11. 02. 2018 :
„Ich freue mich jeden Tag über Produkte aus unserem Wald in Deutschland, da ich weiß, dass die deutschen Forstbetriebe nach Gesetz nachhaltig Wirtschaften müssen und dies auch tun! Mit dem Kauf von Produkten aus deutschen Wäldern sinkt der Bedarf aus Holz aus Raubbau in den Tropen, der Taiga oder sonstigen Urwäldern!
Öffentlichkeitsarbeit, Naturschutz und Wirtschaft – Wald in guten Händen! Danke Landesforsten!“
Wer die Seite „Niedersächsische Landesforsten“ (NLF) öffnet, findet unter „Bewertungen“ vorstehenden Text des Personalleiters Wolf Kleinschmit, einer Führungskraft der Betriebsleitung der NLF in Braunschweig. Wolf Kleinschmit ist gelernter Forstwissenschaftler.
Mit diesen drei kurzen Sätzen wird offengelegt, was die Haltung der forstlichen Eliten – wie sie sich selbst verstehen – prägt. Das hat Ursachen, die zu erkennen sind. Sie liegen auch im beruflichen Werdegang, vor allen aber wohl in der Ausbildung.
Der amerikanische Physiknobelpreisträger Carl Wiemann zeigt im nachstehenden Video auf, was eine der Ursachen sein kann:
http://video.spiegel.de/flash/87/49/1829478_1024x576_H264_HQ.mp4
(Wissenschaftler werden anhand ihrer Publikationen bewertet, und nicht anhand der Qualität ihrer Lehre)
11. 02. 2018 :
Gesucht werden junge Menschen, die eine qualifizierte Ausbildung erfahren wollen und sich nicht durch Universitätsprofessoren oder forstbetriebliche Führungskräfte indoktrinieren lassen. Sie sollten in alle Richtungen kritisch bleiben und sich ihr eigenes Urteil bewahren.
Der Wald sollte für sie ein Mysterium sein, dem sie sich in dem Bewusstsein nähern, dass ihr Wissen stets bescheiden bleiben wird und dass die vermeintlichen Wahrheiten im dienstlichen Alltag stets zu hinterfragen sind.
Sie werden viel Inkompetenz aber auch Hochfahrenheit erfahren, die aus Inkompetenz erwächst und die sie, wenn sie talentiert sind, nicht auf revolutionäre, sondern reformerische Weise abbauen helfen.
Die kritische Frage Einsteins, was ein Frosch vom Wasser wisse, in dem er ein Leben lang umherschwimme, sollte durch einen Bewusstseinakt täglich widerlegt werden, was nur gelingen kann, wenn sie talentiert sind, sich aus der Begrenzung des forstlichen Paradigmas zu befreien.
Sie bedürfen der Heldenpose wie auf dem Foto nicht.
Diese Fähigkeiten müssen sie entwickeln, sie kommt nicht von selbst daher.
Lassen sich derartige Talente finden, muss uns nicht bange sein um einen forstlichen Berufstand, der seine Arbeit gut macht und nicht nur in Form der Phrase „Wald in guten Händen“ auf Hochglanzbroschüren leuchtet.
Karl-Friedrich Weber
Kommentar zur Veranstaltungsankündigung der Niedersächsischen Landesforsten „Waldtalente gesucht! Informationsveranstaltung Refendariat“ am 9.3.2018
Der forstliche Berufsstand und seine Organisationskultur
Der forstliche Berufstand und seine Organisationskultur
Eine Innenbetrachtung von Karl-Friedrich Weber (Teil 1)
Seit 1961 lebe und erlebe ich die Organisationskultur meines Berufstandes. Ich habe sie in starkem Maße verinnerlicht, aber im Laufe vieler Jahre eine zunehmende kritische Distanz zu ihr aufgebaut.
Was sind die Ursachen dafür, dass der Berufstand trotz aller verstärkten Werbung in eigener Sache auf zunehmendes Unverständnis stößt, wenn es um die heutige Form der forstbetrieblichen Praxis und ihrer Bewertung geht?
Sind es die zunehmenden Anforderungen und Ansprüche der Öffentlichkeit an den Wald, wie so oft behauptet wird?
Ist es die Vermutung einer allgemeinen Naturentfremdung und Unkenntnis in Zusammenhänge?
Oder ist es nicht auch umgekehrt ein Berufstand, dem, zwar gut ausgebildet und motiviert, grundlegende Fähigkeiten fehlen oder abhandengekommen sind, gesellschaftliche Prozesse auch in Bezug auf das eigene Verhalten zu reflektieren und daraus einen Paradigmenwechsel zu entwickeln?
Es mag viele Gründe geben und ebenso viele Meinungen. Meine These ist eine von ihnen.
Die soziale Wirklichkeit betrifft Dinge, die nach Auffassung der Gruppenmitglieder nicht empirisch überprüft werden können und deshalb in einem Konsens entschieden werden müssen. (SCHEIN 1995). Eine Organisation bildet laut SCHEIN meist Grundannahmen darüber aus, welche gemeinsame Mission, Strategie und kurzfristigen Ziele eine Gruppe verfolgt. Diese Annahme zählt für sie zur sozialen Wirklichkeit.
Personen, die zum hierarchischen Typ einer starken Gruppenzugehörigkeit zählen, sind zum einen der sozialen Kontrolle der anderen Gruppenmitglieder untergeordnet, zum anderen werden ihnen gesellschaftlich verhängte Rollen abgefordert.
In einer starken Organisationskultur sind die Grundannahmen, Normen und Standards fest verankert.
Vorteile sind u.a.:
Ein klares Profil des Weltbildes, das dadurch für das einzelne Mitglied der Organisation gut verständlich und überschaubar ist. Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten von Ereignissen und Situationen werden reduziert, eine klare Basis für das tägliche Handeln entsteht.
Durch die gemeinsame Sprache, das von den Mitgliedern geteilte Wertesystem und die geteilte Unternehmensvision werden Einigungen oder tragfähige Kompromisse bei der Entscheidungsfindung zügig gefunden.
Da bei einer starken Organisationskultur die Grundannahmen, Normen und Standards verinnerlicht sind, findet Kontrolle indirekt statt. Daher besteht wenig Notwendigkeit, deren Einhaltung häufig zu überprüfen. (KETTNER 2013)
Diesen Eigenschaften stehen Nachteile gegenüber:
Die stark verankerten Grundannahmen, Normen und Standards können zu einer großen beherrschenden Kraft werden, die dafür sorgt, dass Kritik oder Warnsignale, die im Widerspruch zur bestehenden Organisationskultur stehen, überhört oder verdrängt werden. Der Betrieb wird zu einem geschlossenen System.
Die Mitglieder stehen Veränderungen sehr skeptisch gegenüber. Die Sicherheit, die eine starke Kultur bietet, wird durch einen grundsätzlichen Wandel gefährdet. Dadurch entsteht Angst und Abwehrhaltung.
In starken Organisationskulturen besteht eine emotionale Bindung an viele gewachsene Vorgehensweisen und Traditionen. Daraus entsteht eine starke kollektive Vermeidungshaltung.
Durch die teilweise erzwungene Konformität werden konträre Meinungen und Bedenken zugunsten kultureller Werte zurückgestellt.
Diese Nachteile bergen in ihrer Summe die Gefahr der Starrheit und mangelnder Anpassungsfähigkeit.
Starke Organisationskulturen sind unsichtbare Barrieren für Wandel. (SCHREYÖGG, KOCH 2010)
Werden die Vor- und Nachteile starker Organisationskulturen betrachtet, so wird erkennbar, dass diese dann erfolgreich sind, wenn es „um die Bewältigung vertrauter Situationen geht oder kleinere Veränderungen zu meistern sind. (SCHREYÖGG, KOCH 2010)
Gibt es größere Probleme zu bewältigen und größere Veränderungen umzusetzen, so ist die Starrheit von starken Organisationskulturen ein Hindernis. (KENNTNER 2013)
Der forstliche Berufstand und seine Organisationskultur
Eine Innenbetrachtung von Karl-Friedrich Weber (Teil 2)
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Aus der Eingangsbetrachtung wird erklärbar, dass mein forstlicher Berufstand als eine starke Organisationskultur mit ausgeprägter Hierarchie eine starke emotionale Bindung an Persönlichkeiten entwickelt, die ihm Grundannahmen, Normen und Leitbilder vorgeben.
Eine dieser Persönlichkeiten war Oberlandforstmeister Dr. h.c. Walter Kremser, von 1966 bis 1974 Referent für Waldbau, Forsteinrichtung, Forstschutz und Forschung im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, (verstorben 2000).
Seine von Intellektualität geprägten Vorträge habe ich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit großen Respekt aufgenommen.
Erst später wurde mir bewusst, wie sehr dieser historisch und philosophisch gebildete Mann in der Begrenzung einer forstlichen Gesellschaftselite befangen war.
So schreibt er, dass die klassische Blüte der abendländischen Forstwissenschaft aus der Vereinigung von Wissenschaft und Praxis erwuchs (KREMSER 1995) und zitierte Heinrich MAYR (1854 – 1911):
„Man könnte fragen, ob denn die naturgesetzlichen Grundlagen heute schon genügend erforscht seien, um darauf einen für Theorie und Praxis zugleich bestimmten Waldbau aufbauen zu können. Man darf das bejahen in der Erkenntnis, daß der Waldbau selbst viel älter und weiter fortgeschritten ist, als es den naturwissenschaftlichen Grundlagen möglich war … „
Kremser differenziert MAYR anschließend: „Ohne ständige Kontrolle anhand ständig neuer, nicht identisch wiederholbarer Bedingungen gibt es für uns kein Wissen und keine Wissenschaft.“
Er bezieht die Regeln naturwissenschaftlicher Forschung im Sinne POPPERS auf Wissenschaft schlechthin und begeht damit einen Denkfehler, den er anderen so oft unterstellt.
Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zu seiner Aussage:
„Nun gibt es ja über die verschiedensten Dinge und Vorgänge Lehren, Doktrinen, Ideologien, die nicht kontrollierbar sind oder nicht kontrolliert werden sollen, weil man bestimmte Globalinterpretationen nicht in Frage stellen lassen möchte.
Meinungsbildungen aus solchen unkontrollierten Doktrinen führen zur Natur- und Gesellschaftsmystik, deren voluntaristischer Charakter sich am klarsten offenbart, wenn sie sich anheischig machen, die „Kluft“ zwischen Polaritäten wie Theorie und Praxis oder Mensch und Natur überwinden zu können … Doktrinen dieser Art bemühen sich, die Welt so zu interpretieren, `wie es für den Nachweis der Notwendigkeit der gewollten Veränderung nützlich erscheint`.
Solchen Zwecken dient die Personifizierung von Begriffen wie Natur, Umwelt, Biosphäre usw., denen dann menschliche Fähigkeiten angedichtet werden können.
Ihre angeblichen Wünsche, Bedürfnisse und Ansichten ergießen sich als lautstarke Postulate und Drohungen über das verschüchterte Stimmvolk. Steht die Wirklichkeit in einem allzu deutlichen Gegensatz zu den Worten der Propheten, so muss sie radikal abgeschafft werden. Man ersetzt das Wirkliche durch ein ens rationisi, ein Gedankending, etwas bloß Vorgestelltes.
Dazu gehört Abschaffung des ohnehin nicht beliebten Denkens.
So einfach ist das.“
KREMSER bemerkte nicht, dass die großen Physiker des 20. Jahrhunderts ausnahmslos erkannt hatten, dass das Gemessene nur ein Teil der Wirklichkeit ist und die Gedankenexperimente Einsteins, Schrödingers, Heisenbergs und anderer oft erst Jahrzehnte später bewiesen werden konnten.
Und hatte sich KREMSER erste einmal warm geschrieben, war er um grandioses am Schluss seiner Ausführungen nicht verlegen:
„Ersatz bieten Erzeugnisse der Phantasie, die bei Aristoteles „Einbildungskraft“ heißt, in präziser Diktion: Anschauung ohne Gegenwart eines äußeren angeschauten Gegenstandes, in der Ethik: die unbegründete Meinung, die jemand von seinem eigenen Wert hat.“
Und setzt den Schlusspunkt „Gab es so etwas nicht schon in jüngster Vergangenheit? Und sollte solches Unwesen vielleicht auch außerhalb der hohen Politik passende Biotope finden?“
(KREMSER W., Die Abschaffung der Wirklichkeit, F&H Nr. 1 1995)
Foto: Karl-Friedrich Weber
Der bewusst handelnde (Forst)Mensch gegenüber der blind waltenden Natur.
Der forstliche Berufstand und seine Organisationskultur
Eine Innenbetrachtung von Karl-Friedrich Weber (Teil 3)
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Bleiben wir noch bei WALTER KREMSER.
Nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1974 als Waldbau-Referent im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wurde HANS-JÜRGEN OTTO sein Nachfolger.
Aber noch 15 Jahre später führte KREMSERs Einfluss zur Bearbeitung des Kapitels „Einleitende Überlegungen und historischer Bezug“ im Allgemeinen Teil der Langfristigen, ökologischen Waldbauplanung für die Niedersächsischen Landesforsten (Aus dem Walde 1989, Heft 42, Band I).
In den von mir ausgewählten Auszügen wird das Denk- und Wertgebäude einer ausgeprägten Kultur starker Organisationen im positiven, vor allem aber auch begrenzendem deutlich.
Die gestaltende Hand des Forstmannes als Notwendigkeit gegenüber der Planlosigkeit natürlicher Phänomene.
Zitate KREMSER:
• „Jede Entscheidung im Waldbau bindet zwangsläufig mehrere zukünftige Generationen. Wie auch immer die Entscheidung zustande kommt, stets bindet sie mehr als die Generation der Entscheidenden.
• Schon aus diesen Gründen ergibt sich die unabweisbare Pflicht, waldbauliche Ziele langfristig zu setzen und sei es nur, um die Entwicklung des Waldes dem Spiel blinder Zufälligkeiten zu entziehen.
• Man ist heute zuweilen geneigt, wesentliche Teile der Landschaft, so auch des Waldes, dem sogenannten „Wildwuchs“, d.h. einer für „natürlich“ gehaltenen Evolution ohne lenkende menschliche Eingriffe zu überlassen. Nach unserer Meinung beruht dieser Wunsch auf einer „rückwärtsgewandten Utopie“, die keine Hoffnung auf die menschliche Zukunft setzt. Sie will sich der Mitverantwortung für die Zukunft dadurch entziehen, dass sie sich weigert, die moderne Welt zur Kenntnis zu nehmen.
• Es gibt nicht einmal Hinweise dafür, dass die Entwicklung natürlicher Phänomene irgendeinem Plan folgt; am unwahrscheinlichsten ist, dass der Mensch das zentrale Thema eines solchen Plans sein könnte.
• Will man das waldbauliche Handeln auf die Zukunft der Menschheit ausrichten, so verfolgt man ein finanzielles Ziel, dessen Erreichen nicht den Zufälligkeiten sukzessionaler Tendenzen ausgesetzt werden darf.
• Die Natur hat weder Verstand noch Willen, weder Bewusstsein, noch Methode.
• In dieser Welt kann nur der Mensch sein Schicksal gestalten.
• Unbestreitbar ist allerdings auch, dass der Mensch eines Tages Opfer unbesonnener Handlungen werden könnte. Er muss sich deshalb Ziele setzen, die mit den Naturgesetzen übereinstimmen und in diesem Sinne sachlich richtig und erreichbar sind.
• Unsere naturwissenschaftlichen Kenntnisse und waldbaulichen Erfahrungen haben einen Stand erreicht, auf den wir bei der Wahl waldbaulicher Ziele keine groben Fehler mehr befürchten müssen.
• Wir haben es aber nicht nur mit der Natur zu tun; die schwierigsten, noch ungelösten Probleme ergeben sich aus dem, was die Entwicklung unserer Technik in der Natur angerichtet hat.
• Auch die gewollte Gestaltung der Zukunft unseres Waldes muss deshalb in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen unserer Gesellschaft anstreben.
• Waldbauliche Entscheidungen sollten nur auf der Basis fundamentaler Prinzipien getroffen werden.
• Das ist ungewöhnlich, denn gewöhnlich werden in der menschlichen Gesellschaft Entscheidungen nur auf der Grundlage der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten gefällt.
• Waldbau im heutigen Sinne wird seit über 200 Jahren betrieben.
• Da auch die Umweltpflege eine Übereinstimmung der Bodenkultur mit den Naturgesetzen verlangt, können wir den gesellschaftlichen Konsens mit einer auf dieser Basis beruhenden waldbaulichen Fernplanung als gegeben ansehen.
• Sich der Herausforderung nicht zu stellen, hieße als Forstmann zu versagen.“
KREMSER kann als einer der Wegbereiter einer waldbaulichen Wende zu mehr Naturnähe gelten. Vorreiter waren in Niedersachsen allerdings Forstleute wie WALTER UNDERBERGER und HERMANN WOBST.
Kremsers Vermischung des Themas der Waldentwicklung mit der elitären Abgehobenheit seiner ultimativen Postulate gegenüber vermeintlichen nichtforstlichen Bildern (rückwärtsgewandten Utopien, Wildwuchs etc.) und seine argumentative Widersprüchlichkeit, machen die Haltung seiner Zeit deutlich, die bis heute als ein prägender Teil des forstlichen Paradigmas erkennbar wird.
Was den Stand der Wissenschaft betrifft, steht er im Widerspruch zu Ottos Standpunkt, für den „wir mit wissenschaftlicher Genauigkeit nicht eben viel wissen“.
Foto: Karl-Friedrich Weber
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Der forstliche Berufstand und seine Organisationskultur
Eine Innenbetrachtung von Karl-Friedrich Weber (Teil 4)
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Ministerialrat Prof. Dr. Hans-Jürgen Otto hatte nach Übernahme seines Amtes als Referent für Waldbau, Forsteinrichtung, Waldschutz und Forschung eine fachliche Schlüsselfunktion im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten inne.
Er nutzte die Möglichkeiten seines Amtes konsequent, indem er gemeinsam mit seinem Vorgänger WALTER KREMSER die Grundlagen für die langfristige, regionale waldbauliche Planung in den niedersächsischen Landesforsten schuf (Aus dem Walde, Heft 20, Hannover1973).
Ende der 80er Jahre hatte er die Grundlagen der langfristigen, Ökologischen Waldbauplanung geschaffen (Aus dem Walde 1989, Heft 42, Band I und II), die schließlich im Regierungsprogramm Langfristige Ökologische Waldentwicklung (LÖWE) mündeten, das am 23. Juli 1991 durch die damalige Rot-Grüne Landesregierung beschlossen wurde.
[ sorry, zum ersten Mal mit Explorer gearbeitet statt mit Firefox, und nun Umlaut-Salat. Werde ich ein andermal korrigieren – der Seitenbetreiber ]
Sein hohes Amt ermöglichte ihm, Erkenntnisse auszusprechen, die nicht neu waren, aber in wesentlichen Teilen dem vorherrschenden Paradigma seines forstlichen Berufsstandes widersprachen. Sie seien hier als Zitate auszugsweise wiedergegeben:
• Forstliche Produktion ist nicht denkbar ohne Bindung an ökologische Grundlagen. Der Wald als Lebensgemeinschaft, deren Glieder sich gegenseitig bedingen, beeinflussen und in einem dynamischen Fließgleichgewicht stehen, ist der lebende Ausdruck, die Verwirklichung dieser Grundlagen. Sie können auf Dauer nicht missachtet werden, ohne dass die forstliche Produktion und gleichzeitig die Funktionsfähigkeit des Ökosystems Wald als wesentlicher Bestandteil der menschlichen Umwelt gefährdet werden.
• Diese Einsicht mag zeitlich und örtlich manchmal überlagert worden sein von dem irrigen Glauben, alles sei machbar – oder wenn etwas nicht machbar sei, so liege dies an der Unzulänglichkeit des technischen Einsatzes und könne überwunden werden. Tatsachen können auf Dauer nicht übersehen werden.
• Der Orkan vom 13. November 1972 hat in den NLF rd. 7 Mio. Fm Holz geworfen und 25.000 ha Aufforstungsfläche hinterlassen. Ein weiterer Sturm im Februar 1976 warf noch einmal rd. 3 Mio. Fm. Die großen Waldbrände von 1975 und 1976 vernichteten über 8.000 ha Wald bei verschiedenen Besitzarten.
• In einer extremen zeitlichen Verkürzung erinnert diese Häufung von Schadensfällen an etwas, was eigentlich ein forstlicher Allgemeinplatz ist, in wirtschaftlichen Prognosen auf Normalwaldbasis häufig aber immer noch nicht genügend berücksichtigt und in ruhigeren Zeiten wohl allzu leicht vergessen wird: dass nämlich eine Summe verschiedener, mal kleiner, hin und wieder größerer, sehr selten auch säkularer Schadereignisse an der Substanz des Waldes nagen und sich die Realität der Holzerzeugung regelmäßig von den Tafel-Modellen nachhaltig hoher Ertragserwartung in gleichmäßig aufgebauten, nach Altersklassen, Vorrat und Zuwachs ausgeglichenen Forstbetrieben entfernt.
• Nicht nur in Niedersachsen – aber besonders hier – sieht die Wirklichkeit so aus, dass wir in den nutzungsreifen Altersklassen des Nadelwaldes nicht einmal die Hälfte dessen haben, was eigentlich da sein sollte, während allerdings die Verhältnisse beim Laubholz ein vergleichsweise freundlicheres Bild bieten.
• Wer für den Produktions- und Ertragsprozess eines großen Forstbetriebes verantwortlich ist, kann nicht ruhig bleiben, wenn das Missverhältnis zwischen Modell und Wirklichkeit ins Extreme entartet, konkret: wenn zu Regel wird, dass Walderneuerungs- und Jungbestandspflegeflächen oft das Vielfache nutzungsreifer Altholzflächen ausmachen.
• Die Einsicht, dass eine hohe Produktion zwar zu verwirklichen ist, dies aber nachhaltig zu geschehen hat, d.h. unter Schonung und Pflege, z.T. Schutz der Standortskräfte, und dass jede nachhaltige Wirtschaft risikosicher zu sein hat, bestimmt deshalb von jeher maßgeblich waldbauliche Zielsetzungen.
• Eine moderne waldbauliche Planung hat sich nicht allein auf die Rohstofffunktion des Waldes zu beschränken.
• Die Frage lautet nicht mehr allein: Wie nutzt man den Standort am besten mit höchsten Holzerträgen aus, sondern sie hat sich erweitert zu der umfassenden Fragestellung: Wie ist die Forstwirtschaft zu gestalten, die unter Berücksichtigung der ökologischen Gegebenheiten die Erfüllung der vielfältigen Funktionen des Waldes optimal gewährleistet?
• Der Holzertrag des Waldes soll nicht nur nach Masse, sondern auch nach Wert erzeugt werden. Dabei ist der Wert des Holzes häufig direkt korreliert mit starken Dimensionen, erfordert also hohe Umtriebszeiten.
• Der Waldbau soll Artenvielfalt erhalten oder herstellen. Wenn man jedem Lebewesen, auch dem kleinen und allerkleinsten, eine grundsätzliche Daseinsberechtigung zugesteht, bekommt das Kriterium Diversität seinen eigenen, von allem Vorhergesagten unabhängigen Wert.
• Einer potenziellen natürlichen Diversität der Ökosysteme können wir uns in einem auf Holzerzeugung und –nutzung ausgerichteten Waldbau nur annähern. Dies liegt vor allem daran, dass wir eine natürliche Zerfallsphase mit ihrem dafür typischen Artenspektrum von Konsumenten und Destruenten nicht großflächig beginnen lassen, weil wir den Wald vor ihrem Wirksamwerden nutzen.
• Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit (ökonomisches Prinzip) besagt, dass die Ziele mit dem geringsten Mitteleinsatz erreicht oder bei Mangel an Mitteln möglichst weitgehend erfüllt werden sollen.
• Waldbau kann nur langfristig geplant werden, weil allein eine solche Konzeption sich frei machen kann von Zeitströmungen und zeitlich befristeten Rahmenbedingungen. Sie bedarf dabei der übereinstimmenden Bemühungen vieler Generationen von Forstleuten.
• Risikobegrenzung: Da es unsinnig ist, Investitionen für Erträge zu tätigen, die sich in Wirklichkeit nie oder nur ungenügend einstellen, muss alles Erdenkliche getan werden, um abiotische und biotische Risiken im Waldbau zu minimieren. Diese Verringerung des Risikos hat eine so große wirtschaftliche wie ökologische Bedeutung, dass es gerechtfertigt ist, auf eine Ertragssteigerung zu verzichten, wenn sie nur mit überhöhtem Risiko erreichbar scheint. Risikovermeidung ist folglich oberster Grundsatz des Waldbaus.
• Die Herstellung einer günstigen Waldstruktur in Reinbestand wie Mischwald auf dem Wege intensiver Waldpflege ist danach der zweite Pfeiler, auf dem die Risikovermeidung im Waldbau ruht (Anmerkung: das gilt nur für den Altersklassenwald).
• Da wir seit der Waldverwüstung in künstlich neu aufgebauten Wäldern wirken, wissen wir hier mit wissenschaftlicher Genauigkeit nicht eben viel. Sehr langfristig gesehen sollen Beobachtungen in den ausgeschiedenen Naturwäldern und Naturwaldreservaten diesem Mangel mindestens teilweise abhelfen. (Anmerkung: Widerspruch zu KREMSER´s Postulat).
• Die Verwirklichung ökonomischer und ökologischer Ziele wie auch ästhetischer Forderungen an den Waldbau wird von der Beachtung ökologischer Grundsätze stark beeinflusst, dass die verschiedenen Kriterien miteinander verwoben, also weitgehend harmonisierbar sind. Deshalb kann eine ökologische Waldbauplanung nur als integriertes System auf denselben Flächen begriffen werden. Sie entzieht sich einer Fraktionierung nach ökologischen, finanziellen oder ästhetischen Teilzielen. Zitatende
OTTO vertritt zum Kahlschlag einen vorsichtigen Standpunkt, der sein taktisches Geschick widerspiegelt:
„Es ist vom Ansatz her falsch, Kahlflächen per se als unökologisch zu stigmatisieren. Ein solches Urteil hat zunächst nichts mit einer Rechtfertigung forstlicher Kahlschläge zu tun, sondern ist eine Feststellung.“
Er holt dann im Folgenden diese Thesen wieder ein, wenn auch unter einem streng waldbaulichen Ansatz, in dem er feststellt:
„Wie immer die Prozesse in ihrer umweltabhängigen und internen Dynamik ablaufen, so kann bei der Formung des Waldes zu einem Wirtschaftsziel doch nicht zweifelhaft sein, dass neben Mischungen auch gut gegliederte Waldstrukturen ökologisch und ökonomisch vorteilhaft sind.
Das liegt ganz entscheidend an der Herstellung eines guten Waldinnenklimas – und dies ist im klimatisch raueren und vor allem windbeeinflussten Norddeutschland von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Ertragssicherung.“
Auch hier wird deutlich, dass selbst OTTO zu diesem Zeitpunkt noch eine gewisse Widersprüchlichkeit in Kauf nahm:
Wir haben uns zwar nach den Regeln der Natur zu richten, wir dürfen sich aber die Natur nach ihren Regeln nicht entwickeln lassen, was als gestaltende waldbauliche Aufgabe den Forstleuten sozusagen naturgemäß zu obliegen hat.
Die Natur also als die Bereitstellende von Regeln, die als Werkzeuge für die Gestaltung durch den Menschen dienen.
Dieses überkommende Bild ist außerhalb des forstlichen Paradigmas in der Naturwissenschaft weitestgehend eliminiert und wird auch gesellschaftlich nicht mehr getragen.
Wie seine Nachfolger den internen Entwicklungsprozess des LÖWE zunehmend steuerten, wird Gegenstand einer gesonderten Analyse sein.
Foto von Hans-Jürgen Otto: Karl-Friedrich Weber
05. 11. 2017 :
Es gibt auch viele Forstleute, die mit dem, was in ihrem Cluster geschieht, nicht einverstanden sind und unter dem (Un)geist leiden. Es ist jedoch nicht einfach, eine offene innere Kritik zu äußern. Wer das tut, muss damit rechnen, beruflich verbrannt zu sein. Das geschieht nie offen, sondern auf subtile Weise. Wir erhalten wöchentlich Berichte über die innere Not dieser Kollegen und müssen ihnen doch empfehlen, sich nicht offen zu äußern, obwohl diese Entwicklung bereits seit längerem unsere rechtsstaatliche Ordnung an der Wurzel gefährdet. Deshalb ist mein Appell an die Kollegen im Ruhestand: Sagt ein deutliches Wort! Ihr habt die Unabhängigkeit und damit die moralische Pflicht auszusprechen, worüber andere schweigen müssen.
—
Ich hatte sehr große Hoffnung in einen Wandel unter Rot-Grün gesetzt, wie viele andere auch, und zwar in dem Spektrum des möglichen Regierungshandelns auf der Basis bereits geltenden Rechts. Meine Schockerfahrung in bestimmten Gremien, in die ich für den BUND berufen wurde, war, das Versagen der beiden grünen Ministerien Landwirtschaft und Umwelt und die Verlogenheit der Öffentlichkeitsarbeit von besoldeten PR-Beamten. Dabei muss allerdings auch festgestellt werden, dass die SPD-Landtagsfraktion ebenfalls keinen politischen Willen erkennen lies, eine neue Glaubwürdigkeitskultur zu entwickeln. Das Ergebnis ist rot-schwarz für die kommenden vier Jahre. Unsere Demokratie wird durch den Terrorismus nicht erschüttert werden können. Es sind die vermeintlich politischen Eliten, die unsere politische Ordnung in Frage stellen und kein Problem mit dem stummen Frühling haben.
Zu diesem Thema ist auch Folgendes ganz interessant: Sehr erhellend auch eine Doktorarbeit über die Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung von Information und Kommunikation in staatlichen Forstorganisationen (auf der Seite eine Kurzeinleitung, und der Link zur vollständigen Dissertation von Claudia Kenntner):
http://www.waldkritik.de/?p=378
https://freidok.uni-freiburg.de/data/9398
Darin z.B. ein Förster-Weltbild: „Nur Förster können forstfachliche Belange richtig beurteilen“ [Diss. S. 169, pdf S. 181] “ und folgende Erkenntnis: „Es ist nicht üblich, offen, verständnisvoll und selbstkritisch mit Fragen, Fehlern oder Schwächen umzugehen. Es wird ein Schutzwall errichtet. Dieser schützt beispielsweise davor, offen sein zu müssen, oder sich Kritik stellen zu müssen. Es kommt zu einer Scheinharmonisierung, d.h. viele Informationen werden abgeblockt.“ [Diss. S. 172, pdf S. 184] Auch die Seiten ab pdf S. 202 sind sehr interessant.
Dazu empfielt sich der Kommentar der Initiative „Schützt den Schönbuch“ im grünen Kasten
http://www.waldkritik.de/wp-content/uploads/2014/12/Wie-F%C3%B6rster-ticken-ForstBW-INTERN-10-2014_Seite_2.jpg