22. 10. 2018 :
Dinner for One …
Die 3. Bundeswaldinventur von 2012 und ihre Zahlen werden unbeirrt auch heute beliebig für die ganze Bandbreite froher Botschaften aus dem Wald angeführt. Da ist es sicher legitim, hin und wieder einen Klassiker aus dem Jahre 2014 aufzulegen. Man kann ihn immer wieder gern hören, wie dinner for ohne zu Silvester … das geht Kindern schließlich genauso, wenn Oma ihnen Märchen vorliest …
und es passt gut zu unserem Thema „die Sache mit den Zahlen“
[Kommentar zum Beitrag „Wundersame Waldvermehrung: Der Zahlentrick des Ministers“ aus der kritisch-satirischen BR-Sendung „Quer“ vom 06.11.2014]
Es ist mir nach wie vor nicht erklärlich, welchen wissenschaftlichen, praktischen oder statistischen Wert es im Rahmen einer Waldinventur hat, bis 20 cm hohe Sämlinge als Bäume zu definieren und zu zählen.
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Anm. d. Seitenbetreibers:
Der politische Wert einer solchen Aussage ist natürlich unbezahlbar. Die 90 Milliarden „Stämme“ / Bäume sind, einmal in die Welt gesetzt, einfach unausrottbar.
Die Sache mit den Zahlen
– Einführung – 16. 08. 2017
Zahlen lügen nicht. Zahlen sind nicht vorhanden, sondern werden erschaffen. Sie dienen bestimmten Zwecken und sollen zumeist etwas Aussagen, als Beweis dienen, oftmals auch das Tun und Unterlassen von etwas begründen.
Nicht die Zahl an sich, sondern deren Erzeugung, Benutzung oder Interpretation kann Wahrheit und Lüge widerspiegeln. Sie kann aber auch einfach nur Ausdruck von Unvermögen sein, mit einer Zahl richtig umgehen zu können. Das wäre die harmlosere Variante. Ich wäre da nicht frei von.
Zahlen sind keine Beweise an sich, sondern dienen stets dem Kontext, in den sie gestellt und durch den sie benutzt werden. Dazu gehören die Informationen darüber, wie und auf welcher Basis sie entstanden sind. In der Naturwissenschaft gibt es dafür ein Regelwerk, von dem trotzdem kein seriöser Naturwissenschaftler behaupten würde, dass es unumstößliche Beweise sichere.
Wer Zahlen nackt in den Raum stellt und sie als Beweise anführt, will oft etwas verbergen. Zahlen mit Wahrheit gleichzusetzen, kann entsprechend ihrer Bedeutung gefährlich sein.
Wir wollen uns an dieser Stelle jedoch nicht in die Tiefen der Philosophie und in die Mühlen von Rationalismus und Empirismus begeben.
Es genügt uns, wenn wir Zahlen und deren Aussagen, die sie beinhalten (sollen) nicht nur einfach glauben schenken, sondern sie unseren Möglichkeiten entsprechend kritisch überprüfen lernen.
Einige Beispiel in der nächsten Zeit wollen das Thema aufnehmen.
Text und Foto: Karl-Friedrich Weber
Rudimentärer Rest eines alten Buchenwaldes im FFH-Gebiet Nordwestlicher Elm, der sich zu einem neuen Alterklassenwald entwickelt.
1. Folge – 16.8.17
Der Buchenanteil am niedersächsischen Landeswald
Die Niedersächsischen Landesforsten ziehen am 23.5.2011 auf einer Tagung der Niedersächsischen Naturschutzakademie das Facit: „Die Buchenflächen nehmen beständig zu“.
Wir wissen nicht, was gemeint ist – der Anteil der Buchen an einer Fläche oder der Flächenanteil einer Buchenwaldgesellschaft und beschränken uns deshalb auf den unscharfen Begriff des Flächanteils, unabhägig von seiner Aussagekraft.
Wir möchten gern wissen, wie sich der Flächenanteil der Buche in den Niedersächsischen Landesforsten (NLF) in den letzten 60 Jahren verändert hat und gehen auf die Suche.
Wir wollen den veröffentlichten Aussagen der NLF glauben, wonach durch das Programm der Langfristigen ökologischen Waldentwicklung in Niedersachsen (LÖWE) eine Erfolgsgeschichte des Waldes geschrieben worden sei.
Zur Beweisführung gibt es eine „Bilanz“ in der Schriftenreihe „Aus dem Walde – Waldentwicklung in Niedersachsen“ – Heft 60 von 2016.
In der Abb. 1 auf Seite 5 sind die Baumartenanteile im Landeswald zum Zeitpunkt des LÖWE-Programms 1991 aufgezeigt (Forsteinrichtungs-Datensatz der Einrichtungsperioden 1986 – 1996).
Der Anteil der Buche betrug hiernach 21%.
Auf Seite 19 der LÖWE-Bilanz finden wir die Grafik in Abb. 8 „Flächenanteile der Baumarten in der herrschenden Schicht zu den Stichtagen der Bundeswaldinventuren (BWI 1, BWI 2 und BWI 3). Danach betrug der Flächenanteil der Buche in der herrschenden Schicht 19,1% im Jahre 2002 und 20,5% im Jahre 2012.
Der Geschäftsbericht 2005 der NLF weist einen Buchenanteil von 21% aus. Auch für 2012 weisen die NLF einen Buchenanteil von 21% aus, während die Tabellen des Thüneninstitutes für die BWI 3 (2012,https://bwi.info/) einen Anteil von 20,5% ausweisen. Das entspricht einer Aufrundung des Flächenanteils durch die NLF um 1.619 ha. Aber so genau wollen wir es nicht nehmen.
In der Interpretation der Ergebnisse der BWI 3 durch die NLF stoßen wir auf Merkwürdigkeiten (http://www.landesforsten.de/BWI-3-Diagramme-und-Grafiken-NLF.2930.98.html). Hiernach hat der Waldanteil der Buche von 2002 bis 20012 um 5.000 ha zugenommen. Was ist der Unterschied von Waldanteil und Flächenanteil?
Ganz schön verwirrend. Eine Möglichkeit, die Bedeutung der Zahlen von Forsteinrichtung und NLF zu klären, haben selbst wir nicht, geschweige denn der Politiker oder die Öffentlichkeit.
Im Ergebnisprotokoll einer Dezernatsleiterbesprechung vom 8.5.2007 heißt es:
„Behördenleiter – Abgabe von Daten. Es sollen keine unternehmensinternen Daten an Dritte gehen. Zu den unternehmensinternen Daten zählen z.B. schon die Unterabteilungen, die Angaben der Nachwuchsbaumarten, Vorräte, Hiebssätze, Einnahmen etc..“
Sind das nicht Umweltinformationen, auf die jeder Bürger der EU einen Rechtsanspruch hat?
Wir sind also auf die Zahlenangaben der NLF angewiesen. Aber welcher Zahlen? Wir versuchen rückwärs zu gehen und stoßen auf die Angaben der Langfristigen ökologischen Waldbauplanung von 1974 und 1989 (Aus dem Walde 1989, Heft 42, Band I)
Dort erfahren wir, dass der Holzartenanteil der Buche von 1960 bis 1988 um 7.000 Hektar von 23,6% auf 20,5% abgenommen hat.
Wir erkennen, dass die Zahlen, auf die wir zugreifen konnten, aus unterschiedlichen Datenbanken und unterschiedlichen Grundlagen entstammen und keine eindeutigen Definitionen beinhalten. Sie führen deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Wir entnehmen diesen Zahlen, dass die Buchenfläche der NLF in den letzten 40 Jahren deutlich abgenommen und seit 1991, dem Gründungsjahr des LÖWE – wenn überhaupt – nicht wesentlich zugenommen hat.
Ein Blick in die Betriebsgeheimnisse der NLF darf trotzdem sein:
Danach betrug die Holzbodenfläche 1992 der Buche 65.538 ha (Forsteinrichtung) und vergrößerte sich bis 2012 um 877 ha auf 66.415 ha (BWI3). Das sind ca. 1,3% an der Buchenwaldfläche und ca. 0,3% an der Holzbodenfläche des Landeswaldes in 20 Jahren – beeindruckend.
„Die Buchenflächen nehmen beständig zu“, ist bestenfalls eine Aussage im Rauschen statistischer Fehler. Und wo sich die Flächenvermehrung von behaupteten 5.000 ha herleitet, wäre noch zu ergründen.
Zahlen lügen nicht, sagen aber auch nicht die Wahrheit. Das könnte offenbar eine richtige Aussage sein.
Karl-Friedrich Weber
Ungleichaltriger Buchenwald im FFH-Gebiet Rieseberg mit Uralt-Buchen
Weitere Betrachtungen zu forstlichen Zahlen finden sich hier:
http://waldproblematik.de/4589-2/