FFH – Lug, Trug, Rechtsbruch

13. 12. 2019

in diesen Tagen …

Impressionen aus dem FFH-Gebiet Beienroder Holz, gleichzeitig Vogelschutzgebiet zwischen Braunschweig und Wolfsburg.

Die Sommertrocknis 2018 und 2019 ermöglicht den Niedersächsischen Landesforsten neue Begründungen, die intensiven Nutzungen der vergangenen 15 Jahre in den Eichen-Lebensraumtypen fortzuführen.

Wo waldbaulich nichts mehr zu holen ist, sind zum Beispiel Verkehrssicherung und dürrlaubige Buchen und Hainbuchen willkommene Gründe, Brennholzwerbung durch Schwermaschineneinsatz auf geologisch seltenen und schützenswerten Böden zu betreiben. Eine Schutzgebietsverordnung existiert noch nicht. Ein Managementplan fehlt, ebenso wie eine Rechtsaufsicht des Landwirtschaftsministeriums.

Wildwest im deutschen Schutzgebietswald 2019? Habitatbäume zu Energieholz?

Am 14. Juni 2018 wurde der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, Dr. Klaus Merker, von der Braunschweiger Zeitung inteviewt. „Weil der Wald der Luft CO2 entzieht, brauchen wir leistungsfähige Wälder … „, so Merker
Und zur Sicherheit: „Der Wald ist Rückzugsrevier für viele gefährdete Arten. Sie sind alle willkommen, keine Art wird unter unserer Verantwortung aus dem Wald verschwinden.“

Er ist sich aber auch sicher: „Das Wissen über den Wald nimmt ab.“ Er meint damit allerdings bei den „entfremdeten Städtern“ nicht bei seinem Berufstand.

Eine Erkenntnis hatte Dr. Merker allerdings auf der Mitgliederversammlung des Waldbesitzerverbandes Niedersachsen am 7. Mai 2018 in Isernhagen bei Hannnover: In den Jahren 2015 bis 2017 sei bei Natura 2000 „alles schief gegangen, was schief gehen konnte“.

Auch in den Landesforsten trifft das zu, aber nicht in den letzten zwei, sondern 25 Jahren bis heute.

Befürchten muss niemand etwas, wenn die zuständige Forstministerin Barbara Otte-Kinast versichert: „Ich werde Sie in jeder Hinsicht unterstützen, überzogene Forderungen des Naturschutzes abzuwehen“.

Also weiter wie bisher:
Höhlenbäume und Fledermausquartiere zu Brennhholz!
Denn, so Dr. Merker:
„Gegen die Naturgewalten ist kein Wald gefeit.“

Karl-Friedrich Weber

Foto: Waldbesucher am 4.12.19 im Beienroder Holz

Beienroder Holz 13-12-2019 a

Beienroder Holz 13-12-2019 b

Beienroder Holz 13-12-2019 c

Beienroder Holz 13-12-2019 d

09. 11. 2019

Wald im Klimastress beherrscht die Schlagzeilen. 800 Millionen Euro Hilfen will Bundeswaldministerin Julia Klöckner für 180 000 ha Schadflächen bereitstellen. Niedersachsens Waldministerin Barbara Otte-Kienast inszeniert öffentlichkeitswirksame Pflanzaktionen mit den Landesforsten und will selbst 49 Millionen Landesmittel aus Steuergeldern dazu tun:

„Uns allen in der Landesregierung ist klar, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, unseren Wald zu retten. Deshalb muss uns diese Aufgabe auch das Geld wert sein.“

Wer fragt da schon, wofür denn eigentlich genau?

Es gibt wenige forstwissenschaftliche Aussagen, die einhellig sind. Eine lautet, in dieser Zeit Bestände geschlossen zu halten, um Verdunstungskühle zu erzeugen.

Nicht so in FFH- und Vogelschutz-Waldgebieten der Niedersächsischen Landesforsten. Im Forstamt Wolfenbüttel wird gehackt, was das Zeug hergibt; zum Beispiel im FFH-Gebiet Wendhausen, gleichzeitig Vogelschutzgebiet. Die desaströsen Kahlschläge in den einzigartigen Stieleichen-Hainbuchenwäldern und die bodenzerstörenden Einsätze der Holzbringungs- und Kulturtechnik waren in den vergangenen fünfzehn Jahren immer wieder in der öffentlichen Kritik.

Die Jagd auf stehendes Totholz war obligatorisch. Der Erhaltungszustand dieser Wälder hat sich nachweisbar drastisch verschlechtert.

Ein vorgeschriebener Managementplan existiert ebenso wenig wie eine seit zwanzig Jahren überfällige Naturschutzverordnung.

Unbeeindruckt von der öffentlichen Diskussion und der rechtswidrigen Situation heißt es, weiter so wie bisher.

Ob forstlicher Unverstand oder bewusste Inkaufnahme von Bodenzerstörung und Destabilisierung der alten Wälder sei dahingestellt. Die Bilder von heute Nachmittag sprechen für sich: Entnahme von Hainbuchen geringer Dimension und Buchen voller Spalten- und Höhlenstrukturen ohne waldbauliches Erfordernis. In früheren Jahren nannte man es Entrümpelungshiebe, wobei viele Holznutzer es nicht besser wussten – heute können wir es als Biotopzerstörung bezeichnen, und die Bewirtschafter müssten das heute wissen. Der Bestandesschluss, der 2004 noch 90% betrug, ist auf geschätzte 50 % gesunken.

Das Ergebnis des „Kinderschlachtens“ liegt an der Waldstraße neben eingeschlagenem ungenutztem vermoderndem Holz aus vergangenen Durchhieben.

In einer forstlichen Betriebswirtschaft, die auch ohne Trockenjahre vorhersehbar abwärts fährt, geht es offenbar um jeden Euro. In Zeiten zusammengebrochener Marktpreise gilt wohl statt weniger ist mehr, besser mehr, auch wenn es weniger ist.

Die Ministerinnen Klöckner und Otte-Kienast werden in Begleitung des forstlichen Anstaltspräsidenten und medialer Öffentlichkeit weiter Bäumchen pflanzen im Klimawald der Zukunft, während in Schutzgebieten die stofflich geringwertigsten Verkaufssortimente verramscht werden und es mit den Erhaltungszuständen dieser Schutzwälder weiter bergab geht.

Und keine Fach- und Rechtsaufsicht schreitet ein. Was gilt schon gute fachliche Praxis? Was gilt schon geltendes Recht?

Kommentar und Foto: Karl-Friedrich Weber

FFH-Wendhausen 8-11-2019 a

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Forstwirtschaftliche Eingriffe der beschriebenen Art in europäisch geschützte Wälder ohne Naturschutzverordnung, Verträglichkeitsprüfung oder alternativ einen abgestimmten Managementplan und damit ohne Rechtsgrundlage sind nach Umweltschadensrecht Biodiversitätsschäden und müssen Haftungen auslösen. Unter bestimmten Bedingungen können es Straftatbestände sein. In jedem Fall sind es Amtspflichtverletzungen der Verantwortlichen Beamten und müssten disziplinarrechtlich verfolgt werden. Das alles ist geltendes Recht. Ich kenne keinen Fall unter hunderten ähnlich gelagerten Rechtsmissbräuchen, in dem es zu disziplinarischen Folgen gekommen wäre. Der Rechtsbruch in der Forstwirtschaft und insbesondere im öffentlichen Wald ist eine Normalität, die deshalb kaum mehr bewusst ist.

Das sogenannte Anstaltsgesetz in Niedersachsen ist politisch beschlossen worden, hatte aber lediglich zum Ziel, nach einigen Jahren eine schwarze Null zu schreiben. Landespolitiker haben mir immer wieder bestätigt, dass es die forstlichen Meinungsführer waren, die behaupteten, dass sogar erhebliche Gewinne möglich seien. Niemand hätte verlangt, Geldgewinne auf Kosten der Ressource Wald zu machen. Eine derartige Aussage ist eine Rechtfertigungslüge, die auch ohne zwei Hitzesommer unweigerlich zum Offenbarungseid geführt hätte.

Die Kompensation von Einbußen [durch Kalamitätsfichtenholz] durch Einschlag noch vitaler Buchen ist schriftliche Handlungsanweisung der Niedersächsischen Landesforsten an die Forstämter.

01.11. 2019

„Die Rumänischen Staatsforste Romsilva, die die Wälder eigentlich schützen sollten, beschlossen aber eine Forststraße durch den Park zu bauen. Und dies, obwohl sie dafür keinerlei Genehmigung der Parkverwaltung besaßen und keine angemessene Natur- bzw. Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben durchgeführt worden war. Offensichtlich bestand die Absicht, Holz im Schutzgebiet zu ernten und der Straßenbau sollte dies verschleiert ermöglichen.“

Was in diesem Fall zu einem Baustopp geführt hat, bleibt in Deutschland unsanktioniert – z.B. Wegeneubauten in FFH-Gebieten der Niedersächsischen Landesforsten, ohne Plangenehmigungsverfahren, ohne FFH-Verträglichkeitsprüfung und ohne vorgeschriebene Verbändebeteiligung. So weit liegen die Verhältnisse beider Staaten nicht auseinander.

Wegeneubau in einem FFH-Gebiet der Niedersächsischen Landesforsten ohne Plangenehmigung und Einvernehmen der Unteren Naturschutzbehörde und ohne naturschutzrechtliche Verbandsbeteiligung. Ein Managementplan existiert nicht. Eine FFH-VP ist nicht erfolgt. Nach erfolgtem Neubau wurde der Buchenaltbestand links im Bild auf Vorschlag des BUND als Nichtwirtschaftsfläche (NWE) ausgewiesen. Der Weg ist somit ohne wesentliche betriebliche Funktion, die eingesetzten Geldmittel ein Fall für das Schwarzbuch des Bundes für Steuerzahler.

04. 03. 2019

Das Nutzungskonzept der naturnahen Waldwirtschaft ist seit Anfang 1990 Leitlinie nahezu aller Bundesländer. Waldbaulich wird darunter unstrittig eine Dauerwaldbewirtschaftung verstanden, die nicht nur die wirtschaftlichste Nutzungsform darstellt, sondern auch Naturschutzziele bestmöglich integrieren und verwirklichen kann.

Da sich deutsche Wälder gegenwärtig in einem überwiegend naturfernen Zustand befinden, lassen sich insbesondere Nadelholzreinbestände nur langfristig in ungleichaltrige und kleinflächig strukturierte Dauerwälder umwandeln. Es liegt deshalb in der waldbaulichen Logik, dass die möglichen waldbaulichen Zwischenschritte so zeitig wie möglich erfolgen, vor allem durch Verlängerung der Verjüngungszeiträume von Buchen- und Eichenwäldern.

Tatsächlich geschieht das Gegenteil. Der wieder beschleunigten Endnutzung älterer Wälder, oft weit vor ihrer höchsten Wertschöpfung, folgen gleichaltrige Verjüngungsstadien, die in neue Altersklassenwälder laufen und naturnahen Nutzungskonzepten entgegengesetzt sind.

Während die Niedersächsischen Landesforsten das einstmals vorbildhafte Regierungsprogramm LÖWE (Langfristige Ökologische Waldentwicklung) endgültig hinter sich lassen und inzwischen das Schlusslicht in Deutschland markieren, haben andere Forstbetriebe immerhin klare Bekenntnisse und konkrete Betriebsanweisungen zum Dauerwaldprozess herausgegeben.

So stellte der Landesforstpräsident Max Reger von ForstBW in seiner Anweisung vom 2.10.2013 fest:

„Da Schirmhiebe, Saumschläge, Kahlschläge und – flächenmäßig am bedeutendsten – Räumung über vorhandener Verjüngung dem angestrebten Ziel einer Buchenbewirtschaftung im Dauerwald entgegenlaufen, werden alle noch ausstehenden Nutzungsplanungen in Beständen mit vorstehenden Verjüngungsverfahren mit sofortiger Wirkung auf 30% reduziert, es sei denn, die bisherige Planung ist bereits geringer. Dieses Vorgehen führt rund zur Halbierung der bisherigen Nutzungsplanung. …“

Auch die Bundesforsten bekennen sich zu den Prinzipien der Dauerwaldbewirtschaftung, wie aus dem nachstehenden Schreiben Minister Siegmar Gabriels vom April 2007 hervorgeht.

In der Leitlinie Wald Sachsen-Anhalts von 2014 heißt es:

Der entscheidende Grundsatz ökogerechter Waldbewirtschaftung bleibt die Abkehr vom Prinzip des schlagweisen Hochwaldes. Stattdessen ist der Wald grundsätzlich im System des schlagfreien Hochwaldes zu bewirtschaften, der langfristig zum Dauerwald führt.

In Niedersachsen gilt für Schutzverordnungen, dass selbst in FFH-Lebensraumtypen ein alter Waldanteil über 100 Jahre von 20% der Fläche und einem Bestockungsgrad auf dieser 20%-Fläche von 30% noch als günstiger Erhaltungszustand (B) bewertet wird.

Diese groteske Erlassvorgabe, die Verschlechterungen zulässt und an die sich die verordnungsgebenden Naturschutzbehörden der Landkreise trotzdem entgegen ihrer einhelligen rechtlichen Bedenken strikt zu halten haben, legt offen, dass es den Akteuren in den verantwortlichen Ministerien (Forst und Umwelt) weder um forstwirtschaftliche, noch um europarechtliche Belange zu gehen scheint.

Es geht angesichts der ins Haus stehenden EU-Vertragsstrafen wohl nur noch um zügige Verordnungsbeschlüsse, ganz gleich, wie rechtswidrig sie sind. Um die betriebswirtschaftlich relevanten Schäden in den Wirtschaftswäldern des Landes und um rechtsstaatliches Handeln im Verfassungsstaat Deutschland geht es augenscheinlich ohnehin nicht mehr.

Und einmal mehr basiert die Hoffnung auf Korrektur nicht auf der Einsicht der Verantwortlichen, sondern auf den Entscheidungen der Gerichte.

Karl-Friedrich Weber

Korrespondenz BMU 2007

Korrespondenz BMU Sigmar Gabriel 2007 - b

Korrespondenz ForstBW 2013 zu Buchen-Dauerwaldbewirtschaftung

Ich hatte als Mitglied der Arbeitsgruppe zur „ökologischen Weiterentwicklung“ des LÖWE vergeblich gefordert, den Begriff Dauerwald als waldbauliches Entwicklungsziel klar zu benennen. Dem wurde nicht gefolgt. Auch eine klare Definition für Naturnähe wurde abgelehnt. Meine spätere schriftliche Frage an Herrn Prof. Dr. Ammer nach einer derartigen Definition blieb ergebnislos. Mein Antrag, eine anerkannte Definition von REIFF (2000) in LÖWE zu übernehmen, (zitiert in den Beiträgen aus der NW-FVA, Band 3, S. 163, 2008) wurde von deren Leiter und AG-Mitglied Prof. Dr. Spellmann mit dem Argument abgelehnt, man müsse auch noch wirtschaften können. Erkennbar im gesamten Prozess war eine durchgehende Strategie, Begriffe nicht zu präzisieren und durch klare Definitionen zu belegen. Die Ergebnisse erfahren wir in den aktuellen Betriebsgeschehen.


17. 02. 2019

Wie sieht ein naturschutzpolitischer Gau aus?

https://www.bund-helmstedt.de/pdf/vvv_2014_2262_FFH-Schutzgebiete_erg_Mahnschr_250119.pdf?fbclid=IwAR3n7uVBVq8QRY1lHI8IR7_fS4otI0XKbtzg4rS5wuIT2hf6PzKzSku0Erg

https://www.bund-helmstedt.de/pdf/vvv_2014_2262_FFH-Schutzgebiete_erg_Mahnschr_250119_Anlage.pdf?fbclid=IwAR16ag6cjC9TzS6bmZM1ZTrsWCWdYEXPpI0lOKxXxu1_VHFCk4iAzY724no

Bezüglich des Vertragsverletzungsverfahren 2014/2262 wegen mangelhafter Umsetzung der FFH-Richtline und der Vogelschutzrichtlinie ist bereits am 27.02.2015 ein Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland ergangen, weil die Umsetzung der FFH-RL in Schutzgebiete seit Jahren verfristet war.

Für 787 der 4606 FFH-Gebiete fehlte zum Stichtag 3. August 2018 eine Schutzgebietsausweisung. Für 1320 Gebiete sind die Erhaltungsziele noch nicht festgelegt. Es fehlen auch zahlreiche Bewirtschaftungspläne, die im Internet nicht bekannt gegeben wurden.

Die EU-Kommission hat nun am 24.1.2019 ein erneute Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland gesandt, in dem sie wesentliche Anforderungen präzisiert.

Die Erhaltungsziele müssen quantifiziert und messbar sein. Ohne quantifizierbare Ziele und ihre Festlegungen durch spezifische und detaillierte Erhaltungsmaßnahmen, sind nach Auffassung der Kommission die Ziele nicht erreichbar.

Ein Gau für alle Vereinfachter, Rechtsbeuger und Abwiegler, die zu der Verfristung maßgeblich beigetragen haben, ist jedoch, dass hierzu der Ausgangszustand für die Schutzgüter (Lebensrautypen und Arten der FFH-Richtlinie) präzise beschrieben werden muss.

Maßnahmenpläne sind konkret und wirksam zu gestalten, deren Verbindlichkeit auch für Dritte (Forstwirtschaft) sichergestellt werden muss. So mancher Managementplan in den Wäldern gehört nach dieser Maßgabe zu Recht in den Reißwolf.

Das bedeutet, dass die jahrelange Kritik der Verbände und kommentierender Juristen an der formell- und materiell-rechtlichen Unzulässigkeit in der bisherigen Umsetzung bestätigt worden ist.

Hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass so gut wie sämtliche bisher in Kraft gesetzte Schutzverordnungen diesen Ansprüchen nicht genügen und wahrscheinlich europarechtswidrig sind. Die noch ausstehenden im Verfahren befindlichen oder noch nicht begonnenen Schutzgebietsausweisungen können auf den bisherigen Grundlagen (Anwendungserlasse etc.) nicht zuende geführt werden, wenn sie nicht angepasst werden.

Niedersachsen ist laut Liste der Schutzgebiete einmal mehr absolutes Schlusslicht. Betroffen hiervon sind insbesondere auch die öffentlichen Landeswälder.

Dabei kommt dem Ausgangszustand eine zentrale Bedeutung zu. Seit 1992 besteht ein Verschlechterungsverbot für faktische Gebiete. Die Umsetzungsfrist war 1998 abgelaufen. Seitdem haben sich zahlreiche FFH-Waldschutzgebiete in ihrem Erhaltungszustand (alte Wälder, Böden etc.) oft elementar verschlechtert.

Die Ersterfassungen sind oft fehlerhaft und in den Landesforsten nach unseren Erkenntnissen stark von den Nutzerinteressen beeinflusst oder bestimmt worden, vor allem, wenn sie in eigener Verantwortung erfolgten.

Der BUND Niedersachsen hat die Erlass-Situation als Aufforderung zum Rechtsbruch bezeichnet, was sich jetzt offensichtlich bewahrheitet.

Was aber quantifiziert werden kann, sind z.B. die Forsteinrichtungsdaten (Naturaldaten) und deren Fortschreibung, die bisher als Betriebsgeheimnisse deklariert wurden. Sie werden so zu öffentlich zugänglichen Umweltdaten, bzw. im Rahmen der Verbandsbeteiligungen sektoral zu einschlägigen Sachverständigengutachten. Selbst wenn diese Daten verformt sind (zu hohe Bestockungsgrade, Brusthöhendurchmesser etc.), könnten Inplausibilitäten im Abgleich mit Vorräten und Nutzungsansätzen, tatsächlichen Entnahmen, sowie der aktuellen Situation in den Beständen herausgefiltert werden.

Ein weites Feld und viel Arbeit, die jedoch unausweichlich wird. Das Desaster in den Schutzgebietswäldern bekommt nun ein Gesicht.

Das Schreiben der EU-Kommission ist noch weitgehend unbekannt und wird bisher auch nicht öffentlich und politisch thematisiert. Das sollten wir aber tun und es schnell weiterverbreiten. Ich habe es deshalb auch verlinkt (s.o.).

Für mich bleibt einmal mehr die Frage: Warum musste in einem Rechtsstaat wie Deutschland dazu kommen?
Wer hat versagt? Werden wir draus lernen? Oder bleibt alles beim weiter so?

Karl-Friedrich Weber

Foto: Karl-Friedrich Weber

Großkahlschläge in Eichen-Lebensraumtypen der FFH/Vogelschutz-Gebiete Braunschweiger Wälder und Beienroder Holz im Frühjahr 2006. Zu beschreiben ist nunmehr der Ausgangszustand, um den Grad der Verschlechterung zu bemessen, der dann durch konkrete Maßnahmen wiederherzustellen bzw. falls nicht mehr möglich, zu kompensieren ist.

FFH-EU-Vertragsverletzungsverfahren 17-2-2019 c

FFH-EU-Vertragsverletzungsverfahren 17-2-2019 a

FFH-EU-Vertragsverletzungsverfahren 17-2-2019 b


25. 11. 2018

Lug, Trug und Rechtsbruch …

Am 24.11.2018 vermeldete der Hannover-Korrespondent der Braunschweiger Zeitung, Michael Ahlers, dass beim Ausweisen von Schutzgebieten des Netzes Natura 2000 das Land Niedersachsen weitere EU-Fristen nicht einhalte und nunmehr bundesweites Schlusslicht sei. Ahlers beruft sich auf eine Antwort der Bundesregierung.

„Die EU hatte 1992 beschlossen, dass ökologische Schutzgebiete ausgewiesen werden sollen. Die Gebiete müssen innerhalb von sechs Jahren nach der Aufnahme in die Gebietslisten rechtlich abgesichert werden. Das wäre für die meisten deutschen Gebiete 2009/2010 gewesen (Anm.: Das Verschlechterungsverbot galt jedoch bereits ab 1998)

Konkret geht es noch um 90 von jenen 385 Flächen, die Niedersachsen bis 2006 an die EU gemeldet hatte.

Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland hatte die EU 2015 eingeleitet. Nun könnte wegen der weiteren Verzögerungen gar ein Klageverfahren drohen. Das Land Niedersachsen erklärte die Verzögerungen mit einer besonders engen Abstimmung, die man mit Jägern, Waldbesitzern, Landbesitzern und anderen suche.“

„Der niedersächsische Weg ist zwar arbeitsintensiv, aber dafür bürgernah und demokratisch“, erklärte der SPD-Umweltminister Lies am Freitag.

Diese Version ist atemberaubend.

Während die Lobbyisten der Bodeneigner auf breiter Front und in abgestimmter Weise in den Kreistagen jeden wirksamen Schutz bekämpften, hatten die Gemeinden als Bürgervertretung den Verordnungsentwürfen in der Regel zugestimmt. Das nennt Herr Lies ein bürgernahes demokratisches Verfahren.

Und er setzt den frustrierten Naturschutzbehörden noch eins drauf: Jetzt dränge die Zeit, obwohl die Landkreise unter Hochdruck arbeiteten, so sein Ministerium – was für ein Hohn.

Ahlers weiter: „Die Vorwürfe zielen vor allem auf den früheren, mittlerweile verstorbenen FDP-Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander“ – Aha, und wer hat diesen hasserfüllten Minister gestoppt, der mir in einem Gespräch seine pathologische Philosophie erklärte, wonach zuerst Bauern, Jäger und Fischer kämen und danach „die intellektuellen Naturschützer“.

Bei den Schuldzuweisungen darf der ehemalige grüne Waldminister Christian Meyer nicht fehlen, der gemeinsam mit dem ebenfalls grünen Umweltminister Stefan Wenzel seinen Ministerialbeamten Feuer hätte machen können. Nichts geschah – vier Jahre lang. Sie haben sich am Nasenring führen lassen. Und die SPD tat nichts dazu. Sie hat dem Vernehmen nach mit ausgebremst.

Wann hatten Sozialdemokraten in den vergangenen Jahrzehnten schon einmal die Courage, einen zukunftsfähigen Naturschutz nicht nur zu postulieren, sondern auch politisch durchzusetzen.

„Bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie darf es nicht bei Appellen und Schulterzucken bleiben“, so Meyer heute. Umweltminister Lies müsse den Kommunen klar machen, dass weitere Verschleppungen der Ausweisung von Naturschutzgebieten auch Sanktionen für die Landkreise bedeute, die sich nicht an das geltende EU-Recht hielten.

Um die „bestehenden Mängel“ zu beseitigen, hätten der Niedersächsische Landkreistag und das Landesumweltministerium im Sommer 2014 eine politische Zielvereinbarung unterzeichnet. Auch danach sollten die Gebiete bis Ende 2018 „vollständig gesichert“ sein.

Das ist zum Schreien komisch, haben er und Wenzel doch zumindest vier Jahre lang die Verantwortung für die rechtswidrige Situation getragen und durch ihre Beamten weiter verschleppt und waren es doch auch seine Ministerialforstbeamten, die zugelassen, und damit indirekt zumindest gefördert haben, dass Forstämter vor Ort im Wege der sogenannten Beratung und in teilweise unglaublicher Weise schwerste Geschütze gegen Verordnungsentwürfe der Landkreise auffuhren.

Welche Missachtung geltenden Rechts inzwischen im Staatswesen besteht, wird aus der schnodderigen Haltung der Niedersächsischen Staatskanzlei deutlich:

Ahlers führt dazu aus: „Am Ende eines gestuften und komplexen EU-Verfahrens könnte zwar eine Strafzahlung von mindestens 11,83 Millionen drohen, so der Bund. Als weiteres tägliches Zwangsgeld seien bis zu 861 000 EURO täglich möglich. In der Landesregierung setzt man allerdings darauf, dass es soweit nicht kommt. Laut Landesumweltministerium wurde Deutschland noch nie vom Europäischen Gerichtshof zu Strafzahlungen verpflichtet. Und der EU, so eine Sprecherin der Staatskanzlei, gehe es um den Umweltschutz.“

Im Klartext, niemand wird belangt für den Schaden, kein Beamter, kein Politiker, kein politischer Lobbyist – wenn schon, dann der Steuerzahler. Aber das macht nichts, schließlich geht es um den Umweltschutz.

Die bisherigen windelweichen Schutzverordnungen – damit auch wirklich keiner mehr mosern kann – schützen nicht, sondern sind ein Aufruf zum Rechtsbruch. Daran wird sich auch 2019 nichts ändern. Minister Lies wird jedenfalls nichts mehr dazu beitragen können, und die CDU bleibt unbehelligt, obwohl sie von Beginn an der Schlüssel zu dieser Misere war. Sie kann sich eins ins Fäustchen lachen.

Nicht nur Lug, Trug und Rechtsbruch also, sondern auch politische Dummheit, die nicht mehr steigerungsfähig ist – jedenfalls nicht in einem Rechtsstaat.

Karl-Friedrich Weber

Foto: Karl-Friedrich Weber

1,3 ha großer Kahlschlag in einem alten Eichenwald des Vogelschutz- und FFH-Gebietes Braunschweiger Wälder im Staatlichen Forstamt Wolfenbüttel 2014

Kahlschlag im Eichen-FFH-Gebiet Post 25-11-2018
Er [= der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies] unterscheidet sich wohl nicht von anderen Ministern, auf die wir große Hoffnung gesetzt hatten; hoffentlich noch von denen, auf die wir ohnehin keine Hoffnung setzen konnten.


Mehr zum allzu oft zu beobachtenden beschämenden Trauerspiel der FFH-Gebiete im Wald:

http://waldproblematik.de/ffh-gebiete/

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland