Eichen + Naturschutz

09. 09. 2017 :

Warum ist diese Stieleiche markiert, um gefällt zu werden?

Sie ist 170 Jahre alt und hat einen Brusthöhendurchmesser von ca, 50 cm, einen astfreien ca. 8 m langen Stamm und eine gesunde Krone, die keinerlei Mängel aufweist. Daneben steht eine weitere qualitativ gleichwertige Eiche.

Im weiteren Umfeld dieses Eichenbestandes sind ähnlich wertige Bäume nicht zu finden.

Ist diese Eiche erntereif, d.h. hat sie die höchste Wertschöpfung erreicht?

In den Niedersächsischen Landesforsten galt bis in die 1990er Jahre ein Zieldurchmesser für Stieleiche von 80 cm+ in 1,30 cm Höhe über dem Boden (BHD).

Ab 2004 sah die Richtlinie zur Baumartenwahl für die Stieleiche ein Waldentwicklungsziel für Eichenwertholz von BHD 70 cm+ in bis 200 Jahren und für Eichenstammholz von BHD 60 cm+ in bis 180 Jahren vor.

Das + bedeutet, dass das genannte Maß die untere Durchmessergrenze für eine Ernte und nicht etwa eine Obergrenze darstellt.

Mit einem Alter von 200 Jahren ist eine Eiche noch jung und hat noch weitere Jahrzehnte Spielraum, in den Wert zu wachsen – sofern man sie lässt.

Von einem BHD 80 cm plus ist 2004 keine Rede mehr.
Tatsächlich wurden in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen von Eichen-Kahlschlägen nicht einmal die mittleren BHD von wenigstens 60 cm erreicht. Man nennt das „Hiebsopfer“, die nun einmal mit Kahlschlägen verbunden sind.

Man nennt das nicht etwa eine Nutzung weit vor der höchsten Wertschöpfung, wie vorgeschrieben und aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist.

Und die exotische Höhe sowie Verzinsungen der eingesetzten Mittel für die Kulturmaßnahmen nach Kahlschlägen werden schon gar nicht auf kaufmännische Weise den vermeintlichen Gewinnen gegenüber gestellt.

Über potenzielle und tatsächliche Wertschöpfungsverluste redet man nicht. Auch zu dünne Eichen bringen Geld in die Kasse, Geld von Bäumen, die einer Generation in vielleicht 50 Jahren zustehen, eine Rendite die man ihnen vorenthält. Der Finanzminister scheint mit den Peanuts zufrieden, die man ihm überweist. Auch seine Amtszeit endet früher.
Wie nennt man einen Zugriff auf etwas, das anderen zusteht?

Aber zurück zu unserer Eiche auf dem Foto: Waldbauliche Gründe zur Entnahme gibt es in diesem Bestandesalter nicht. Eine qualitative Verschlechterung ist ebenfalls nicht zu erkennen.

Welche Argumente bleiben übrig? Eine eingegangene Lieferverpflichtung? Ein Einnahmesoll für das betreffende Forstamt? Ein bestimmtes Mindestkontingent auf dem sogenannten Wertholzplatz, der nach zwei Jahrzehnten vorzeitiger Nutzungen überwiegend nachlassende Qualität unterhalb wertschöpfender Zieldurchmesser bereit stellt?

Wir wissen es nicht und können es uns auch nicht erklären mit unserem begrenzten Sachverstand. Wälder sind nun einmal voller Geheimnisse.

Foto: Karl-Friedrich Weber

Eiche fällmarkiert 9-9-2017


21. 06. 2016 :

Eichenkiller – Eichenretter

Die Eiche gilt als ökologisch wertvolle Baumart, weil die biologische Vielfalt ihres Systems größer ist, als die manch anderer Baumart.

Da ist auch die sogenannte Fraßgemeinschaft im Spiel: Eichenwickler, Kleiner und Großer Frostspanner, Schwammspinner und der Zweipunktprachtkäfer gehören dazu – seit millionen Jahren.

Die Eichen haben ihren periodischen Blatt- und Rindenfraß überlebt, bis heute. Die jährlichen Waldzustandsberichte der Nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt belegen das. Jahre höheren Blattfraßes, der auch schon einmal mit Kahlfraß enden kann, wechseln mit Phasen, in denen kein oder nur unbedeutender Fraß erfolgt.

Die Eiche hat sich evolutionsbiologisch durch einen Johannistrieb dem natürlichen Fraßgeschehen angepasst und regeneriert nach einer mehrjährigen Fraßbeanspruchung oder starker Fruchtproduktion.

Die Absterberate der Eichen 1984 bis 2015 betrug 0,2%.

In dem kurzen Betrachtungsraum 2012 bis 2015 lag sie zwischen 0,4% und 0,6%.
„Mit einer mittleren Kronenverlichtung zwischen 3% und 5% erreichte die jüngere Eiche seit 2005 günstige Kronenverlichtungswerte“ heißt es in den Berichten 2012 bis 2015.

Nach einer Periode mittleren bis stärkeren Blattfraßes von 2009 bis 2012, heißt es im Waldschadensbericht 2013:

„Inzwischen sind die Fraßschäden erheblich zurückgegangen, 2013 waren 1% der älteren Eiche in der WZT-Stichprobe mittel oder stark befressen.“

Der Prozentsatz liegt 2014 bei 5%, 2015 bei 1% und dürfte 2016 bei Null liegen.

Dieser Rhythmus ist mir geläufig, seit ich 1961 meine forstliche Ausbildung im Eichenrevier Wendhausen bei Braunschweig begann.

2013 fand im Stadtwald Wolfsburg eine öffentlich umstrittene Begiftung der Alteichenbestände mit Helikopter statt, ein Ergebnis der Beratung durch die Landesforstverwaltung Niedersachsens.

Da es in den braunschweiger Eichenwäldern 2013 kein Fraßereignis gab (1% im statistischen Rauschen), war die aufwändige Begiftung wirkungs- und damit zwecklos.

Das sehen die Niedersächsischen Landesforsten anders. In ihrem PR-Magazin Waldstück 2 vom Sommer 2016 heißt es dazu:

„Das große Fressen – Raupe Nimmersatt. Wie die Förster der NLF ihnen den Appetit verderben.“

Und dann wird ein wunderbares Waldmärchen erzählt. Es beginnt 2008, (der Waldzustandsbericht 2008 hatte eine mittlere Kronenverlichtung festgestellt):

„Es war ein windstiller Maitag im Wolfsburger Stadtforst. … Und dennoch hörten Spaziergänger Tropfen auf den Blättern und den Waldboden prasseln. Doch es war kein Regen, der da fiel … Es war der Kot von Raupen. Millionen Raupen!“

„Es war wie im Horrorfilm von Alfred Hitchcock“, sagte Revierleiter Dirk Schäfer. „Nur mit Raupen statt mit Vögeln.“

Und fünf Jahre später – 2013:
„Unsere Eichenwälder liegen hier komplett in einem EU-Vogelschutzgebiet. Wir wussten, wenn wir sie nicht erhalten könnten, würde sich das ganze Gleichgewicht verschieben.“

Weiter heißt es: “ … der Helicopter hob ab, besprühte den gesamten Eichenbestand mit einem chemischen Präparat. – Die richtige Entscheidung!“

„Alle Insektenarten sind noch da oder wieder da, die Bäume sind vitaler, berichtet Schäfer stolz, „Wir als Förster müssen einfach darauf achten, Eichen mit gesunden Kronen aufwachsen zu lassen, den Unterstand zu erhalten und weise waldbauliche Entscheidungen zu treffen.“

Am Schluss des Berichtes über die Rettung der Eichenwälder Wolfsburgs im fraßlosen Jahr 2013 heißt es:

„Doch nun genießt Dirk Schäfer erstmal den Gang durch seine geretteten Eichenbestände.“

Und wir stellen erleichtert fest: Eichen sterben nicht aus, weil immer wieder Forstmänner nachwachsen, die sie retten.

Karl-Friedrich Weber


25. 09. 2015 :

Eichen und Naturschutz – mit diesem Bild verbinden wir oftmals die romantisierten Bilder weiter Hutewälder, lichter Mittelwälder oder Solitäre in den Überschwemmungsauen der großen Flüsse – und damit auch deren Biozönosen als Auslöser nostalgischer Heimatgefühle und Geborgenheit.

Wie diese Bilder südschwedischer Weidelandschaften auch heute noch, üben sie eine große Faszination auf uns aus. Und dass sie schützenswert und zu erhalten sind, steht außer Frage. Sie sind ein dankbares Feld für Heimatkundler, Entomologen und Avifaunisten bis hin zu den Vertretern heutiger Megaherbivoren-Hypothesen.

Alles gut und schön in wohlverstandener Gewichtung von Teilaspekten. Für umfassende Theorien eignen sie sich sehr wahrscheinlich nicht.

Die Eiche ist eine Waldbaumart. Diese Landschaften können kein ausschließliches Leitbild einer künftigen Entwicklung naturnaher Buchen-Eichen-Mischwälder sein, das in seiner Komplexität und Dynamik den Naturwäldern nahe kommt.

Urwälder, die über diese Wälder und ihre Zyklen Auskunft geben können, sind nur noch kleinflächig vorhanden und u.a. von KORPEL beschrieben worden. Sie sind viel seltener, als die Relikte ehemaliger Kulturlandschaften, wie auf diesen Fotos; aber deshalb umso bedeutsamer für den Erkenntnisprozess.

KORPELs Forschungsergebnisse zwingen zum Nachdenken und stellen sowohl die herkömmlichen Leitbilder des Naturschutzes, also auch die des herkömmlichen Waldbaus auf den Prüfstand.

Wir werden dieses Thema in der nächsten Zeit intensivieren, weil die Kritik an der heutigen zerstörerischen Kahlschlagspraxis in Eichen-Hainbuchen-Wäldern zum Weiterdenken der Alternativen zwingt. Und wo das nicht innerhalb der Waldpraxis geschieht, muss es eben in diese Praxis von außen hineingetragen werden.

Karl-Friedrich Weber

Foto: Karl-Friedrich Weber
Weidelandschaften am Vättern, Südschweden 2015

Huteeichen Schweden a 25-9-2015

Huteeichen Schweden b 25-9-2015

Huteeichen Schweden c 25-9-2015

Huteeichen Schweden d 25-9-2015


24. 02. 2013 :

Gert Habermann

Pestizideinsatz versus ökologischer Forstschutz
Gedanken zur Bekämpfung der Eichenfraßgesellschaften
Frühjahr 2012
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Im letzten Jahr schreckte mich eine Meldung auf, die ich hier zur Diskussion stellen möchte. Niedersachsens Agrarminister und gleichzeitig oberster Forstchef, Gert Lindemann, leistet im internationalen Jahr der Wälder einen bemerkenswerten Beitrag zum Schutz des Waldes. So fordert Lindemann in dramatischen Worten, anlässlich der Vorlage des Niedersächsischen Waldzustandsberichtes 2011, einen verstärkten Biozideinsatz in Eichen- und Kiefernwäldern.

Zitat: „Wir dürfen den Wald den gefährlichen Schädlingen nicht wehrlos ausliefern. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass die bevorstehende bundesweite Neuregelung des Pflanzenschutzrechtes den Waldbesitzern bei drohendem Kahlfraß effektive Bekämpfungsalternativen ermöglicht. Und weiter: „Auch im nächsten Frühjahr müssen wir an Kiefer und Eiche mit drohendem Kahlfraß durch Schadinsekten rechnen. Ich rate allen Waldbesitzern wachsam zu sein und den Empfehlungen unserer Waldschutz Experten zu folgen“, warnt Lindemann.

Als ehemaliger Forstbeamter weiß ich, dass es immer ein schwieriger Abwägungsprozess ist, und es niemals nur ein Richtig oder Falsch beim Einsatz von Chemie gibt.
Allerdings erinnere ich mich noch zu gut an den landesweiten Einsatz von Toxaphen oder Pellets gegen Mäusefraß, die chemischen Läuterungen mit Tormona 100 und Round up, sogar per Hubschrauber gegen massiven Birkenanflug, den großflächigen Einsatz von Herbiziden gegen Vergrasung und den verstärkten Hubschraubereinsatz mit Dimilin und Bacillus thuringiensis gegen Eichen- und Kiefernfraßgesellschaften usw.
Von vielen dieser Mittel wissen wir, dass sie krebserzeugend sind und zahlreichen Arten des Ökosystems Wald häufig größeren Schaden als Nutzen bringen. Erschreckendes Beispiel: „Round up/Glyphosat“. Dieses massenhaft weltweit eingesetzte Pflanzenschutzmittel galt bislang als selektiv wirkend und als völlig ungefährlich. Mehrere seriöse Studien belegen aber, dass es in Verdacht steht, Missbildungen beim Menschen auszulösen und eine drastische Reduzierung der Artenvielfalt zur Folge habe (F. William Engdahl vom 02.10.2010) Die biochemischen Eigenschaften von Glyphosat machen Pflanzen krankheitsanfälliger, reduzieren die Verfügbarkeit von Nährstoffen und viele Arten entwickeln zunehmend Resistenzen.
Die Generalstaatsanwaltschaft von New York verpflichtete Monsanto zu einer Unterlassungserklärung dahingehend, dass glyphosathaltige Pestizide vom Hersteller nicht mehr als sicher, ungiftig, harmlos, risikofrei, biologisch abbaubar, umweltfreundlich, oder gar als ökologisch vorteilhaft bezeichnet werden dürfen.

Aus der Literatur ist bekannt, dass trotz des Einsatzes chemischer und auch biologischer Pflanzenschutzmittel der völlige Zusammenbruch z.B. von Mäusepopulationen oder von Eichenfraßgesellschaften immer wieder verzögert bzw. verhindert wird. In unbehandelten Flächen dagegen brach die Mäusepopulation nach Erreichen einer bestimmten Dichte von selbst zusammen. Bei Populationen gibt es das mehr oder weniger periodische Anwachsen auf hohe Dichten, die dann unter der Wirkung der Antagonisten auch ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zusammenbrechen. Aus der Landwirtschaft ist hinlänglich bekannt, dass der Chemieeinsatz eine Spirale in Gang setzt, die immer höhere Mittelmengen zur Folge hat, mit langfristigen, oft verheerenden Auswirkungen auf Boden, Wasser, Luft, Menschen, Pflanzen- und Tierreich.

Mir scheint, dass auch im Wald die Nutzfunktion, aller Beteuerungen der Waldbesitzer zum Trotz, oberste Priorität hat und dass sich eine Gleichrangigkeit der Schutz- Nutz- und Erholungsfunktionen auf leere Worthülsen reduziert.

Foto: Karl-Friedrich Weber

Belaubungszustand der Eichen am 16. Juni 2013 im Vogelschutzgebiet 48 – Wälder zwischen Braunschweig und Wolfsburg, zu dem auch der Stadtwald Wolfsburg gehört. Es ist die Phase des auffälligsten Fraßbildes, bevor der sog. Johannistrieb die Kronen wieder voll belaubt. Dieser Zustand ist für Eichenwälder in dieser Region völlig normal.

Eichenfraß 6-2013

 

 


 

 

 

 

 

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland