

Zum Beispiel Naturschutz: Gemeint ist der Schutz von Boden, Wasser, Luft als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und der Menschen. Wie sieht dieser Schutz aus im niedersächsischen Flächenland der übernutzten Wälder und umgebrochenen Moore, Gülle geschwängerten Regionen der Massentierhaltung und Mais-Kulturlandschaften, darüber die neuen Windenergieanlagen, Objekte kapitalistischer Gewinnsucht und Hoffnung auf eine bessere Energiezukunft.
Es gab Aufbruchsstimmung in Niedersachsen. Dann wurde der ex-Schulleiter und Erdbeerbauer, Hans-Heinrich Sander, zum Umweltminister ernannt, eigentlich ein verhinderter Landwirtschaftsminister nach eigenem Bekunden. Man kann seine Klientel auch im Umweltressort bedienen, vielleicht sogar besser. An die Stelle der bisherigen „elitären Naturschützer“, wie er sie nannte, setzte er das Wirken der „echten Naturschützer – Jäger, Bauern, Grundeigentümer“. Frisch zur Tat: Die Auflösung des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie war der Beginn. Es ging nicht um Reformierung, es ging um Signale an die Klientel, es ging um Zerschlagen und Aufräumen. Wer qualifizierte und kritikfähige Behördenleiter durch Opportunisten ersetzt, hat bald leichtes Spiel. Der weiß auch um das Schweigen der übrigen Lämmer. Das NLWKN, als Folgekonstrukt der alten Fachbehörde ist so konturlos geblieben wie sein unaussprechlicher Name.
Das reicht jedoch nicht, solange gesetzlich anerkannte Umweltverbände als Elemente der Zivilgesellschaft in der Lage sind, einen öffentlichen Diskurs zu führen. Deshalb musste die bescheidene institutionelle Grundförderung für die zivilgesellschaftliche Übernahme öffentlicher Aufgaben fallen. Stattdessen wurden die Projektförderung und das entsprechende Antragswesen entwickelt. Projekte kann ein Minister medienwirksam einweihen.
Man bekommt diesen „elitären Naturschutz“ ohne Mühen an den Tropf und kann sich trotzdem mit deren Erfolgen schmücken. So gibt man Kritik eine Form, die eigene Ziele nicht wirklich gefährdet, aber als Beweis für die lebendige Bürgergesellschaft gut zu verkaufen ist.

Die verfügbaren Mittel mussten dann nur umgeleitet werden an die „eigentlichen Naturschützer“, Nutzerorganisationen mit „grünem Abitur“ wie zum Beispiel die Landesjägerschaft Niedersachsens.

Dem eher gutmütigen Landwirtschaftsminister und Schweinezüchter Hans-Heinrich Ehlen folgte der Jurist Lindemann, als Beamter fest etabliert im ministerialen Gefüge. Man sagt, er diktiere Sanders Nachfolger das Interesse der Lobby seines Hauses in die Naturschutzerlasse, nach denen die zuständigen Landkreise und Städte zu verfahren haben, wenn es darum geht, europäisches Recht leerlaufen zu lassen.
Geht das so einfach? Das sind doch diensteidlich verpflichtete Beamte. Und da sind doch die parlamentarische Kontrolle und die Gerichtsbarkeit; und kritische Medien, die ans Tageslicht bringen, was ans Licht gehört? Und eine aufmerksame Öffentlichkeit, die beharrlich nachfasst?
Die schleichende Auflösung der Gewaltenteilung beginnt vorher und zunächst unmerklich.
Wer die Bezirksregierungen als regionale Mittelinstanzen mit der Begründung abschafft, die lokale Ebene der Körperschaften zu stärken, betreibt in Wirklichkeit den Ausbau der Macht von Ministerialbeamten. Vielleicht wollen das Politiker nicht; so ist es aber gekommen. Wie mit Tentakeln breitet sich der Einfluss des Staatsapparates aus, dringt ein in die Zivilgesellschaft, nimmt im Rahmen der vermeintlichen Fach- und Rechtsaufsicht unmittelbaren Einfluss auf die Zuständigkeiten gewählter kommunalpolitischer Räte und Kreistage. Wo die politische Kontrolle besonders erschwert ist, entwickeln sich Cluster, die sich verselbständigen und unter Betriebsgeheimnis stellen, was sie verbergen wollen. Der Cluster Forst und Holz ist so ein Beispiel. Ein Forstsystem, das es verstanden hat, bis in die heutige Zeit seine Deutungshoheit über den Wald zu erhalten und dessen Berufstand den Mythos als Erfinder der Nachhaltigkeit erfolgreich und kaum hinterfragt pflegen konnte, reagiert empört auf zunehmende öffentliche Kritik und auf Abweichler ihres Standes. Klüger wäre eine Antwort auf die Frage, wie der längst überfällige Paradigmenwechsel eines Berufstandes zu gestalten sei, der im Begriff ist, sich unbedeutend zu machen.
Wenn Forstsprecher verbreiten können, dass die derzeitige Bewirtschaftungsform landeseigener Wälder die Artenvielfalt erhöht habe, kann man eine derartige Behauptung als gezielte Desinformation oder als Ausdruck von Inkompetenz bewerten. Solange eine kritiklose Medienlandschaft diesen Unsinn nicht hinterfragt, sondern ihn in Presse, Funk und Fernsehen als Wahrheit verbreitet, gibt es Handlungsbedarf in Sachen Information von Bürgern durch Bürger. Nicht Wutbürger, sondern Mutbürger sollten es sein. Es gibt sie, und es werden mehr.
Gäbe es nicht die Hoffnung, dass Wandel und Entwicklung möglich bleiben, müssten wir am Zustand unserer demokratischen Ordnung verzweifeln. Es war ein schlechtes Jahrzehnt für den Naturschutz in Niedersachsen. Trotzdem darf uns die Zuversicht nicht abhanden kommen. Machen wir also den Wahltag zum Zahltag und streichen das Wort Resignation aus unserem Wortschatz.


Waldwahrheit 30.11.2012

Zwei Forsa-Umfragen:
Die Niedersächsischen Landesforsten fragen nach der Meinung zur Holz- und Waldnutzung (siehe Ergebnisbericht und Kommentar vom 29.11.2012 – kann ich auf FB leider nicht mehr finden)
Greenpeace fragt nach der Meinung zum Schutz des Waldes. (siehe Ergebnisbericht vom 20.11.2012)
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Albert Einstein ist durch seine Gedankenexperimente berühmt geworden. So hoch wollen wir es nicht hängen.

Aber stellen wir uns einfach vor, die Landesforsten hätten die Frage gestellt, worauf die Bevölkerung bei der Bewirtschaftung der Wälder besonderen Wert lege und 77 % hätten sich für den Schutz des Klimas durch naturbelassene Wälder, 76% für den ökologischen Schutz heimischer Tiere und Pflanzen in alten Buchenwäldern, 62% für die Förderung des Erholungswertes des Waldes für die Menschen und 9% für die Erzielung eines möglichst hohen wirtschaftlichen Ertrags durch Holzeinschlag ausgesprochen.
Stellen wir uns weiter vor, dass auf die Frage, ob sich die niedersächsische Landesregierung für die Erhöhung eines Anteiles geschützter Waldflächen auf 10% einsetzen solle, 73% mit ja geantwortet hätten;
oder auf die Frage, ob neben dem Harz ein weiterer Waldnationalpark in Niedersachsen eingerichtet werden solle, 55% mit ja geantwortet hätten.

Oder ob 73% wünschten, dass Karten mit Informationen über den öffentlichen Wald in Niedersachsen veröffentlicht werden sollten.

Und damit auch einmal mit nein geantwortet werden kann, dass auf die Frage, ob weiterhin am Personal der Landesforstbehörde gespart werden könne, 70% mit nein geantwortet hätten.
Was für ein großartiges Ergebnis wäre das gewesen. Der Präsident der Landesforsten hätte das Ergebnis dieser guten Fragen seinem Minister vermelden können. Dieser hätte kund tun können, das Umfrageergebnis bestätige seine eigenen Intentionen und er werde dem Bürgerwillen Rechnung tragen.
Nicht auszumalen die positive Resonanz von Umweltverbänden, Bürgern, Mitarbeitern. Niedersachsen wäre über Nacht eine Waldmodellregion. LÖWE würde kräftig brüllen und alle würden wie in den 90er Jahren zu Zeiten seines Gestalters HANS-JÜRGEN OTTO bestätigen, das LÖWE tatsächlich in den Wäldern brüllt. Keine PR in Pressemitteilungen und Hochglanzbroschüren wäre notwendig – gelebter Ressourcenschutz.

Gedankenexperiment beendet:
Die Fragen hat leider Greenpeace gestellt und nicht die Anstalt Niedersächsische Landesforsten. Der Minister wird die Antworten deshalb ignorieren. Auch die Berufsverbände IG Bau und Beamtenbund werden schweigen. Man schließt die Reihen besser, wenn man auf einen Feind da draußen verweisen kann. Drehbücher sind urheberrechtlich geschützt. Jede Veränderung ist dem Regisseur ohne Genehmigung des Autors verboten. Ökologische Waldentwicklung hat eben eine Langfristperspektive. Da brauchen auch Erkenntnisprozesse ihre Zeit. Manchmal sind andere schneller und nehmen die Entwicklung in ihre Hand. Alles Übel kommt nun einmal von außen.


14. 11. 2012:

Waldwahrheit Wer mit welchen Zahlen „jongliert“ lässt sich im weiteren Verlauf des Diskurses sorgfältig aufarbeiten. Wer mit Zahlen qualitative Aussagen begründen will, muss Quelle und Erfassungsmethode nennen, sowie den Kontext, in den sie gesetzt sind. Zahlen, die nicht extern überprüfbar sind, haben keinen Wert.


13. 11. 2012:

Aus der Presseinformation „Wald in guten Händen“ der Niedersächsischen Landersforsten:
„Die Landesforsten haben Greenpeace transparent und umfassend geantwortet“.

Aus dem Ergebnisprotokoll der Dezernatsleiterbesprechung der Landesforsten vom 08.05.2007:

„Die Datenabgabe (Sach- und/oder Geometriedaten) soll weiterhin – wie bisher schon geregelt – restriktiv gehandhabt werden. Es sollen keine unternehmensinternen Daten an Dritte gehen. Zu den unternehmensinternen Daten zählen z.B. schon die Unterabteilungen, die Angaben der Nachwuchsbaumarten, Vorräte, Hiebssätze, Einnahmen etc. … Die Forstämter werden auch für diesen Bereich sensibilisiert.“


24. 10. 2012:

Von K.-F. Weber geposteter Kommentar unter dem Post „Eine Information von Greenpeace“:

Die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher reiht sich ein in das interessengefärbte Argumentationsmuster des Clusters Forst und Holz. Sie benutzten dabei Zahlen, deren Herleitung bei näherer Prüfung unabgesichert, für Konkretisierungen nicht verwendbar und in Teilen bloße Behauptungen sind. Zahlen spiegeln keine Wahrheiten wieder, sondern können und werden beliebig benutzt, um die eigene subjektive Interpretation zu bestärken. Das gilt grundsätzlich. Auch die Umweltbewegung darf Zahlen nur im Zusammenhang mit Interpretationen, Wahrscheinlichkeiten oder dem Stand des derzeitigen Wissens (keinefalls allein der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse) benutzten. Die Forstwirtschaft benutzt angebliche Fakten in wesentlichen Punkten als Tatsachen. Sie spiegeln nicht Argumente und Meinungen wider, sondern werden zu Behauptungen und für Nichtfachkundige zu Wahrheiten. An diesem höchst unredlichen Verhalten krankt der gesellschaftliche Diskurs.

Dies als Antwort auf einen Post mit diesem Link zu folgendem Text der AGR – Arbeitsgemeinschaft der Rohholzverbraucher e.V.

http://www.rohholzverbraucher.de/sites/aktuelles_pressemitteilungen.php?kat&id=185&headline=Greenpeace

Ausgangspunkt war die Greenpeace-Forderung nach einem Einschlagstopp für Buchenwälder über 140 Jahre, s. „Häufig gestellte Fragen“:

https://www.greenpeace.de/themen/waelder/buchenwaelder


22. 08. 2012 :

Seit der Umstrukturierung der Landesforsten in eine Anstalt des öffentlichen Rechts seien die streng ökonomische Ausrichtung der Waldbewirtschaftung und zunehmende Waldverkäufe an Private zu beobachten gewesen. „Der Wald in Niedersachsen ist zu etwa 30 Prozent öffentliches Gut“, erläuterte Schminke. In früheren Zeiten sei der Wald in guten Händen gewesen. Nach der Umstrukturierung hätten die Landesforsten knallharte Finanzvorgaben der Landesregierung erhalten. Hierunter habe die Selbstverpflichtung der Forst zur „Langfristig ökologischen Waldentwicklung“ (LÖWE) gelitten. „Auf LÖWE konnte man immer vertrauen“, so Schminke. Daher habe man auch bewusst Schutzgebietsausweisungen im Wald hintenan gestellt. „Das wirkt sich nun verstärkt nachteilig aus, denn einen Wald ohne Schutz kann man besser verkaufen“, erklärt Schminke. Er fordert die Landesregierung auf, den Schlussverkauf des Tafelsilbers „Wald“ einzustellen.

Olaf Reichert / Pressesprecher / Telefon: 0511 / 3030-4011

Bleibt zu hoffen, dass alle im Landtag vertretenen Parteien, darunter auch die „Regierungsparteien“, erkennen, welche Brisanz hinter der derzeitigen Waldpolitik der Landesregierung steckt. Mehr als Hintergründe aufdecken, aufklären, erläutern und die langfristigen Folgen derzeitiger forstwirtschaftlicher Eingriffe in unsere Wälder aufzeigen, können wir unabhängigen kritischen Forstleute nicht tun. Es ist Aufgabe der Politik, das sogenannte Anstaltsgesetz mit seinen vielleicht nicht erwarteten oder voraussehbaren fatalen Folgeerscheinungen zu korrigieren und die Recht- und Fachaufsicht zu intensivieren. Niemand sollte im Nachhinein sagen, er habe die PR-Parolen der Landesforsten und des Fachministeriums für korrekte Informationen angesehen und das alles nicht gewusst.


10. 08. 2012 :

Auszüge aus einem Vortrag von Karl-Friedrich Weber:
Heutige Forstwirtschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Göttingen, 14. Juni 2010
Symposium der HAWK-Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Fakultät Ressourcenmanagement
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Ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts brachte die auf Schmidtschem Boden stehende Richtung hauptsächlich den privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt zur Geltung:

Jeder Waldbesitzer, ganz gleich, ob Privat oder Staat habe nach der bestmöglichen Ausnutzung und Verzinsung seines im Walde gegebenen Tauschwertkapitals zu wirtschaften. Aus der Versorgungswirtschaft wurde also eine Erwerbswirtschaft.
Die höchste Rentabilität war ihr Inhalt, aufgebaut auf dem Irrtum der Schmidtschen Lehre, dass das, was den Privatmann reich mache, auch zugleich die Gesamtheit bereichere und ihre Wohlfahrt fördere.

Die Privatwaldbesitzer haben diese Lehre übrigens immer mit großer Skepsis betrachtet und werden heute, über hundert Jahre später, im Wege der forstlichen Beratung gedrängt, diese Skepsis aufzugeben.
(Skepsis in der altgriechischen Bedeutung bedeutet nicht misstrauen, sondern sorgfältige Überprüfung)

Hartig formuliert:
„Das Ziel ist, in möglichst kurzer Zeit, bei möglichst geringem Aufwand, möglichst viel und möglichst nutzbares Holz zu erzeugen.“

Lemmert, Forstassessor (Das Problem der volkswirtschaftlichen Produktivität und seine Stellung in der Staatsforstwirtschaft 1921) kommentiert :
„Obwohl solcher Wortzauber in der modernen Forststatistik eine bedeutende Rolle spielt, vermag niemand an einem Ertragstafelwalde, an dem ihm nichts unbekannt ist, was Zeit, Masse und Maß der Nutzbarkeit (Preise) anbetrifft, geschweige dann an einem wirklichen Walde zu berechnen.“

Der geheime Staatsrat Wilbrandt aus Darmstadt (Jahrestagung Deutscher Forstverein 1920) folgert:

„Es ist durchaus begreiflich, dass viele junge Forstleute nach Abschluss ihres Studiums in diesem Wahne befangen sind. Aber in der Forstwirtschaft ist es unbedingt erforderlich, den aus jener Lehre hervorgegangenen Druck, der zu falschen Maßnahmen verführt, von den Wirtschaftern zu nehmen und ihn von den Fesseln der Zinseszinsrechnung zu befreien.“

Größtmöglicher Nutzen bei möglichst geringen Kosten, ist eine Tautologie.

Ziel der Wirtschaft ist nicht, möglichst viel Holz zu nutzen, sondern
– In der Erwerbswirtschaft die Rentabilität, der Profit, der Ertrag
– In der Volkswirtschaft das Maß der Fähigkeit, den derzeitigen und zukünftigen Bedürfnissen zu dienen, des Wertes, der Erzeugung einer wirtschaftlichen Nützlichkeit,
der Naturergiebigkeit, der Kraft der Erzeugung körperlicher und geistiger Arbeit! Naturergiebigkeit, das ist Bodenschutz, Biodiversität, Erholung, geistige Erbauung, Kultur – Nutzbarkeit, nicht Nutzung.

Was für Gegensätze! Und die sollen in einem forstlichen Landesbetrieb vereint werden können?

Da Marktpreise keinen Maßstab für den gesellschaftlichen Nutzen bilden, können sie schon aus diesem Grund theoretisch nicht den Prinzipien der volkswirtschaftlichen Produktivität entsprechen.

Die größte Rentabilität sagt über die Größe des gesellschaftlichen Nutzens gar nichts aus. Sie gibt lediglich Auskunft über das Verhältnis der Mittel zum erzielbaren Nutzen.
Im Allgemeinen hat das Rentabilitätsprinzip eine der volkswirtschaftlichen Produktivität entgegengesetzte Tendenz.

Die in einer geschlossenen Wirtschaft vorhandenen Güter sind Produktivkapital und Konsumgüter.
Zum Produktivkapital rechnen Grund und Boden, Wald, Maschinen, Tiere Pflanzen, Boden, Grundwasser usw.

Konsumgüter sind für den Verbrauch bestimmt und gehen damit unter.
Das Geldkapital gehört nicht dazu. Es ist lediglich eine Anweisung, eine verkehrswirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Güter der genannten Kategorien.
Wenn Altholz, das nur einen geringen Zuwachs hat, geerntet und dem Konsum zugeführt wird, wird Produktiv-Kapital in Konsumkapital überführt.
Es geschieht weiter nichts, als dass die wirtschaftliche Verfügungsgewalt von A nach B geht, wobei B sie u.U. nicht einmal mit so großem wirtschaftlichem Nutzen handhabt, wie A.
Wer also aus weniger gut rentierendem Holzkapital besser rentierendes Geldkapital macht, handelt privatwirtschaftlich. Er vermindert das Produktivkapital, verringert die Quelle des gesellschaftlichen Nutzens und verstößt dadurch gegen das Hauptprinzip der gesellschaftlichen Produktivität.

Dazu Lemmert 1920:
„Die konsumtive Verwendung des Geldkapitals z.B. zur Schuldentilgung oder Ergänzung des Staatshaushaltes verstößt gegen das Prinzip der Nachhaltigkeit.

Im Wirtschaftsprinzip der finanziellen Umtriebszeit sind die Prinzipien der volkswirtschaftlichen Produktivität nicht enthalten.
Da die Kapitalbildung an der Stelle der größten Rentabilität stattfindet, fließt im volkswirtschaftlichen Wirtschaftsprozess das Produktivkapital bildende Geldkapital nicht an die Stelle der größten, sondern an die Stelle der geringsten volkswirtschaftlichen Produktivität.“

Adam Müller 1920:
„Die Aufgabe des Staates besteht darin, die egoistische Ausnutzung der Knappheit an Gütern gerade des elementaren Bedarfs zu unterbinden.

Die Entwicklung der Staatsforstwirtschaft ist nur eines der vielen Beispiele dafür, wie allmählich der Produktionsgedanke aus dem Volk entschwindet und dem Rentabilitätsprinzip seinen Platz einräumt.“

12. 08. 2012:

Fortsetzung der Auszüge aus einem Vortrag von Karl-Friedrich Weber:
Heutige Forstwirtschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Göttingen, 14. Juni 2010
Symposium der HAWK-Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Fakultät Ressourcenmanagement
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(zum Gegensatz von Produktivität und Rentabilität in der Forstwirtschaft)

Wo stehen wir heute?

Eigentlich da, wo die Gesellschaft und ihre Vordenker vor über hundert Jahren auch standen.

Goethe lässt Faust sagen:

„Original fahr hin in Deiner Pracht. Wer kann was dummes, wer was Kluges denken, das nicht die Vorwelt schon gedacht?“

Der Anspruch wurde damals klar herausgearbeitet, die Widersprüche erkannt. Sie sind prinzipiell zeitlos und gelten auch heute noch.
An den Handlungsmustern hat sich trotz wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts und einer Weiterentwicklung gesellschaftlicher Ziele fast nichts geändert.

Die Anstaltsgesetze (Niedersachsen) oder ähnliche privatwirtschaftlich tendierende Konstrukte des öffentlichen Waldes beinhalten in sich einen unauflösbarer Widerspruch von Rentabilität und Produktivität. Deshalb werden mit ihnen weder die nationalökonomischen Ziele noch die der verfassungsgemäßen Schutzziele nachhaltiger Ressourcensicherung erreicht.

Wie wird der notwendige Diskurs geführt? Als ein kritischer Rationalismus mit seinem Weg zur Annäherung an die Wahrheit?

Welche Ethik ist Grundlage unseres Wirkens?
Sind die Prinzipien von Redlichkeit und Moral bewusste Begleiter aller Handlungen? Gibt es verbindliche Tugenden? Wenn ja, welche?

Was bedeuten sie, wie unterscheiden sie sich, welche Folgerungen haben wir zu ziehen?

Wie steht es mit der Erfahrung? – Waldwissenschaft ist eine Erfahrungswissenschaft.

Wie gestaltet sich eine produktive Fehlerkultur im Sinne Karl Poppers, die Fehler auf ihre Ursachen untersucht, statt sie mit bombastischen Phrasen zu vertuschen?

Forestry at its best?
Kann dieser vielleicht dümmste aller PR-Slogans (Nds. Landesforsten) auf vernunftbegabte Menschen eine Wirkung entfalten? Was und wen aber will man dann mit ihm erreichen?

Wir verlieren uns im Wust gesammelter Informationen, die wir nicht in die vernünftige Betrachtung des Ganzen einordnen können und verlieren dadurch auch Erkenntnisse, weil der Verstand, zumal der Fachverstand, dem wir so huldigen, nur das Detail denkt. Wir nennen das Versuchswesen. Wahrheitsbringer sind demzufolge die Versuchsanstalten.

Ich weiß, dass ich nichts weiß und das nur ungefähr. Die Erkenntnis des Sokrates wurde von Karl Popper zum kritischen Rationalismus weiterentwickelt – als eine mögliche Form des Denkens.

Wir verwechseln weiterhin Rentabilität und Nutzen und verlieren damit die elementaren Ziele aus den Augen, die Grundlage unseres dienenden Auftrags sind.

Produktionswert des Waldes heißt heute wie damals, die Nutzbarkeit der Naturgüter zu erhalten. Es ist der Generationenauftrag des Wirtschafters. Der Wirtschafter ist das Volk.

Der öffentliche Wald ist der Wald der Bürger, also ein Bürgerwald, kein Försterwald, kein Naturschutzwald, kein Wald, der Partikularinteressen gleich welcher gesellschaftlichen Gruppe auch immer dienen kann.

Alle haben nur eine partielle Kompetenz.

Der Boden unter unseren Füßen schwimmt. Man nennt das Unsicherheit. Diese Unsicherheit wächst. Das ist gut so. Sie nimmt uns den Hochmut.

Nur aus Unsicherheit kann positiver Fortschritt erwachsen – und wirkliche Verantwortung!!

Aus dieser Einsicht erwächst das erforderliche Maß an Bescheidenheit, das der Diskussion im Cluster Forst und Holz derzeit fehlt. Dieses Defizit ist eine der Hauptursachen des zunehmenden Dissenses zur Gesellschaft, die viele so verstört, weil sie in der Befangenheit ihrer Denkschablonen das Phänomen nicht verstehen.

Aber auch der privateigene Wald unterliegt dem verfassungsgemäßen Nutzen für die Allgemeinheit im Rahmen der verpflichtenden Sozialbindung, wenn auch in anderer Ausprägung.

Vielleicht ist das die einzige Fortentwicklung der gesellschaftlichen Ordnung von der Verpflichtung des Hauswirtschafters im Deutschen Reich der Kaiserzeit zur heutigen Verantwortung in der parlamentarischen Demokratie.

Wissenschaft und Versuchswesen, Betriebe und Verwaltungen sind Diener und haben keine Meinungshoheit. Sie haben eine Sorgfaltspflicht bei dem Produkt, das sie abzuliefern haben – keine Verantwortung.
Die hat nur der Wirtschafter, das Volk. Es belehnt die zuständigen verfassungsgemäßen Organe mit dieser Verantwortung auf Zeit.

Es hat sich einiges verschoben im Machtgefüge des Staates, das wieder neu zu justieren ist. Wem das bewusst ist, der wird künftig dabei sein, wem nicht, der arbeitet aktiv an seinem Bedeutungsverlust und sollte nicht nach Schuldigen suchen.

Paradiesische Zeiten und Unheil sind Zerrbilder. Gewinnorientierung heißt für den öffentlichen Wald vorrangig die Bewahrung und in den meisten Situationen die bestmögliche Wiederherstellung der langfristigen Nutzbarkeit der Naturgüter. Daran bestimmt sich das Maß des höchsten Nutzen für die Allgemeinheit. Nichts anderes erwartet die Legislative des Landes, da auch sie an höheres Recht und internationale Vereinbarungen gebunden ist. Landespolitiker bestätigen seit Jahren, dass ihnen das Fachministerium, also auch die Ministerialforstverwaltung, immer wieder die Machbarkeit der in Kritik stehenden geldwirtschaftlichen Ziele bestätigt. Ich kenne keinen Landespolitiker, der sich über die Grenzen einer unbedenklichen Ressourcennutzung hinwegsetzte, die ihnen die Forstverwaltung begründet aufzeigte.


09. 08. 2012:

Zur Frage, wem der öffentliche Wald dient und welche Dientleistungen er zu erbringen hat, ein Blick 140 Jahre zurück und doch von größter Aktualität:
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Zitat des Oberlandforstmeisters von Hagen aus „Die forstlichen Verhältnisse Preußens, Berlin 1867″:

„Die preußische Staatsforstverwaltung bekennt sich nicht zu dem Grundsatz des nachhaltig höchsten Bodenreinertrags unter Anlehnung an eine Zinseszinsrechnung, sondern sie glaubt, im Gegensatz zur Privatwirtschaft, sich der Verpflichtung nicht entheben zu dürfen, bei der Bewirtschaftung der Staatsforsten das Gesamtwohl der Einwohner des Staates im Auge zu haben und dabei sowohl die dauernde Bedürfnisbefriedigung in Beziehung auf Holz und andere Waldprodukte, als auch die Zwecke berücksichtigen zu müssen, denen der Wald nach so vielen anderen Richtungen dienstbar ist.

Sie hält sich nicht befugt, eine einseitige Finanzwirtschaft, am wenigsten eine auf Kapital und Zinsertrag berechnete reine Geldwirtschaft mit den Forsten zu treiben, sondern für verpflichtet, die Staatsforsten als ein der Gesamtheit der Nation gehörendes Fideikommiss so zu behandeln, dass der Gegenwert ein möglichst hoher Fruchtgenuss zur Befriedigung ihres Bedürfnisses an Waldprodukten und an Schutz durch den Wald zugutekommt, der Zukunft aber ein mindestens gleich hoher Fruchtgenuss von gleicher Art gesichert ist.“
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Der gesellschaftliche Nutzen wird klar in den Mittelpunkt gestellt!
Der Gegensatz zum privatwirtschaftlichen Interesse des höchsten
Profits ist deutlich hervorgekehrt.
Nicht der größte Geldertrag des als Geldkapital gedachten Waldes ist maßgebend, sondern der möglichst hohe Realnutzen der der Volkswirtschaft in dem vorhandenen Wald zur Verfügung stehenden Naturchancen. Das ist den Menschen dienender Naturschutz pur!


08. 08. 2012:

Es ist in der Forstwirtschaft zum Standard geworden, im Rahmen der Durchforstung von Jungbeständen alle oberirdischen Pflanzenteile einschließlich Laub zu entnehmen und in der Regel als Energieholz zu vermarkten. Damit werden die in den Feinästen, Knospen und Blättern besonders konzentrierten Nährstoffe dem Waldboden dauerhaft entzogen. Diese forstfachlich hochumstrittene und unwirtschaftliche Praxis ist allerdings nicht neu. Sie fand bereits vor Jahrhunderten statt, allerdings unter völlig anderen Umständen in den Kriegs- und Notzeiten der napoleonischen Besetzung.
Damals gab es auch ohne Bodenkundeinstitute erfahrene und weitsichtige Forstleute, wie folgende 200 Jahre alte Dienstanweisung belegt:
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„Herzogl. Oberförsterei Königslutter 117

Acta Sous-Inspektion Helmstedt betreffend das Laubscharren in den Waldungen 1814 –
Harbke den 9 ten May 1814 – Circular

Da ich noch häufig bemerkt habe, daß das Laubscharren an mehreren Orten statt findet, und auch vielleicht dieser Waldfrevel nicht allenthalben nach seiner wirklich ungeheuren Schädlichkeit gehörig gewürdigt wird so mache ich es Ihnen hierdurch zur besonderen Pflicht, diesem Übel auf alle Weise zu steuern und unter keiner Bedingung zu gestatten, auch vorläufig als Pfand die dabei adlubirten Sachen, an sich zu nehmen, und die Frevler zur Buße zu schreiben.
Sie wollen diesen Umlauf praesentiren, reihenmäßig weiter befördern, und endlich ad acta actorum senden

Mit Hochachtung
Der Forstmeister“

Zu Praesentiren die Herren Förster
Schahde zu Königslutter
Möller zu Runstedt
Räger zu Schöning
Lüders zu Voigts Dahlum
Silms zu Brunsleberfeld
Brandes zu Ambleberkuhle
Ahrend zu Asse
Hagemann zu Hessen
Lüeders zu Beienrode
Ad acto zurück

Dorm Vollbaumnutzung 8-8-2012

Foto: Karl-Friedrich Weber
Vollbaumnutzung im FFH-Gebiet Dorm 2010


05. 08. 2012 :

Die Niedersächsischen Landesforsten erhalten 4,5 Mio. EUR als Zuschuss für ihren sogenannten Produktbereich 2 „Schutz und Sanierung“.
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Zu finden ist dieser Ansatz im Haushalt des Landwirtschaftsministeriums unter Kapitel 980 – Anstalt Niedersächsische Landesforsten.

Gemäß der Aufstellung auf Seite 173 des Haushaltsplanes werden die 4,5 Mio. EURO für folgendes verausgabt:

400.000 Managementpläne in Natur 2000-Gebieten
1.050.000 Pflege und Entwicklung Natura 2000
1.100.000 Pflege und Entwicklung in Natur- und Landschaftsschutzgebieten
600.000 Besondere Naturschutzmaßnahmen
350.000 Spezieller Arten- und Biotopschutz
350.000 Waldbiotopkartierung
250.000 Waldschutzgebiete/ Naturwälder
400.000 Waldkalkung.

Das sind ca. 14 EUR pro Hektar und Jahr Fläche Landeswaldes.

Was konkret mit diesen Mitteln geschieht, geht auch aus dem Geschäftsbericht der Landesforsten nicht hervor.

Für Natura 2000-Gebiete im Privatwald wird nichts gezahlt.

Ganz böse Zungen mutmaßen, dass in erheblichem Umfang auf diese Weise eine Subvention des Landesbetriebes erfolgt, während der Privatwald leer ausgeht.

Ein Effekt könnte sein, dass sich im Produktbereich I – Forstwirtschaftsbetrieb – ein besonders glänzender geldwirtschaftlicher Gewinn darstellen lässt, falls dort zu veranschlagende Ausgaben dem Schutz zuzuordnen sind.

Da entstehen Fragen angesichts der desolaten Finanzausstattung der Naturschutzbehörden der Landkreise und Städte, die für die gesamte Landesfläche zuständig sind.

Was geschieht mit diesen Geldern im Einzelnen?
Wie werden die Maßnahmen nachgewiesen?
Welche Erfolgskontrollen gibt es?
Welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen werden insbesondere in Natura 2000 – Gebieten durchgeführt und wie werden sie nachgewiesen?

Welche Kriterien liegen der Bewertung zu Grunde, was im waldgesetzlichen Rahmen und des Regierungsprogrammes zur Langfristigen Ökologischen Waldentwicklung (LÖWE) Teil der allgemein verbindlichen ordnungsgemäßen Forstwirtschaft darstellt und welche Leistungen darüber hinaus gesondert zu bewerten sind?

Jeder Bürger hat das Recht, hierüber Auskunft zu erhalten. Es handelt sich um Umweltdaten gemäß Umweltinformationsgesetz und der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen.

Ergänzung: Es handelt sich um den Haushalt 2011


12. 07. 2012:

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Gutachten 2012 zur Partizipation der Öffentlichkeit:
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„Um die öffentliche Wahrnehmung und die Inwertsetzung der vielfältigen Leistungen des Waldes zu stärken, muss der allgemeine Wissenstransfer vertieft werden.

Notwendig sind eine bildhafte Kommunikation und eine Partizipation der Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen.

Die regelmäßig erfolgende Planung der Entwicklung eines öffentlichen Forstes bzw. Großprivatwaldes (Forsteinrichtung) sollte die Öffentlichkeit einbeziehen, auch um die Akzeptanz für forstliche Planungen zu erhöhen.

Dazu sollten die Forstverwaltungen die dafür notwendigen Daten transparent machen und mit den Naturschutzverbänden, Gewerkschaften und Universitäten einen öffentlichen Diskurs im Vorfeld der forstlichen Betriebsplanung organisieren.

Zudem sollten die Planung und die Kontrolle der Umsetzung organisatorisch und institutionell getrennt werden.“
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Kommentar:

Der Sachverständigenrat spricht zwei zentrale Problemfelder an:

1. Die Öffentlichkeit als Eigentümer des öffentlichen Waldes ist von jeder echten Mitbeteiligung an der Formulierung waldpolitischer Ziele und deren Umsetzung vor Ort ausgeschlossen. Die Aufgabe der öffentlichen Forstverwaltungen, Waldinformation und waldbezogene Umweltbildung zu betreiben, wird als Vermittlung der eigenen berufsspezifischen Bilder und Zielvorstellungen betrachtet und weist in großen Teilen Züge von Desinformation auf.

Was waldpolitisch zu sein hat, definiert eine dünne Führungsschicht einer sehr kleinen Berufsgruppe, ideologisch eng vernetzt mit dem berufsbezogenen Wissenschafts- und Versuchsbetrieb.

Da Aussenstehende einschließlich Politiker und Medienvertreter sich im Thema Wald unsicher fühlen und die Allkompetenz von Förstern „anerzogen“ selbstbewusst nach außen vertreten wird, gab es bis vor kurzem kaum relevante kritische Positionen. Das hat sich zur großen Bestürzung und Verunsicherung des Clusters Forst in den letzten Jahren fundamental verändert.

2. Die öffentliche Forstwirtschaft kontrolliert sich selbst. Die Forsteinrichtung, u.a. zuständig für Waldinventur, Betriebspläne (in Niedersachsen sogar für die Erstellung der Managementpläne in europäischen Schutzgebieten), und ihre große personelle Nähe zum forstlichen Landesbetrieb, aber auch ihre Machtlosigkeit, fehlerhaften Vollzug nachhaltig zu belangen, führt zu den Fehlentwicklungen, die heute zunehmend in der öffentlichen Kritik stehen.

Gleiches gilt für die Ministerialbürokratie des Fachministeriums, deren Interessenidentität mit den geldwirtschaftlichen Zielen des Landesbetriebs auf der Hand liegen.

Aus den darauf folgenden Kommentaren hier noch einige weitere Worte von Herrn Weber:

Der Begriff „Normalvorrat“ definiert nicht, was normal ist. Bezieht er sich auf den Altersklassenwald, dürfte er im neuen naturnahen Waldmodell nicht mehr angewendet werden. Natürliche Nachhaltigkeit ist offenbar identisch mit dem Begriff der „starken Nachhaltigkeit“, der inzwischen etabliert ist und den Diskurs zum außerforstlichen Bereich öffnet. Gleichrangigkeit der Waldfunktionen ist ein Gedankenmodell, dass noch niemand konkret ausgeformt hat, so dass es eine vergleichende Abwägung überhaupt zulässt. Auf diese Weise bleibt es substanzlos und beliebig auslegbar. Der Sachverständigenrat bezieht sich in seiner Argumentation auf das Bundesverfassungsgericht. Welche politische Nähe er haben könnte, weiß ich nicht. Immerhin berät er die Bundesregierung. Dass demokratische Strukturen prinzipiell bedingen, dass Kontrolle stets eine möglichst große Distanz zu wahren hat, ist systemimmanent und muss immer wieder eingefordert werden. Die Forsteinrichtung ist ebenfalls Teil eines Systems, was nicht beanstandet wird, aber klar sein muss. Die Aufgaben der Forsteinrichtung und deren Instrumente unterliegen ebenso einer fortdauernden Entwicklung. Sie müssen sich ebenso prinzipiell in Frage stellen lassen (und den Fragesteller ggf. widerlegen). Sonst wäre eine Entwicklung nicht möglich. Dazu könnte künftig z.B. die Möglichkeit gehören, auf Korrekturen missbräuchlicher Vollzüge in der betrieblichen Praxis zu bestehen und zwar nicht erst nach zehn Jahren.


 

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland