Lutz Fähser

Hier sind Beiträge zur Waldproblematik von Dr. Lutz Fähser, dem Begründer des „Lübecker Konzepts“, eingestellt:

Porträt-Foto Dr Lutz Fähser

15.07.2019:

Die Buchentrocknis – ein komplexes Phänomen

– bitte teilen! Danke …

Es gibt zur Stunde keine einfachen Antworten, sondern Näherungen unter systemischen Betrachtungen und einer Einschätzung von möglichen Ursachen und Folgewirkungen.

Der international bekannte Forstmann Lutz Fähser, Entwickler des sogenannten Lübecker Modells, eines naturnahen Wirtschaftswaldes, teilt seine Gedanken und Schlussfolgerungen mit. Vielen Dank dafür.

Lieber Karl-Friedrich Weber,

auch hier und umso mehr: Vermeidungsstrategie denken!

Zu den Wäldern, speziell dem neuen Absterben von Buchen:
Forschungen zeigen klar, dass in naturnahen Buchenwäldern bisher kaum eine negative Reaktion auf die Erwärmung zu beobachten ist, durch vermehrte Energiezufuhr (Sonne, Assimilation) sogar eine verstärkte Samenbildung und Naturverjüngung.

Diese Naturwälder sind aber auch signifikant anders strukturiert als die intensiv „gepflegten“ Wirtschaftswälder:

– Die Dichte /die Biomasse ist mindestens doppelt so groß wie in den Wirtschaftswäldern,

– die Baumartenzusammensetzung ist funktional „richtig“ durch Naturverjüngung und natürliche Selektion, also permanente Anpassung,

– die verschiedenen Entwicklungsstadien wechseln sich kleinräumig ab und bieten Nischen für verschiedene ökologische Prozesse,

– die Waldböden sind weniger gestört durch Befahrung, Rückegassen (alle 20 m in der BRD!), Erosion,

– das Wald-Innenklima ist konstant feucht und überwiegend schattig; Verdunstung minimal durch weitgehend geschlossenes Kronendach.

Aber auch diese Wälder werden sich verändern!

Natürliche Waldgesellschaft ist ein Synonym für „Anpassungsgesellschaft“, erfolgreich durchgeführt über Millionen von Jahren. Noch immer gilt für unsere temperierten Waldzonen: Wenn auf Flächen nicht eingegriffen wird entsteht dichter Wald, von alleine.

Bloß nicht dazwischen pfuschen!

Die älteren Buchen-Reinbestände der Wirtschaftswälder, die jetzt vertrocknen, haben eine lange Tortour forstlicher „Erziehung“ hinter sich:

– Langjährige Freistellung der Kronen (Lichtwuchsbetrieb), zusätzliche Öffnung nach dem Samenabfall (Schirmschlag), Bodenbearbeitung (Pflügen, Grubbern, Eggen), sukzessive Entnahme aller schattenspendenden Mutterbäume innerhalb von 20 Jahren,

– großflächige gleichzeitige Naturverjüngung „aus einem Guss“

– Intensive Jungwuchspflege, also Aushieb aller schattenspendenden Pionierbaumarten (Birken, Kiefern, Ahorn,…),

– Anlage von Pflege- und Rückegassen alle 20 m (25 % Flächenverlust für die Produktion, tiefe Verdichtung des Wurzelraumes),

– mit 30-40 Jahren Auswahl von Ziel-(Z)-Bäumen (30 bis 60 Bäume/ha), die von da an keine Berührung mit konkurrierenden Nachbarkronen haben dürfen,

– ca. 25 Eingriffe (Aushiebe, Ernte) in 100 Jahren zur „Erziehung“, „Zuwachssteigerung“ und „Wertholzbildung“.

Dabei intensive Schäden an den Böden und den noch stehenden Bäumen,

– generell: Entwässerung von feuchten und zeitweise überfluteten Waldböden durch ständig unterhaltene Abflussgräben. Dadurch Senkung des Grundwasserspiegels auf ganzer Fläche.

Dies nur eine kleine Aufzählung der Unterschiede.

Die Argumentation der offiziellen Forstwirtschaft, -wissenschaft und -politik hat diese schwer misshandelten Buchenwälder als Referenzsystem.

Dass diese bei zusätzlichem Stress ohne natürliche Reserven sofort durch Schwächeln und Sterben reagieren, ist folgerichtig. Das gilt auch für erst kürzlich, vor 20 oder 30 Jahren, unter Schutz gestellte Nationalparke.

Eine Argumentation bezüglich nur einzelner Baumarten ist nicht hilfreich. Auch neue Plantagen von exotischen Holzarten (Douglasien, Roteichen, amerik. Küstentannen, …) sind keine Lösung, im Gegenteil!

Gesundung und zukünftige Anpassung sind am ehesten durch die Annäherung an Waldgesellschaften zu erwarten, wie sie unter den heutigen Bedingungen von der Natur entwickelt werden würden.

Das bedeutet:
– die Eingriffe/Holzernten drastisch reduzieren,

– den lebenden Baumvorrat fast verdoppeln (der dann auch etwa doppelt so viel Holzzuwachs aufweisen wird),

– mind. 10 % der Waldfläche als repräsentative „Referenzflächen“ nicht mehr bewirtschaften. Diese sind Beobachtungs- und Lernflächen für eine naturnahe, sich anpassende Waldnutzung und gleichzeitig zukünftige „Wildnis“-Flächen mit ansteigender Biodiversitätsentwicklung,

– absterbende Bäume zum großen Teil im Wald belassen,

– Erneuerung weitgehend über Naturverjüngung zulassen.

– Mindestens 10 Jahre abwarten bis zu evtl. korrigierender Pflanzung heimischer Bäume,

– keine weiteren Exoten mehr neu pflanzen (über 50 % der Waldfläche in D. ist nicht naturnah mit den heimischen Baumarten bewachsen),

– die Forst-Infrastruktur verringern/ halbieren,

– die Böden nicht weiter belasten, verdichten (weniger Großmaschinen, bodenferne Transporttechniken),

– die Entwässerung der Forsten einstellen,

– keine Gifte in und für Wälder ausbringen (in Wälder bedeutet Absterben „Erneuerung und Anpassung“; Gift beschädigt den Erneuerungsprozess und die noch intakten Waldsysteme).

Übergeordnet über alle forstwirtschaftlichen Erwägungen sind allerdings die faktischen Notwendigkeiten, die Klimakrise zu verringern und den Verlust an Biodiversität aufzuhalten. Die oben empfohlenen Maßnahmen bzw. Unterlassungen sind gleichzeitig direkt und sofort wirksam für die

– Senken- und Speicherfunktion von CO² (1 m³ Holz speichert ca. 1 t CO²),

– Komplexität und Resilienz von Waldökosystemen und damit ihrer Biodiversität.

Waldbesitzer könnten für die Anreicherung ihrer Wälder mit Holzmasse/CO² mit CO²-Certifikaten bezahlt werden, die nach derzeitigen Größenvorstellungen die Einkünfte durch Holzverkauf bei Weitem übersteigen würden.

Mit Aufforstungsprogrammen, wie sie jetzt „proaktiv“ und aktionistisch politisch propagiert werden, können diese Leistungen zeitlich nur sehr verzögert (Jahrzehnte) erbringen und unter schädigenden Eingriffen in die Böden.

Außerdem gibt es weltweit eine starke Flächenkonkurrenz, so dass sozio-ökonomische Konflikte zu erwarten sind, wenn größere Flächen in Zukunft in Forsten überführt werden sollen.

Dieses ein kleiner Erfahrungsbericht nach 40 Jahren Forst- und Waldpraxis.

Gruß Lutz Fähser

Hierzu ein Kommentar Karl-Friedrich Weber:
Allgemeine Schlussfolgerungen zu treffen, ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierig. M.E. kommt es darauf an, unter Beachtung des Gesetzes des Örtlichen soviel Einzelbeobachtungen wie möglich zusammenzutragen und sorgfältig zu analysieren. Was da so an Schnellschüssen durch die Medien geistert, ist erkennbar interessengeprägt. Ich habe heute in einem mehrschichtigen alten Buchenmischwald alles beobachtet: absterbende Buchen (älter 170 Jahre), daneben Buchen ca. 130 Jahre in vollem Laub, vitale 1 bis mehrjäjhrige Verjüngung von Buche, Traubeneiche, Berg- und Feldahorn, Vogelkirsche, Esche, Hainbuche sowie Altbäume ohne jede Trockniserscheinungen. Daraus möchte ich noch keine hinreichend sichere These entwickeln. Lutz Fähser argumentiert systemisch und nach Stand des Wissens folgerichtig. Eine bessere analytische Herangehensweise kann ich zur Zeit nicht erkennen.

Ein "Lotse" durch den Info-Dschungel zur Wald-Problematik in Deutschland