09. 06. 2019 :
Im ukrainischen Schutzgebiet Uholka stand ich ergriffen vor Rotbuchen mit gleicher Dimension und unter sehr ähnlichen Standortbedingungen wie in Deutschland. Die Gegenargumentation, man könne die Ukraine nicht mit Deutschland vergleichen, kam obligatorisch. Offenbar kann man aber problemlos Douglasien Nordamerikas mit unserer geografischen Region gleichstellen.
Diese Buche in Schleswig-Holstein [? Anm: wohl eher: Meck-Pomm] beweist, zu welchen Dimensionen standortheimische Baumarten fähig sind, wenn man sie alt werden lässt. Unsere Bilder von Normalität haben sich verschoben. Was wir inzwischen als naturnahe Buchenwälder erklärt bekommen, ist nichts als ein schwacher Abglanz ehemals natürlicher Walddynamik.
Karl-Friedrich Weber
[Kommentar zu einem FB-Beitrag von Klaus Borger vom 3.6.2019:
„Die wohl mächtigste Buche in Deutschland steht in einem streng geschützten Waldbereich in Mecklenburg-Vorpommern. Das geschätzte Volumen, mindestens 50 Festmeter Holzmasse. Doch der Baumriese lässt sich nicht auf seine Holzmasse reduzieren, er ist ein ganz besonderes Lebewesen!“ ]
Leider wurden und werden unsere Wälder großflächig junggeschlagen und bzgl. der zukünftigen Verwendung des „Werkstoffes“ standardisiert.
Schon lange entscheidet die Holzindustrie mit ihrer Technik, was in unseren Wäldern wie alt/dick werden darf.
Der „Förster“ ist (bis auf die wenigen bundesweit bekannten Ausnahmen) zum Erfüllungsgehilfen mutiert. (Klaus Borger)
01. 07. 2018 :
eine geworfene alte Buche …
Sie hätte einen Preis, wenn sie abgeschnitten, herausgerückt und nach China exportiert worden wäre. Diesen Waldprodukthandel finden wir gut und erwähnen ihn gern besonders.
Diese Buche ist aber liegen geblieben, kein Ergebnis von „klimabedingten Wetterkapriolen, gegen die wir die Wälder fit machen müssen, wie Dr. Klaus Merker, Präsident der Niedersächsischen Landesforsten in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 14. Juni konstatiert. Es ist viel unglaublicher: Sie ist ganz normal umfallen – nur so, von einem ganz normalen Herbststurm geworfen. Und ein Forstkollege hat sie nicht herausrücken lassen, um sie zu vermarkten, wie das so heißt.
Sie hat dadurch keinen Preis gewonnen, sondern einen Wert. Wir nennen diesen Vorgang eine Störung. Der Begriff enthält bereits die Vorstellung des Unnormalen, wie unsere Fachsprache überhaupt voll von Fehlbegriffen durchsetzt ist. Falsche Begriffsinhalte bewirken falsches Denken und letztlich falsche Handeln – das ist eine Mitursache der waldbaulichen Fehlentwicklungen unserer Tage. Die Worte Dr. Merkers sind ein Beispiel dafür.
An dieser Buche entwickelt sich neue Komplexität. Ihr Wurzelteller ist eine faszinierende Vielfalt an Kleinhabitaten. Er gibt den Untergrund frei und Einblick in etwas, das wir sonst nicht sehen würden. Ich erkenne einen Windkanter. Es ist ein jotnischer Sandstein aus der schwedischen Provinz Dalarna und etwa 1200 Millionen Jahre alt – rötlich und mit Reduktionsflecken. Er ist während des Drenthe-Stadiales der Saalekaltzeit von etwa 300 000 Jahren mit dem Eis zu uns gekommen. Seinen Windschliff mag er auf der Kältesteppe der späteren Weichselkaltzeit erhalten haben.
Sind diese Informationen wichtig? Was ist schon wichtig. Und für wen ist etwas wichtig. Sie haben einen Wert für mich, weil ein winziger Bruchteil dieser Information des Standortes von mir erkannt und damit zur Erkenntnis wurde.
Wenn ich zurückkehre nach Haus, habe ich keinen Baumwipfelpfad erklommen, keinen Kletter- oder Walderlebnispfad begangen, der aus einer „sozioökonomischen“ „gemeinwohlleistenden“ Förderkulisse finanziert und durch Eigenlob der Erbauer geadelt wurde.
Mein Abenteuer war eine geworfene Buche, die keinen Preis, aber einen Wert hat. So ist das nun mal. Ob das Dr. Merker verstehen kann?
Karl-Friedrich Weber
Foto: Karl-Friedrich Weber
05. 05. 2018 :
„Mulmbäume“ sind in Waldökosystemen Nischen von besonders großer Biodiversität. Sie entstehen über längere Zeiträume und sind damit typisch für wirklich alte Wälder, jedoch nicht für die Phasen „ab hundert Jahre“, die in der üblichen Zweckargumentation z.B. in FFH-Gebieten als alten Wald definiert werden.
Fotos: Karl-Friedrich Weber
Es können alle alten Laubbäume Höhlen mit Mulmkörpern bilden. Die Bildung von Stammhöhlen mit Mulmkörpern benötigt in der Regel viele Jahrzehnte. Voraussetzung ist die Besiedelung des Splint- oder Kernholzes mit Pilzarten, die auf eine lang andauernde, vergleichsweise milde Nutzung lebender Bäume spezialisiert sind. Diese Pilze greifen über lange Zeiträume für den Baum lebenswichtige Bereiche, besonders Kambium und Splint nicht substanziell an. Das verpilzte Holz wird von Insekten zernagt, die von den Holzpilzen und deren Myzelien abhängen. Die mit Nagemehl gefüllten Bohrgänge werden regelmäßig von Holzameisen als Grundlage zur Bildung ihrer Kolonien benutzt. Die Ameisen entfalten ihrerseits eine intensive Nagetätigkeit zur Erweiterung ihrer Gang- und Brutkammersysteme. Dadurch entstehen erneut große Mengen an Nagemehl, dem primären Holzmulm. Alle Höhlen werden früher oder später durch Sekundär- und Strukturnutzer besiedelt. Beispiele sind höhlenbrütende Vögel, Mäuse, Bilche und Fledermäuse oder Insekten wie Ameisen, Hornissen, Honigbienen und Wespen. Dies ist mir einem erheblichen Eintrag von organischer Substanz wie Nistmaterial, Beutereste, Gewölle, Kot, Federkiele, verlassene Vogeleier, Häutungsreste und Tierleichen verbunden. Da diese organische Substanz stickstoff- und phosphathaltige Verbindungen und Mineralstoffe enthält, stell sie eine Vervielfachung des ursprünglich vom Baum selbst zur Verfügung gestellten Nährstoffangebots dar. Aufgrund des Nährstoffeichtumgs gehören Saprophyten wie Mürblinge oder Tintlinge zur den typischen Pilzbesiedlern von Baumhöhlen mit Mulmkörpern. Diese können auch eine Reihe von angepassten holzbewohnenden (xylobionten) Käfern beherbergen, darunter auch seltene Arten wie der Eremit oder der Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer. Das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin hat zu diesen Themen ein ausgezeichnetes Praxishandbuch -Naturschutz im Buchenwald herausgegeben (ISBN 978-3-00-051827-0).
http://www.mlul.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.428589.de
29. 06. 2018 :