Greenpeace-Aktionen in Niedersachsen

 

Waldwahrheit 13.12.2012
Greenpeace und die Dialogbereitschaft der Niedersächsischen Landesforsten
Ein Kommentar
Karl-Friedrich Weber

Wozu kann ein Dialog dienen? Er kann Missverständnisse abbauen und helfen, die Positionen des Gesprächspartners besser zu verstehen. Er kann zu Positionsveränderungen führen. Er kann als taktisches Instrument derjenigen dienen, die das größere Interesse daran haben, Dialogbereitschaft zu demonstrieren ohne ihre Positionen aufgeben zu wollen; zum Beispiel, weil sie unter gesellschaftlichen Druck geraten sind. Dann muss man dem „Dialogpartner“ öffentlichkeitswirksam bescheinigen, dass er nicht dialogbereit sei.

Diesen Weg versuchen die Niedersächsischen Landesforsten gegenüber der Greenpeace-Aktion zum Schutz alter Buchenwälder im öffentlichen Wald. Dabei haben sie in den vergangenen Jahren immer wieder belegt, was sie unter Gesprächsbereitschaft verstehen: Das starre Festhalten an Positionen, die im Widerspruch zu den Zielen der Bundesrepublik Deutschland und internationalen Vereinbarungen zum Schutz der Wälder oder zum Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse stehen.

Da war die „persönliche Herzensangelegenheit“ des damaligen Forstministers Hans-Heinrich Ehlen mit seiner Aktion „Wälder für Niedersachsen – Niedersachsen spricht mit einer Stimme“, BUND und NABU auf eine Plattform zu holen, die seine Ministerialbeamten handverlesen hatten.
Das war im Dezember 2008. Im Juli 2010 teilte seine Nachfolgerin Astrid Grotelüschen dem BUND ihr Bedauern mit, das beide Verbände das durch ihr Haus formulierte Papier nicht unterzeichnen konnten.
Nichts hatte sich in den Monaten dazwischen in den Kernfragen bewegt. Sie schrieb weiter: „Nach meiner Kenntnis gibt es doch unterschiedliche Anliegen an Wald und Forstwirtschaft der Zukunft zwischen BUND und NABU“, einer der vielen Spaltungsversuche in neuer Variation. Auch das kann als ein wirksames Ergebnis von „Dialogen“ beabsichtigt sein, wenn sich die Betroffenen darauf einlassen.

Über eine neue sogenannte „Kooperationsvereinbarung“ zwischen Landesforsten und NABU, in der ebenfalls sämtliche Kernanliegen auch des NABU ausgeklammert wurden, ist die gutgläubige Vorstellung der NABU-Akteure, durch Gespräche etwas bewegen zu können, auf krachende Weise ad absurdum geführt worden.

Der NABU hat ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen. Die Landesforsten verbreiten in einer verzerrten Darstellung auf allen verfügbaren Kanälen, dass die zentralen Themen laut Dr. Merker, Präsident der Landesforsten, „die Sicherung der Nadelholzversorgung, die Bewahrung heimischer Waldgesellschaften und die Verbesserung der Artenvielfalt“ seien; dass sich die vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit bereits in der Vergangenheit bewähret habe und deutschlandweit eine solche umfangreiche Kooperationsvereinbarung bis lang einmalig sei.
Es nutzt nichts, dass vielen Akteuren des NABU der Atem stockt und sie sich fragen, wie das geschehen konnte und wem das nütze.

Was nützt, ist, aus diesen Erfahrungen zu lernen.
Greenpeace arbeitet professionell und setzt sich nicht derartigen Peinlichkeiten aus. Es vertritt offen und nachprüfbar die vereinbarten Ziele der Gesellschaft, lokal und international, und es fordert mehr qualifiziertes Forstpersonal, das in der Lage ist, eine zukunftsfähige Waldentwicklung einzuleiten.

Beides liefert Niedersachsen gegenwärtig nicht. Und auf PR-Mätzchen auf niedrigem Niveau kann Greenpeace sicher verzichten.


14. 11. 2012:

Waldwahrheit 14.11.2012 – 1
Greenpeace-Waldaktion in Niedersachsen
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Greenpeace informiert in einem Pressegespräch am 12.11.2012 in Hannover über seine Aktion im Solling und Göttinger Wald und lenkt die Aufmerksamkeit auf das Verschwinden alter ökologisch wertvoller Waldstadien der heimischen Baumarten, insbesondere der Buche, unter Verwendung von Zahlen und Daten aus offiziellen Quellen.
Greenpeace stellt sich hinter die Forderung der Bundesregierung, bis 2020 fünf Prozent der Waldfläche Deutschlands aus der Holznutzung zu nehmen, davon anteilig zehn Prozent öffentlicher Wälder „wegen ihrer Vorbildfunktion“. Diese Forderungen stehen im Einklang mit deutschen und internationalen Entwicklungszielen auch der Bundesländer, die die waldstrategischen Ziele der Bundesregierung umsetzen.
Die Niedersächsische Landesregierung lehnt diese Forderung ab und schafft durch verstärkte Holzeinschläge in den ökologisch wertvollen alten Waldphasen nach Bewertung fachkundiger Beobachter vollendete Tatsachen mit teilweise langfristig negativen Folgewirkungen insbesondere auf Lebensvielfalt, Böden, CO2-Bilanzen und Sozialfunktionen. Sie durchkreuze nach Bewertung von Greenpeace und der großen Naturschutzorganisationen damit die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands auch im Hinblick auf internationale Abkommen zum Schutz der Lebensvielfalt.
Greenpeace fordert deshalb im öffentlichen Landeswald einen Einschlagstopp in allen Buchenwäldern, die älter als 140 Jahre sind, bis die Niedersächsischen Landesforsten die geforderte nutzungsfreie Waldfläche in allen standortheimischen Waldökosystemen (nicht nur in alten Buchenwäldern) ausgewiesen haben.
Die Niedersächsischen Landesforsten bestreiten die dargestellte Situation und Stützen ihre Behauptungen mit Zahlen, die gegenüber der Öffentlichkeit den Gegenbeweis erbringen sollen. Während die Ziele der Greenpeace-Aktionen klar und öffentlich definiert sind, hat die Öffentlichkeit hat weder die Möglichkeit zu überprüfen, wie die Zahlen und Daten der Landesforsten ermittelt wurden, noch wird sie in die Lage versetzt, diese Zahlen in einen überprüfbaren und damit bewertbaren Zusammenhang zu setzen. Hierdurch eröffnet sich ein weites Feld möglicher Desinformation und Meinungsmanipulation.
Waldwahrheit wird deshalb in weiteren Folgen Daten und Quellen um das vielschichte Thema „Schutz der Nationalressource Wald“ in einen informatorischen, aber auch wertenden Zusammenhang stellen und herausarbeiten, was sich hinter wohlfeilen Worten und Sätzen verbergen kann.

Waldwahrheit Wer mit welchen Zahlen „jongliert“ lässt sich im weiteren Verlauf des Diskurses sorgfältig aufarbeiten. Wer mit Zahlen qualitative Aussagen begründen will, muss Quelle und Erfassungsmethode nennen, sowie den Kontext, in den sie gesetzt sind. Zahlen, die nicht extern überprüfbar sind, haben keinen Wert.  14. November 2012 um 15:53


Waldwahrheit 16.11.2012 – 2
Zur Greenpeace-Waldaktion in Niedersachsen
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Zahlenspiele

Greenpeace fordert Informationen von den Niedersächsischen Landesforsten (NLF) mit dem Ziel, sich selbst ein Bild über den Zustand insbesondere der alten Wälder machen zu können.

Die NLF wollen Daten nur teilweise und mit einer Kostennote herausgeben mit dem Hinweis auf Betriebsgeheimnisse. Sie nennen selbst Zahlen und machen Aussagen über Flächenanteile alter Waldstadien, die durch Dritte nicht überprüfbar sind. Sie führen an, dass sie für die Erhebung der Grundlagendaten im Laufe mehrerer Jahre ein zweistelliger Millionenbetrag (also mindestens zehn Mio. EUR) aufgewendet haben. Auch das ist nicht überprüfbar.

Das Niedersächsische Forstplanungsamt stellt in einer Analyse des möglichen Nutzungspotenziales des Landeswaldes fest (2006):

„ Es fehlen Bestockungs-Informationen in Verbindung mit Standorts-Informationen sowie besonders Vollzugs-Informationen! Viele Informationen schlummern in Datenbanken, können nicht miteinander verknüpft oder kostengünstig ausgewertet werden. Es fehlt die vollständige Digitalisierung aller Flächen der NLF, und der Buchungsschlüssel ist im Hinblick auf eine rasche und kostengünstige Naturalkontrolle zu überarbeiten.
Da Betriebsleitung und Forstamtsleitung immer mehr Abstand zum Wald, zu den Waldbeständen haben, die Nutzungsplanungen in den unübersichtlicher gewordenen Forstämtern zunehmend „zentralistisch“ nach der Datenbank und weniger nach den Waldbeständen ausgerichtet werden, kommt der Qualität aktueller Baumarten-Informationen auf der Ebene der NLF eine immer größere Bedeutung zu! …

Auch unsere Kundschaft erwartet im Sinne unseres Nachhaltigkeitsprinzips zumindest mittelfristig Lieferverlässlichkeit. Das bedeutet: Man muss wissen, welche unmittelbaren Auswirkungen und Langzeitfolgen Mehrnutzungen bewirken, waldbaulich und wirtschaftlich!“

Vor dem Hintergrund derartiger Feststellungen der landeseigenen Forstplanungseinrichtung ist zu fragen, auf welcher tragfähigen aktuellen Datengrundlage die NLF u.a. zu ihren Flächenangaben der über 160jährigen Buchenwaldanteile kommen. Erst dann kann über deren ökologische und ökonomische Qualität, ihre Lage im Raum und die dauerhaften Anteile unter den derzeitigen Nutzungsbedingungen diskutiert werden.

Noch fragwürdiger ist, wie die mindestens zehn Millionen EUR für die Erhebungs von Grundlagendaten „im Laufe mehrerer Jahre“ zustande kommen, wo doch Grundlagendaten elementare Voraussetzung jeden betrieblichen Geschehens sind, die zu jedem Zeitpunkt verfügbar sein müssen.

Forstminister Lindemann sollte sich da nicht „verärgert“ über Greenpeace zeigen, das er auf dem Holzweg vermutet, sondern über das, was „die guten Hände“ seiner Ministerialbürokraten da in seine Pressemitteilung geschrieben haben.


Waldwahrheit 24.11.2012 – 3
Hilfe, Greenpeace kommt!
Greenpeace-Waldaktion im Solling-Niedersachsen

Ausgerechnet im zweitgrößten niedersächsischen Waldgebiet, dem 38.500 Hektar großen Solling, der erst kürzlich nach einer durch die forstliche Standesorganisation Bund deutscher Forstleute initiierten Umfrage zum Waldgebiet des Jahres 2013 gewählt wurde. Greenpeace möchte den Beschluss der Bundesregierung auch gegen den Widerstand der niedersächsischen Landesregierung unterstützen, zehn Prozent der öffentlichen Wälder aus der Nutzung zu nehmen. Darunter insbesondere alte Buchenwälder mit erhalten gebliebenen ökologischen Strukturen, die fast verschwunden sind und wegen ihrer Bedeutung von der UNESCO als Weltnaturerbe Deutschlands anerkannt wurden.

Eine großartige Möglichkeit für den forstlichen Berufsstand, auf einer von einer breiten Öffentlichkeit getragenen Sympathiewelle verlorengegangenes Terrain wiederzugewinnen und Auftrag sowie Verantwortung zu übernehmen.

Dr. Klaus Merker, Präsident der Anstalt Niedersächsische Landesforsten, lässt sich seinen Wertekanon durch derartige Überlegungen nicht durcheinander bringen. Er verweist auf eine „eher laienhaft interessierte Öffentlichkeit“ und auf den nach „Entscheidung drängenden ungelösten Widerspruch zwischen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft und einer expansiven, auf Machterweiterung zielenden Naturschutzpolitik.“ (AFZ-DerWald 24/2011)

Bemerkenswert, in welch wenigen Worten ein Paradigma und dessen Raumbegrenzungen markiert werden können. Es bedarf dazu keiner feinsinnigen Analyse, wenn alles so offen liegt.
Und dann kommt Greenpeace an zwei Abenden ausgerechnet nach Uslar und Dassel in den Solling und möchte die Öffentlichkeit über seine Waldziele und Möglichkeiten ihrer Umsetzung informieren.

Da reist der Anstaltspräsident im Vorfeld schon mal selbst in die betroffenen Forstämter und stimmt die Strategie ab. Reden dürfe nur, wer befugt sei, verlautet die „Buschtrommel“, das Nachrichtensystem der Förster (im Harz gab es die Hillebille).
Das wäre dann wohl der örtliche Forstamtsleiter neben den Vertretern der Landesbetriebsleitung. Dabei sei Freundlichkeit geboten. Nützlich sei die Anwesenheit eines holzverarbeitenden Betriebes, dessen durch Greenpeace bedrohte Arbeitsplätze ins Spiel gebracht werden könnten. Auch ein Bürgermeister ist hilfreich, wenn er in die gleiche Richtung stößt und selbstverständlich sind es auch IG Bau und Beamtenbund, vertreten durch Beamte der Landesforsten und natürlich in völlig unabhängiger Position.
Show-down in den Wäldern des Solling?

Buchenschirmschlag 25-11-2012

Foto: Karl-Friedrich Weber

Auch derartig zerstörte alte Buchenwaldphasen werden im Zahlenwerk der Niedersächsischen Landesforsten als Altholzflächen angerechnet, obwohl sie ihre wertvolle ökologische Funktion für die nächsten 120 Jahre verloren haben.


Waldwahrheit 24.11.2012 – 4
Hilfe, Greenpeace kommt!
Greenpeace-Waldaktion im Solling-Niedersachsen

23. November 2012, 19 Uhr, in der kleinen Stadt Dassel am Solling. Greenpeace hat in die „Deutsche Eiche“ geladen, um mit Bürgern über Buchenwälder und die eigenen Aktivitäten im Solling zusprechen. Einen Dialog wünschen sie sich – Iris, Gesche und Volker.

Alles verläuft nach Drehbuch. Anwesend sind der örtliche Forstamtsleiter und einige Revierleiter, der Naturschutzvertreter und die Holzverkaufsdezernentin der Anstalt Niedersächsische Landesforsten, der Bürgermeister von Dassel und natürlich der Vertreter des örtlichen Rundholzwerkes. Und dann sind da noch zwei Förster im Ruhestand, die Buchenwälder bewirtschaftet haben und dem Drehbuch nicht folgen. Das stört mächtig.
Ansonsten ein ähnlicher Ablauf wie tags zuvor in Uslar, aber wohl weniger ruppig. Das Rollenspiel eröffnen die beiden berufsständischen Vertreter, dann der Forstamtsleiter. Die Litanei der guten Waldtaten während 300jähriger nachhaltiger Forstwirtschaft; die Widerkehr von Wolf, Wildkatze und Schwarzstorch als Nachweis der Erhöhung von Lebensvielfalt seit Einführung der langfristigen ökologischen Waldentwicklung in den Landesforsten. Der Holzwerker sieht hundert Arbeitsplätze vor der Vernichtung, wenn er keine Buche aus dem Solling mehr verarbeiten darf, die Holzverkaufsdezernentin unterstützt ihn, statt zu differenzieren und aufzuklären.

Der Bürgermeister ist auch für Umweltschutz, aber nicht auf Kosten von hundert Arbeitsplätzen. Die Lichter einer Region gehen aus, wenn Greenpeace kommt. Der Gegner steht draußen, einschließlich der ehemaligen Förster, die widersprechen und Weitsicht einfordern.

So sind die Abläufe im den Nationalparken Harz, Kellerwald und Bayrischer Wald gewesen. So sind sie im Steigerwald, im Schwarzwald, im Teutoburger Wald. Wortführer der Gegner waren und sind die Forstverwaltungen und ihre Cluster, angegriffene und diskreditierte zumeist Forstleute, die für ein modernes Waldentwicklungsziel stehen.

Waldkonzepte der Zukunft haben sich letztlich stets gegen das Schüren von Ängsten, Aufbauen von Feindbildern und Desinformation durchgesetzt. Es wäre gut für die Menschen im und am Solling, wenn dieser Wald seinen Anteil daran bekäme.

Die jungen Greenpeace-Aktivisten werden sich nicht beirren lassen. Sie haben vielleicht größere Verdienste am Wald der Zukunft, als ihnen selbst bewusst wird und in den Augen der Bevölkerung auch deshalb den größten Glaubwürdigkeitswert als Anwalt der Umwelt, weil sie nicht unfehlbar sind.

Urwald Ukraine 25-11-1012

Foto: Karl-Friedrich Weber

Dieser vielhundertjährige Buchenurwald in den ukrainischen Karpaten weist alle Merkmale einer ökologisch und ökonomisch hochwertigen und nachhaltig produzierenden Ressource auf. Von diesem wissenschaftlich intensiv erforschten Leitbild sind deutsche Buchenwälder weit entfernt.

 

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland